Armin Rieger, Wien
Proteasehemmer-Monotherapie: Wo stehen wir heute?

Zur Monotherapie mit geboosterten Proteasehemmern gibt es mittlerweile zahlreiche Studien. Insbesondere die jüngeren Untersuchungen haben unter bestimmten Voraussetzungen einen vergleichbaren Effekt von Monotherapie und Standardregimen gezeigt. Es sind allerdings noch Fragen offen, beispielsweise nach der Wirksamkeit in ZNS und Genitaltrakt, und nicht zu vergessen, nach den Vorteilen dieses Ansatzes im Vergleich zur herkömmlichen Therapie.

Es besteht allgemeiner Konsens, dass die antiretrovirale Initialtherapie mit (nicht weniger, aber auch nicht mehr als)  zwei Nukleosidischen RT-Inhibitoren (NRTI) in Kombination mit entweder einem Ritonavir geboosteten Protease-Inhibitor (PI/r), einem Nicht Nukleosidischen RT-Inhibitor (NNRTI) oder einem Integrase-Inhibitor erfolgen soll. Mit diesem Therapiekonzept ist sowohl in klinischen Studien als auch im klinischen Alltag eine Suppression der HI-Virusreplikation unter die Nachweisbarkeitsgrenze bei einer überwiegenden Mehrheit der Patienten zu beobachten und über Jahre aufrechtzuerhalten. Es ist auch gezeigt, dass eine Risiko-Nutzen Abwägung hinsichtlich Morbidität und Mortalität eindeutig  für eine kontinuierliche und vorerst lebenslange Fortführung einer funktionierenden antiretroviralen Therapie (ART) spricht. Letztlich gilt es, eine optimale Balance zwischen dem Risiko unerwünschter Wirkungen und der gewünschten Effizienz der antiretroviralen Therapie zu finden. Langzeittoxizität, aber auch ökonomische Überlegungen geben der  Klärung der Frage, ob für die Aufrechterhaltung einer Virussuppression eine „Erhaltungstherapie“ mit weniger als drei pharmakologisch aktiven Substanzen zumindest gleichwertig ist, eine weitreichende Bedeutung.

Datenlage

Nachdem erste diesbezügliche Studien mit ungeboosteten PI aufgrund unterlegener Wirksamkeit schnell ad acta gelegt wurden, wird das Konzept einer Monotherapie mit geboosteten PI (PI/r) nun bereits seit etwa 10 Jahren in unterschiedlichen Patienten-Populationen und mit unterschiedlichen PI untersucht. Die meisten Studien wurden mit Lopinavir/r an Patienten mit unterschiedlich lange komplett supprimierter HIV-Replikation durchgeführt.

Bierman et al. resümiert 2009 in einer Metaanalyse von klinischen Studien (prospektiv kontrolliert/nicht kontrolliert n=16), dass eine PI/r-Monotherapie ein höheres Risiko eines Therapie-Versagens mit sich bringt als eine konventionelle Triple-Therapie (33% vs 23%) (Abb. 1). Limitiert man die Analyse jedoch auf Studien mit Patienten, die zuvor eine Viruslast unter der Nachweisbarkeitsgrenze für mehr als sechs Monate aufwiesen, dann war der Unterschied der Wahrscheinlichkeit eines virologischen Versagens nicht mehr signifikant (23% versus 18%; Bierman W et al. AIDS 2009; 22: 1-13).

Abb. 1 Metaanalyse von 16 klinischen Studien (prospektiv kontrolliert/nicht kontrolliert). Nach Bierman W et al., AIDS 2009
Abb. 1 Metaanalyse von 16 klinischen Studien (prospektiv kontrolliert/nicht kontrolliert). Nach Bierman W et al., AIDS 2009

Virologisches Versagen war zudem in fast all den Studien unterschiedlich definiert, aber letztlich im Wesentlichen ähnlich, nämlich als bestätigte Nachweisbarkeit der VL über einen definierten Schwellenwert von zumeist etwa 400 Kopien/ml, nachdem zuvor virologische Suppression dokumentiert war. Interessanterweise ist im Fall eines virologischen Versagens unter PI- Monotherapie bei  der überwiegenden Zahl der Patienten keine Resistenzselektion nachweisbar und eine Suppression der VL durch Wiederaufnahme einer Ko-Medikation von NRTI erzielbar.

