Aids can talk. Teil 1
Zephania Tshuma, „Strong Guy“, 1994, Holz, Schuhcreme, 60 cm.
Die Bevölkerung Zimbabwes ist von allen afrikanischen Ländern von dem HIV-Virus besonders stark betroffen.
Die hohe Sterberate, die große Zahl von Aids-Waisen und die Armut der Bevölkerung sind Gründe für die Einstufung des Landes im Human Development Index der Vereinten Nationen 2010 auf Platz 169, dem letzten Platz. Durch die 2006 von Präsident Mugabe befohlene „Operation Murambatsvina“ – wörtlich: „Operation, um den Müll loszuwerden“ wurden Townships und „Informal Settlements“ am Rande der großen Städte mit Bulldozern zerstört und die Bewohner vertrieben. 700.000 Menschen, die Ärmsten der Bevölkerung, verloren ihre Häuser und Lebensgrundlage.
Obwohl HIV und Aids in Zimbabwe
allgegenwärtig sind, ist es nach wie vor ein Tabu, darüber offen zu sprechen
oder sich einem Test zu unterziehen – zu groß ist die Angst vor Stigmatisierung
und Ausgrenzung. Auch in der bildenden Kunst war dies lange Zeit der Fall.
Infizierte Künstler, die die Not der Bevölkerung häufig am eigenen Leib erfahren
und auch oft zum Thema ihrer Kunst machen, nahmen bisher auf die Krankheit nur
zögernd direkt Bezug. Seit einigen Jahren zeigt sich hier jedoch so etwas wie
ein Paradigmenwechsel.
Luis Meque,
1993.
Luis Meque
Luis Meque, „Church and Figure“, 1997, 82 x 109 cm, Mixed Media.
Luis Meque, „Exit“, 1998, 115 x 94 cm, Mixed Media.
Luis Meque, „Friends – Free at Last“, 1998, 186 x 115,5 cm. Mixed Media.
„I am black. I think black. I paint black.“ Dieser Satz des 1966 in Tete, Mosambique, geborenen Luis Meque kann stellvertretend für das Selbstbewusstsein einer jungen Generation bildender Künstler stehen, die ihre Arbeit auch als politische Stellungnahme begreifen. Nachdem Meque vor dem Militärdienst in Mosambique geflohen war, kam er als Flüchtling nach Zimbabwe, wo er zeitweise illegal lebte. Meques Bildersprache ist expressionistisch. Bildtitel wie „Guy and Doll, Midnight Woman, Car Watcher, Cell, City Boys“ verweisen auf das urbane Leben, einzelne ins Bild geschriebene Wörter wie „Exit, Vote, Victori“ konkretisieren die dargestellten Situationen, geben ihnen meist aber eine andere Richtung. So steht jenes „Victori“ auf der Tür eines kleinen Gebäudes in einer sonst diffusen, fahl gehaltenen Landschaft, die eher in die Tiefe führt – ähnlich einem Grabmal – als in eine freundliche Zukunft.
In „Church and Figure“ liegt ein Körper mehr tot als lebendig vor einer Kirche, deren Architektur eher an eine Friedhofsmauer erinnert, als an einen Ort der Zuflucht denken lässt. Der Körper der im Titel genannten Figur ist zudem kaum sichtbar, als wäre er bereits im Zustand der Verwesung.
„Exit“ zeigt eine Abschiedssituation. Die beiden abgewandten Gestalten, in dumpfen Tönen gemalt, wenden sich der grellroten Fläche im Hintergrund – mit „Exit“ beschrieben – zu. Das Gitter im Vordergrund, in gleicher Farbe und wie eine Wunde gemalt, verwehrt ihnen die Umkehr – der Weg in eine Hölle scheint unvermeidlich.
