Nils von Hentig, Frankfurt, für die DAIG-Sektion Pharmakologie
Diskussion: Leitlinie Therapeutisches Drug Monitoring

Die im März 2010 gegründete neue Sektion Pharmakologie der DAIG hat es sich zur Aufgabe gesetzt, (i) Standards zur Planung und Durchführung klinisch pharmakologischer Studien der HIV Therapie zu erarbeiten, (ii) pharmakologische Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie zu formulieren sowie (iii) die Kooperation zwischen Pharmakologen, Klinikern und Forschern anderer Fachbereiche zu verbessern. Als eine Kernaufgabe wird die Erarbeitung einer Leitlinie Therapeutisches Drug Monitoring der HIV-Therapie angesehen, deren Entwurf im Juli 2011 vorliegt. Auszüge des Leitlinienentwurfes sind im Folgenden wiedergegeben und werden zur Diskussion gestellt.

Die heute verfügbaren antiretroviralen Medikamente (ARV) müssen über lange Zeit sehr gewissenhaft vom Patienten eingenommen werden, wobei das Management einer ganzen Reihe von Nebenwirkungen (gastrointestinale Beschwerden, Lebertoxizität, Polyneuropathien, Lipodystrophie oder Diabetes, um nur einige zu nennen) sowie eine Vielzahl von bekannten Arzneimittelinteraktionen hohe Anforderungen an die Adhärenz der Patienten und das Fachwissen der behandelnden Ärztinnen und Ärzte stellt.

Zur Überprüfung des Therapieerfolges stehen heute eine Reihe von diagnostischen Untersuchungen zur Verfügung, zu denen in mehreren europäischen Ländern auch die Arzneimittelspiegelmessung im Blut gehört.

Aktuelle Behandlungsrichtlinien für die HIV Therapie im In- und Ausland empfehlen zwar Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) für besondere Patientengruppen, wie Kinder, schwangere Frauen und Leber- bzw. Nieren-insuffiziente Patienten, formulieren bislang jedoch keine Algorithmen für ein klinisch-pharmakologisches Management der HAART, welche Behandlern und Patienten den Weg entlang der Vielzahl miteinander in Zusammenhang stehenden pharmakologischen, virologischen und klinischen Größen weisen würden. Nicht zuletzt ist das TDM ein Kostenfaktor im niedergelassenen Versorgungsbereich, wo i.d.R. mit der Laborziffer (analog zur Digoxinbestimmung) bis maximal drei Messpunkte/Tag beim einzelnen Patienten abgerechnet werden können, d.h. die Empfehlung einer 12h-Pharmakokinetik nur Sonderfällen und mit Einschränkungen überhaupt umgesetzt werden kann. Insofern versucht die neue Leitlinie Empfehlungen auszusprechen, bei denen mithilfe eines möglichst geringen Aufwands ein Maximum an Information erzielt werden kann.

TDM

Generell werden bisher HIV-Protease Inhibitoren (PI), Nicht Nukleosidale Reverse Transkriptase Inhibitoren (NNRTI), und die Substanzen Enfuvirtide, Maraviroc und Raltegravir in der klinischen Routine in Plasma bzw. Serum gemessen. Nukleosidale Reverse Transkriptase Inhibitoren (NRTI) hingegen sind prodrugs und werden nach Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt erst in der Zielzelle, mehrfach phosphorylliert, antiretroviral wirksam. Ein Zusammenhang zwischen Plasmakonzentration der prodrugs und intrazellulären Konzentrationen der wirksamen Substanzen besteht nicht, und sie werden deshalb auch nicht im Rahmen des Routine-TDM gemessen.

Für die neuen Substanzen Raltegravir und Maraviroc gilt, dass eine klare Konzentrations-Wirkungsbeziehung für beide nicht existiert. Für beide werden jedoch zumindest Minimalkonzentrationen im Plasma empfohlen, wobei für Raltegravir die Diskussion aktuell über eine Korrelation zwischen Maximalkonzentrationen bzw. Gesamtexposition und Wirksamkeit geführt wird.