In der OK04 Studie wurde ein virologisches Versagen im Monotherapiearm nur dann als Therapieversagen gewertet, wenn eine PI-Resistenz nachgewiesen wurde und/oder eine Wiederaufnahme der ursprünglichen Begleittherapie (zwei NRTI) nicht zu einer Re-Suppression der HI-Virusreplikation führte. Bei Woche 144 waren von 100 Patienten im LPV/r Arm 71% (TLOVR, switch=failure, ITT) bzw. 82% (TLOVR, successful reinduction failure, ITT) unter der Nachweisbarkeitsgrenze von 50 Kopien/ml  (Pulido F et al. 48th ICAAC, 2008).

Eine Metaanalyse von sechs randomisierten kontrollierten Studien ergab ebenfalls eine Nicht-Inferiorität der Mono-Therapiearme, wenn erfolgreiche Re-Suppression nicht als Therapieversagen gewertet wurde. Bierman schlussfolgerte, dass diese Therapieform daher eine Option darstellen könnte, sobald die Re-Intensivierung mit NRTIs für effektiv und sicher bewertet werden kann (Bierman W et al. AIDS 2009; 22: 1-13).

MONET und MONOI 

Auf der IAS-Tagung 2009 in Kapstadt wurden die 48 Wochen Daten von zwei großen prospektiven, offenen randomisierten Studien mit Darunavir/r versus Darunavir/r + 2 NRTI als Erhaltungstherapie bei Patienten mit einer VL <50 Kopien/ml vorgestellt. Die MONET-Studie setzte von Anfang an DRV/r 800/100 mg einmal täglich ein, in der MONOI Studie wurde in den ersten 48 Wochen DRV/r 600/100 mg zweimal täglich verwendet und danach auf DRV/r einmal täglich gewechselt. In der MONET-Studie wurde die Nicht-Unterlegenheit des Monotherapie-Armes gezeigt, in der MONOI-Studie wurde dieses Ziel nur knapp verfehlt.

Langzeit-Erfahrung

Von beiden Studien gibt es mittlerweile Langzeitbeobachtungen – 96 Wochen im Falle der MONOI-Studie (Valentin MA et al. CROI 2011, p 534) und 144 Wochen im Falle der MONET-Studie (Arribas JR et al. IAS 2011, MOPE216).

In der 96 Wochen Auswertung der MONOI-Studie war die Viruslast in der ITT-Analyse im Mono-Therapiearm respektive im Triple-Therapiearm bei 88% (91/103) bzw. 84% (87/104) und in der OT-Analyse  bei 95% (75/79) bzw. 90% (78/87) der Patienten unter der Nachweisbarkeitsgrenze von 50 Kopien/ml. Virologisches Versagen (zweimal Viruslast >400 Kopien/ml innerhalb von zwei Wochen) wurde bei insgesamt neun Patienten beobachtet, fünf davon mit DRV/r-Monotherapie. Bei keinem der Patienten konnten neue DRV-RAMs detektiert werden und nach Intensivierung mit zwei NRTI wurde wieder eine Suppression unter 50 Kopien/ml bewirkt.

In der MONET-Studie hatten zu Woche 144 im DRV/r-Arm 69% bzw. im DRV/r + 2 NRTI-Arm 75% der Patienten den virologischen Endpunkt nicht erreicht (zweimal Viruslast >400 Kopien/ml innerhalb von 2 Wochen, ITT, TLOVR, Switch=Failure) (Abb. 2). Wurde eine erfolgreiche Re-Intensivierung mit zwei NRTI nicht als virologisches Versagen gewertet (switch included), zeigte sich kein Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen (84% vs 83,5%). Eine post hoc-Analyse von bei Baseline HCV-negativen Patienten ergab eine fast identische Erfolgsrate von 78,3% vs 78,8% (TLOVR, Switch=Failure) (Abb. 3). Von 47 bzw. 40 genotypischen Analysen bei Patienten mit einer VL >50 Kopien/ml unter DRV/r bzw. DRV/r + 2 NRTI zeigte sich nur bei jeweils einem Patienten eine primäre PI-RAM. Der virtuelle Phänotyp beider RAMs ergab keine Einschränkung der Empfindlichkeit auf DRV und bei den Patienten war ohne therapeutische Intervention eine spontane Suppression <50 Kopien zu beobachten.