In seinen letzten Bildern fand Luis Meque zu einer neuen Ausdrucksform. Zeigten die zuvor entstandenen Bilder „Crossroads“ I und II Fenster, die – ähnlich den farbig gefassten in Kirchen – aus kleineren Fenstern bestehen, die einen Durchblick in verschiedene Innenräume andeuten, so wird der Blick in den kurz vor seinem Tod gemalten Arbeiten wie „Journey’s End“ und „Friends – Free at Last“ auf der Fläche festgehalten: Hier ist der Tod unmissverständlich gegenwärtig – auf Buchseiten gemalte, kalligraphisch anmutende Figuren, meist schwarz und in Paaren, getrennt von den anderen, weisen durch ihre rasterförmige Anordnung auf die namenlose Zahl der Toten hin. Diese Ordnung, die auch an eine Gedenktafel erinnert, wird gelegentlich durch einzelne farbig gemalte Figuren durchbrochen, denen dadurch ihre Anonymität genommen wird – „Friends“. Bei diesen wenigen fließen die Farben ineinander und geben den Gestalten keine innere Struktur mehr, als ob diese bereits infiziert sind. Nur zwei Paare sind klar konturiert und wie mit einem Rotstift durch eine Spirale markiert. Die Buchseiten stammen zum Teil aus dem Abenteuerroman „Jimgrim“ von Talbot Mundy aus den 20er Jahren, dessen Held nicht nur gefährliche Missionen bewältigt, sondern sich – wie der an der Theosophie interessierte Autor – neben dem Kampf auch stets für spirituelle und mystische Fragestellungen interessiert – möglicherweise ein Hinweis auf Meques eigene Fragen an das Leben? „I’m trouble. I got a bad spirit on me. I’m not gonna live long.“ Luis Meque starb 1998 im Alter von nur 31 Jahren an Aids.
Zephania Tshuma: „Danger Love“, 1986, Holz, Farbe
Zephania Tshuma, „I use condoms“, 1992, Holz, Farbe.
Zephania Tshuma
Zephania Tshuma, 2000.
„Yes, it is true
that AIDS can talk because a lady can talk and a gentleman can talk. One night
we were at Bekeleza bottle store. There came a well dressed lady from Bulawayo.
All of us were shocked to make love to her. But the businessman won her because
he had a lot of money. She slept with him. In the morning he got his car to
West Nicholson. The AIDS worm crossed road. The man got out from his car. The
AIDS worm called him and said: I am inside your body, so you will die very
soon. The man said: What do you mean? You are out of my body. Why do you say
you are in my body? The AIDS worm answered saying that lady you slept with is
going to die.
Also I am a killer, the bomb from heaven.
The lady will die first, you are number two.“
Kurze Fabeln wie diese begleiten oft die Skulpturen des 1932 in Wanasi geborenen Bildhauers Zephania Tshuma, einem der Vorreiter und Tabubrecher in der Kunst Zimbabwes. Nach dem frühzeitigen Abbruch der Schule arbeitete Tshuma zuerst als Hirte, Postbote und Maurer, und begann schließlich, Holzskulpturen zu schnitzen, die heute international Anerkennung finden. Das Medium ist traditionell, doch die Themen seiner Arbeit sind modern. Sie erzählen in einer sehr direkten Weise von der heutigen Gesellschaft und ihren Nöten – unter anderem auch von der Bedrohung durch Aids. Tshuma bedient sich in seiner Ikonographie auch mythologischer Themen, wie bei der Skulptur „Mr. Snake“ von 1995. Hier sitzt eine korkenzieherartig aufgeringelte Schlange statt einem Kopf auf den Schultern einer menschlichen Figur – oder Horrorfiguren der Alltagskultur: In der Arbeit „Danger Love“ von 1986 verschlingt ein Monster den Kopf einer Frau. Durch die karikierende Darstellung des Tabus macht Tshuma klar, dass Aids keine abstrakte Bedrohung ist, sondern konkret durch Sex mit realen Menschen übertragen wird.
Arbeiten wie „Strong Guy“ zeigen eine noch drastischere Form, um auch auf die Gefahr der Promiskuität hinzuweisen, die die Verbreitung des Virus beschleunigt. Hier greift Tshuma in der Darstellung der Figuren auch auf traditionelle Stilmittel afrikanischer Kunst zurück, was der Skulptur zusätzlich einen ironischen Unterton gibt.
In der Arbeit „I use condoms“ wird sogar praktische Aufklärungsarbeit geleistet. Auch Zephania Tshuma starb 68-jährig 2000 an Aids.
Informationen zur gesundheitlichen Situation in Zimbabwe gibt u.a. die Webseite: www.avert.org/aids-zimbabwe.htm.