Für PI und NNRTI hingegen gibt es Empfehlungen für minimale bzw. im Patienten angestrebte effektive Konzentrationen im Plasma, welche entweder in Studien mit Therapie-naiven Patienten oder aus in-vitro-Daten generiert und extrapoliert wurden (siehe Tab., 2. Spalte).

TDM in klinischen Studien

Derzeit sind die Ergebnisse von 6 kontrollierten klinischen Studien publiziert, in welchen die Bedeutung des TDM für die Therapiesicherheit untersucht wurde. Zwei zeigen einen klaren therapeutischen Vorteil für den Patienten durch TDM (Anteil der Patienten mit niedriger Viruslast nach 48 Wochen größer als in der Vergleichsgruppe), jeweils bei Einnahme der Proteaseinhibitoren Nelfinavir und Indinavir1, 2, welche in der HIV-Therapie allerdings kaum mehr eine Rolle spielen. Vier weitere Studien verfehlten das Ziel, einen signifikanten Vorteil durch TDM der HAART zu zeigen3-5, wobei die jüngst veröffentlichte Studie von Best et al.4 zumindest einen deutlichen Trend hin zum besseren viralen Ansprechen durch TDM der Therapie mit anschließender Dosisanpassung zeigte. Auch in einer nicht-kontrollierten Studie wurde eine Korrelation zwischen Arzneimitteltalspiegel von PI und NNRTI und virologischem Ansprechen gezeigt6 und eine Anzahl weiterer retrospektiver Analysen hat (Vorhersage-)Modelle für Therapieansprechen und/oder Nebenwirkungen entwickelt, welche die Pharmakokinetik der ARV als grundsätzlich relevant für den Therapieerfolg ansehen.7-13

Ein Vergleich von empfohlenen Arzneimittelkonzentrationen (siehe Tab., 2. Spalte) und Daten verschiedener Labors aus Deutschland zeigen, dass die in der Klinik gemessenen Durchschnittswerte generell ausreichend sind (siehe Tab., Spalten 3,5,6,7). Bisher wurden allerdings erst wenige  Daten in besonderen Patientengruppen ermittelt (siehe Tab., 4. Spalte). Auch ist anzunehmen, dass für lange vorbehandelte und mit viralen Resistenzen belastete Patienten, nicht dieselben Zielgrößen gelten wie für Therapie-naive Patienten. Verschiedene Konzepte z.B. virale Resistenz mit Arzneimittelspiegeln zu verbinden, sind noch nicht ausgereift. Das am weitesten verbreitete Konzept ist das des sog. genotypischen Inhibitionsquotienten (gIQ): Die Ratio aus Arzneimittelspiegel und Anzahl der vorhandenen relevanten viralen Resistenzen sollte deutlich höher sein als die ermittelten Hemmkonzentrationen (IC50, IC95) in vivo und weist in der Praxis auf potentiell zu niedrige Arzneimittelspiegel hin.3

CCR5-Blocker und Integrasehemmer

Die für Raltegravir und Maraviroc angegebenen minimalen Hemmkonzentrationen in vitro (bzw. in vivo) betragen 15ng/mL (50ng/mL) und 0,57ng (50ng/mL bzw. 80ng/mL) (http://www.ema.europa.eu/htms/human/epar/eparintro). In Patienten gemessene Plasmakonzentrationen beider Substanzen übersteigen die angegebenen Werte um ein Vielfaches. Inwieweit jedoch ein Tropismuswechsel CCR5→CXCR4 unter Maraviroc-Therapie konzentrationsabhängig stattfindet und eine Konzentrationserhöhung dies verhindern könnte, wurde bisher noch nicht gezeigt, so dass auch hier die Interpretation von Wirkspiegeln in Patienten kaum seriös möglich ist.

Zur Frage, ob TDM auf lange Sicht das klinische Outcome der Patienten verbessern hilft, liegen anders als bei einigen älteren ARVs noch keine Daten vor.

Besondere Situationen

Schwangerschaft

Grundsätzlich wird eine HAART in der Schwangerschaft durchgeführt, wenn Behandlungsbedarf besteht (http://www.daignet.de/media/SCHWANGER_2005_ 09.pdf). Ansonsten ist eine HAART bei Frauen, die während der frühen Schwangerschaft keine Medikamente nehmen müssen, generell erst ab der 28. Schwangerschaftswoche zur Transmissionsprophylaxe von HIV kurz vor oder unter der Geburt  indiziert.14

Die Schwangerschaft geht mit physiologischen Veränderungen einher, welche die Arzneimittelspiegel der HAART z.T. erheblich beeinflussen können. Die Datenlage hierzu ist aufgrund der wenigen klinischen Studien mit schwangeren Frauen eingeschränkt. Einige Anwendungsbeobachtungen liefern jedoch Hinweise darauf, dass Gewichtszunahme, ein verändertes Verteilungsvolumen, die erhöhte totale Clearance und verzögerte Resorption die Spiegel von beispielsweise Nelfinavir, Indinavir, Lopinavir und Nevirapin vor allem im letzten Trimenon der Schwangerschaft, deutlich verändern. Die Schwangerschaft unter HAART stellt somit eine Indikation für TDM dar.15-19 Das Absetzen einer Therapie in der Schwangerschaft indiziert eine Nachkontrolle der Arzneimittelspiegel über 2-4 Wochen bei jeder Visite. Generell sollte bei NNRTI bereits nach 2 Wochen die Ctrough kontrolliert bzw. bei jeder folgenden Visite bis zur Geburt wiederholt werden. Bei Proteaseinhibitoren empfiehlt sich eine Ctrough-Kontrolle ca. 2-4 Wochen nach Beginn der PTMCT und nur bei besonders niedrigen Konzentrationen weitere Kontrollen bis zur Geburt.

HAART im Kindesalter

Arzneimittelkonzentrationen in Kindern sind schwer vorherzusagen, da sich während der kindlichen Entwicklung Absorption, Verteilung, Metabolisierung und Ausscheidung ständig verändern. Verschiedene Dosierungsempfehlungen für PI oder NNRTI basieren zwar auf Anpassung entsprechend Körpergewicht oder Körperoberfläche der Kinder, es hat sich aber gezeigt, dass diese in der Realität oftmals ungenügende Arzneimittelspiegel zur Folge haben. Darüber hinaus zeigen eine Anzahl sehr heterogener Studien mit Efavirenz20, 21, Lopinavir22, Nelfinavir8, 23 und Indinavir24 eine sehr hohe intra- und interindividuelle Variabilität der pharmakokinetischen Zielgrößen mit dem Potenzial für suboptimale Arzneimittelspiegel.

Bei Kindern sollten daher bei unzureichendem Therapieerfolg, dem Auftreten viraler Resistenzen und von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Arzneimittelspiegel kontrolliert werden. Empfehlungen hierzu finden sich in der Leitlinie zur Aktuellen HIV-Therapie bei Kindern der Deutschen Pädiatrischen Arbeitsgemeinschaft AIDS (PAAD, http://www.kinder-aids.de/konsensus_leitlinie_hiv_paediatrie.htm).

Für die gemessenen Parameter gelten dieselben Regeln wie bei Erwachsenen. Ein Plasmaspiegel-Tagesprofil bei Kindern wird durch Messung zu den Zeitpunkten 0,2,4,8 und 12h ermittelt. Die zu entnehmende Blutmenge sollte ein Minimum betragen. Bei sensiblen Messgeräten (LC-MS/MS der neueren Bauarten) genügen ca. 2mL Vollblut bzw. daraus 1mL Plasma. Dieses ist vorab mit dem Labor zu klären, in welches die Proben versendet werden.

HBV/HCV-Koinfektion

Pathophysiologische Änderungen unter HBV/HCV Koinfektion können die Arzneimittelspiegel der HAART erheblich beeinflussen, so dass eine Dosisanpassung von PI und NNRTI bzw. eine engmaschige Kontrolle der (Labor-) Nebenwirkungen nicht nur im Falle einer bestehenden Leberinsuffizienz notwendig werden kann.

Die chronisch replikative HBV/HCV-Koinfektion ist, auch ohne Hinweis auf eine eingeschränkte Leberfunktion, eine Indikation für TDM der HAART. Empfohlen wird eine frühe Messung aller Parameter durch die Erstellung eines 12h-Tagesprofils, ca. 2-4 Wochen nach Therapiebeginn, sowie regelmäßige Kontrollen zu den Zeitpunkten 0,2 und 4h bei späteren Visiten (Erfassung der Cmax).

Salvage-Therapien

Der Gebrauch ungewöhnlicher Kombinationen in der HAART bzw. individuell angepasster Dosierungen kann vor allem bei sehr lange vorbehandelten Patienten nötig werden. Da es bei einer Kombination von mehr als zwei Arzneimitteln, die über denselben Abbauweg verstoffwechselt werden, generell schwierig ist, Interaktionen vorherzusagen25, sind viele dieser Therapien eine Indikation für TDM. Generell benötigen diese Patienten relativ hohe Arzneimittelspiegel, um einer möglichen weiteren viralen Resistenzbildung vorzubeugen.3,13,26,27

Sogenannte Salvage-Therapien stellen in der Regel eine Indikation für TDM dar, da speziell in diesen Patienten ausreichend hohe Arzneimittelspiegel erreicht und über längere Zeit gehalten werden müssen. Bei stark vorbehandelten Patienten mit weniger als 3 voll wirksamen Substanzen, sollte nach 2 Wochen ein Plasmaspiegel-Tagesprofil (0,1,2,4,6,9, 12h) erstellt und bei folgenden Visiten der Ctrough kontrolliert werden.

Empfehlungen für zu erreichende Plasmakonzentrationen gibt es für stark vorbehandelte Patienten nicht, die Berechnung des sogenannten Genotypischen Inhibitionsquotienten, gIQ, kann ein Anhaltspunkt sein. Es gilt die Faustregel, dass die Konzentrationen 3x höher als die von der DHHS empfohlenen sein sollten. Ausnahme sind die Empfehlungen der zu erreichenden Plasmakonzentrationen für Raltegravir und Maraviroc, welche sich von vorneherein speziell auf diese Patientengruppe beziehen. (DHHS Guidelines)

Einmal-tägliche Therapien

Patienten, welche aus verschiedenen Gründen (berufliche Hindernisse, daily observed therapy etc.) eine einmal-tägliche Therapie einnehmen, können aufgrund der intra-individuellen Variabilität immer wiederkehrende subtherapeutische Talspiegel haben und sollten deshalb regelmäßig kontrolliert werden. Das wurde für Nevirapin gezeigt und für Saquinavir in verschiedenen Dosierungen, mit oder ohne Atazanavir28,29, während beispielsweise bei Lopinavir/Ritonavir30,31 bzw. Fosamprenavir/Ritonavir25,32 oder Atazanavir/Ritonavir in Therapie-naiven Patienten primär derzeit kein TDM empfohlen wird, außer wenn diese Therapien in einer der vorher genannten Patientengruppen eingesetzt wird.

Arzneimittelinteraktionen

Arzneimittelinteraktionen zwischen einzelnen antiretroviralen Substanzen bzw. mit der Begleitmedikation können in besonders niedrigen oder toxisch hohen Arzneimittelspiegeln resultieren. Alle PI und NNRTI werden über  Cytochrom P450 (CYP), besonders CYP3A, verstoffwechselt. Ritonavir und Atazanavir sind dabei potente Inhibitoren, während
Nevirapin und Tipranavir beispielsweise Induktoren desselben Systems sind. Internetseiten geben entsprechende Informationen und Handlungsanweisungen für den Fall vermuteter Interaktionen innerhalb der HAART (z.B. www.hiv-druginteractions.org/). Arzneimittelinteraktionen von PI und NNRTI, beispielsweise mit Antazida, Lipidsenkern, Psychopharmaka, Antiepileptika, Opiaten spielen in der Klinik eine bedeutende Rolle. Bis zu 50% der HIV-Patienten nehmen zumindest zeitweise H2-Rezeptorenblocker oder Protonenpumpeninhibitoren, welche z.B. die Resorption von Indinavir, Nelfinavir oder Atazanavir hemmen, ein.

Gleiches gilt für die neue Substanz Maraviroc: Dosierungsanweisungen entsprechend der eingesetzten Komedikation deuten auf ein gehobenes Interaktionspotential hin, so dass die o.g. Gründe für ein mögliches TDM auch hier gelten. Resorptionsprobleme sind weniger zu erwarten, dafür ein Einfluss von CYP3A auf die Bioverfügbarkeit bzw. den Abbau von Maraviroc in der Leber. Für  Maraviroc ist bereits eine deutliche Abbauhemmung durch einen zu Ritonavir verhältnismäßig wenig potenten CYP3A4-Inhibitor Ketoconazol gezeigt worden.33 Verschiedene Studien haben in diesem Zusammenhang Interaktionen mit vielen ARVs34, Rifampicin, Azolderivaten35, Clarithromycin (http://www.kompendium.ch) nachgewiesen. Insofern kann auf Interaktionen mit ähnlichen Präparaten rückgeschlossen werden, so dass im Zweifelsfall hier ein TDM angebracht sind. Denkbar ist dies bei einer Reihe von Psychopharmaka, Antiepileptika, Antibiotika, schwach wirksamen Opioiden. Keine Dosisanpassungen bzw. TDM sind hingegen nötig bei gleichzeitiger Anwendung von Methadon/Buprenorphin, hormonellen Kontrazeptiva, Midazolam36, Statinen oder HCV-Therapie. Den Anhalt für nicht zu unterschreitende Plasmakonzentrationen bieten die Empfehlungen des Amerikanischen Gesundheitsministeriums mit 50ng/mL in vivo. Auch milde bis moderate Einschränkungen der Leberfunktion bedingen keine Empfehlung zum TDM von Maraviroc.37 Eine gute Übersichtsarbeit zum Thema ist 2009 in Antiviral Therapy erschienen.38

Raltegravir hingegen hat ein verhältnismäßig viel geringeres Interaktionspotential, da es über UGT und nur zu einem geringen Teil Cytochromoxidasen abgebaut wird. Dennoch gibt es Hinweise auf Interaktionen beispielsweise mit Rifampicin in der TBC-Therapie, so dass durchaus auch bei potentiell hoch interaktiven Kombinationen mit Psychopharmaka, Antiepileptika, Chemotherapeutika oder Immunsuppressiva, Raltegravirkonzentrationen kontrolliert werden sollten. Eine UGT-Hemmung durch die gleichzeitige Gabe von Atazanavir 300 mg BID erhöhte die Raltegravir-Plasmakonzentrationen um ~50%, was jedoch keine weiteren klinischen Konsequenzen haben dürfte39 und TDM nicht notwendigerweise empfehlenswert. Allerdings scheint die gleichzeitige Gabe mit Antazida zumindest das Potenzial für eine Erniedrigung der Cmin bei gleichbleibender Cmax/AUC zu haben. Jedoch liegen Daten zunächst nur für die einmalige Gabe von Raltegravir vor und nicht in Patienten bei chronischer Einnahme im steady state.40

Weitere Interaktionsstudien konnten keine relevanten Interaktionen mit Pravastatin41, Tacrolimus42, Cyclosporin43,
Methadon44, Lamotrigin45 oder Tipra-navir/Ritonavir46, Ritonavir und Efavirenz.47 Die gleichzeitige Applikation von Omeprazol hingegen erhöhte die Raltegravir-Spiegel aufgrund einer verbesserten Resorption bei erhöhtem Magen-ph-Wert.48

Wichtig ist auch die bisher nicht reproduzierbare Interaktion zwischen Raltegravir und Maraviroc in einer Studie von Andrews et al., welche eine beiderseitige Reduktion der Plasmakonzentrationen ~40% (Raltegravir) bzw. ~20% (Maraviroc). Ob dieses eine klinische Relevanz hat, ist derzeit nicht zu bestimmen. TDM sollte in dieser Situation angewendet werden, wenn zusätzliche Interaktionen mit Begleitmedikation erwartet werden.

Bei direkten Fragen zu vermuteten Arzneimittelinteraktionen gibt es ebenfalls entsprechende Internet-basierte Angebote (z.B. www.ifi-interaktions-hotline.de).

Generell ist es bei vermuteten Arzneimittelinteraktionen ab dem 6. Dosisintervall nach Einführung der neuen Ko-Therapie indiziert, Cmin und Cmax der HAART zu bestimmen. Hierzu sollten während der ersten Stunden nach Einnahme der HAART zu den Zeitpunkten 0,(1),2 und 4h gemessen werden. Falls möglich, sollte ein Plasmakonzentrations-Tagesprofil (0,1,2,4,6,9,12h) erstellt werden, um Veränderungen in Clearance und einen Zusammenhang zwischen möglichen neu auftretenden Nebenwirkungen und der Gesamtexposition, AUC, zu erfassen.


DHHS guidelines Frankfurt HIV cohort PK-ART database Würzburg TDM database HIV Lab Berlin TDM database Düsseldorf TDM database References
Drug Naive patients ng/mL Adult patients pk protocol ng/mL Special patients pk protocol ng/mL Unselected patients ng/mL Unselected patients ng/mL Unselected patients ng/ml
Fosamprenavir
700mg bid
> 400 1374, 530-2660 (n = 32) -- 2358 (n = 444) 270-460 750-2700 [49-51]
Atazanavir
300mg qd
> 150 580, 55-1950 (n = 49) -- 1417 (n = 921) 540-1700 210-2290 [49-52]
Darunavir
600mg bid
3300 (1255-7368)53* --** -** -** 2090-4890 449-5460 [51, 54]
Darunavir
800mg qd
-** -** -** -** 1110-3450 ** --
Indinavir
800 mg bid
>100 930, 90-3390 (n = 33) -- 719 (n = 73) -** -- [49, 50, 55]
Lopinavir
400mg bid
>1000 3600, 880-9460 (n = 72) 1355, 30-2480 (n = 10) 5 5380 (n = 2053) 2800-8200 1270-8090 [49-51, 55]
Nelfinavir
1250mg bid
>800 -** -** 1562 (n = 87) 500-2500 127-2590 [49, 50]
Saquinavir
1000mg bid
100-250 600, 50-2200 (n = 90) 647, 180-1160 (n = 13) 6 869 (n = 455) 245-560 130-1525 [49-52]
Tipranavir
500mg bid a, b
213601,
249602
30445, 7000- 125500 (n = 19) 3 -- 23070 (n = 43) 11040-30560 ** [51, 56]
Efavirenz
600mg qd
>1000 1770 (n = 35) 4 1290, 460-2550 (n = 11) 7 1905 (n = 2348) 760-2780 704-2780 [20, 49-51]
Nevirapine
200mg bid
>3000 3300, 1500-6550 (n = 27) 2925, 1250- 6280 (n = 16) 6 4452 (n = 1267) 3200-5080 2320-5490 [50, 51, 57]
Etravirine
200mg bid
275 (81-2980)* -** -** -** 320-620 126-728 [51]
Maravirocb, c >50* >200 (n = 11) -** -** 35-100 ** [51]
Raltegravir
400mg bid
72 (29-118) (66,2)58 >200 (n = 15) -** -** 20-250 <80-360 [51, 59, 60]
*= therapy experienced patients; ** no data available; ARV = antiretroviral substances; DHHS = Department of health and human services; HAART = highly active antiretroviraltherapy; a = tipranavir, boosted with 200 mg ritonavir; b = Recommendations applicable only to treatment-experienced persons who have resistant HIV-1 strains;
c = Maraviroc dosed either 150, 300 or 600 mg bid according to the Celsentri® Prescribing information (2007) [61]; 1 = men, data from Aptivus® prescribing information(2005); 2 = female, data from Aptivus® prescribing information (2005); 3 = unpublished own data from 06/2006-06/2007; 4 = data from Sustiva® product information(2005); 5 = children, aged between 5 and 22 months, lopinavir/ritonavir dosed according to body surface area: 230/57.5 mg/m²; 6 = pregnant women; 7 = children, agedbetween 3 and 12 years, dosed according to the manufacturers recommendations

Tabelle Empfohlene minimale Plasmakonzentrationen für HIV-1 infizierte Patienten mit Wildtyp Virus (DHHS). Cmin (Mittelwert, Range) von Patienten der Frankfurter HIV Kohorte (n = 407, 2.849 Messwerte), Ctrough -Mittelwerte der Würzburger HIV-TDM Datenbank (n = 7.791 Einzelmesswerte), Bereich der von der Berliner TDM-Datenbank gemessenen Ctrough (HIVLab Berlin) sowie der Bereich der gemessenen Ctrough der Düsseldorfer HIV-TDM Datenbank (GMD, Düsseldorf)


Dualtherapien

Klassische Dualtherapien sind pharmakologisch gesehen Dreifach-Therapien. (Fast) Immer ist Ritonavir Bestandteil einer Kombination. Die Plasmakonzentrationen dreier antiretroviraler Substanzen, die miteinander interagieren, sind zwischen den Therapieregimen aus derselben Substanzklasse sowie zwischen Individuen schwer vorhersagbar.

Klassische Dualtherapien, wie Doppel-PI haben das gezeigt. Neuere Kombinationen wie Lopinavir/Ritonavir oder Darunavir/Ritonavir plus Raltegravir, Atazanavir/Ritonavir plus Maraviroc, um nur einige zu nennen, haben unterschiedliche und teilweise unerwartete Effekte gezeigt. Ebensolche unerwarteten Effekte zeigen die neuen Proteasehemmer der HCV Therapie im Zusammenspiel mit HIV-Proteasehemmern.

Beim Einsatz von Off-Label-Therapien ist TDM als Instrument der Therapiekontrolle indiziert.  Nach 2-4 Wochen auf einer solchen Kombination sollte eine Plasmakonzentrations-Tagesprofil (0,1,2,4,6,9,12h) erstellt werden, zumindest jedoch Messungen zu den Zeitpunkten 0,1,2 und 4h (Erfassung von Ctrough und Cmax). Es sollte danach regelmäßig bei jeder Visite der Ctrough bestimmt werden, solange die HI-Viruslast nicht stabil unter der gültigen Nachweisgrenze liegt. Bei einem erneuten Anstieg bzw. Blips der HI-Viruslast sollten engmaschigere Ctrough-Kontrollen erfolgen.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass TDM derzeit nach dem Konsens der Sektion Pharmakologie wie bisher bei Therapieversagen, Nebenwirkungen aufgrund vermuteter sehr hoher Arzneimittelspiegel, in besonderen Patientengruppen, bei Salvage-Therapien sowie bei OFF-Label-Gebrauch indiziert ist.

Die neue Leitlinie soll in dieser Hinsicht Empfehlungen für die Praxis aufgrund einer umfassenden Literatursichtung, aber auch aufgrund der Analyse eigener Daten geben.

Die beteiligten Labore in Düsseldorf, Berlin und Würzburg sowie die Frankfurter PK-ART Datenbank liefern einen Anhalt dafür, welche Arzneimittelkonzentrationen überhaupt in Patienten zu erwarten sind. Konsens der Diskussion war, dass – bei im Einzelfall gemessenen – Werten außerhalb der zweifachen Standardabweichung des Gesamtkollektivs PK-Kontrollen im weiteren Verlauf der Therapie eines Patienten empfohlen werden (Ctrough).

Ein Update der Tabelle mit Mittelwerten/Standardabweichungen wird derzeit für die neue Leitlinie erstellt



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