Abb. 2 MONET-Studie. Situation zu Woche 144 (TLOVR, Switch=Failure). Nach Arribas JR et al. IAS 2011
Abb. 2 MONET-Studie. Situation zu Woche 144 (TLOVR, Switch=Failure). Nach Arribas JR et al. IAS 2011

Abb. 3 MONET-Studie. Virologischer Erfolg gemäß Hepatitis C-Status bei Studienbeginn (TLOVR, switch=failure). Nach Arribas JR et al. IAS 2011
Abb. 3 MONET-Studie. Virologischer Erfolg gemäß Hepatitis C-Status bei Studienbeginn (TLOVR, switch=failure). Nach Arribas JR et al. IAS 2011

Mehr Blips

In beiden Studien zeigte sich des Weiteren, wie schon bekannt aus früheren Studien, in den Monotherapie-Armen eine erhöhte Frequenz von viralen „blips“ (Abb. 4). Interessanterweise stellte sich in einer Subanalyse der MONOI-Studie heraus, dass folgende Charakteristika mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von virologischem Rebound (zweimal Viruslast in Folge  >50 Kopien/ml ) signifikant assoziiert waren: 1. Zur Baseline-Visite nachweisbare VL („blip“ versus <50 Kopien/ml) oder VL nicht unter 1 Kopie/ml, 2. Höhere Werte an  proviraler DNA und 3. Geringerer Therapietreue (Marcelin AG et al. CROI 2011, P533). In der MONET-Studie wurde gezeigt, dass Patienten mit VL <50 Kopien/ml bei Baseline (etwa 80% in beiden Studienarmen) in der Woche 96 im Wesentlichem zu identischen Anteilen eine Viruslast <5 Kopien/ml aufwiesen. Eine Koinfektion mit HCV dürfte mitunter eher aus verhaltensbezogenen als aus biologischen Gründen einen negativen prädiktiven Faktor für Therapieerfolg darstellen (Hasson H et al. IAS 2011, CDB358).

Abb. 4 OK04-Studie. Punktprävalenz von virologischem Ansprechens und Abbrüchen. (Nach Pulido F et al. AIDS. 2008 Jan 11;22(2):F1-9
Abb. 4 OK04-Studie. Punktprävalenz von virologischem Ansprechens und Abbrüchen. (Nach Pulido F et al. AIDS. 2008 Jan 11;22(2):F1-9

Welcher Proteasehemmer?

Die DRV/r-Monotherapie nimmt in Bezug auf Resistenzselektion eine Sonderstellung ein, da bei einer kleinen unkontrollierten Monotherapie-Studie (n=61) mit Atazanavir/r innerhalb von 48 Wochen bei zwei Patienten mit virologischen Versagen sehr wohl primäre PI-RAMs festzustellen waren. Obgleich in den Studien mit LPV/r-Monotherapie mit zweimal täglicher Einnahme bei virologischem Versagen ebenfalls kaum primäre PI-RAMS nachzuweisen waren, so zeigten sich ebensolche bei 2/4 Patienten, welche mit <50 Kopien und LPV/r-Monotherapie auf die einmal tägliche Einnahme von LPV/r umgestellt wurden und in Folge ein virologisches Versagen entwickelten (Gathe JC et al. EACS 2009 PS4/5). In einer Auswahl von kontrollierten Studien waren jedoch keine klinisch relevanten Unterschiede in Bezug auf die Rate von PI-Mutationen bei Patienten mit virologischem Versagen im Vergleich Mono- versus Kombinationstherapie festzustellen. In dieser Metaanalyse wird auch festgestellt, dass in 93% der Patienten mit virologischem Versagen Wiederaufnahme der NRTI Einnahme zu einer Re-Suppression der HIV-Replikation führte (Mathis S et al. (2011) PLoS ONE 6(7): e22003. doi: 10.1371/journal.pone.0022003).

Die Bewertung des Konzepts einer PI/r Monotherapie ist jedoch komplexer und kann sich nicht ausschließlich auf nachweisbare oder nicht nachweisbare HI-Viruslast im Plasma über die Zeit oder Re-Suppression von viraler Replikation beschränken. Eine wichtige Frage im Zusammenhang mit der PI/r-Monotherapie ist vor allem, ob eine ausreichende antiretrovirale Wirkung in anderen Körperkompartimenten und da vor allem im ZNS oder Genitaltrakt gewährleistet ist?

ZNS-Wirksamkeit

Als Surrogatmarker der ZNS-Wirksamkeit einer ART wird die Viruslast im Liquor herangezogen. Defizite einer ART HI-Virusreplikation im ZNS zu kontrollieren, sind mit einer erhöhten Inzidenz von HIV-assoziierten neurokognitiven Erkrankungen (HAND) assoziiert (Letendre S et al. Arch Neurol 2008; 65:65-70). Die Wahrscheinlichkeit einer nachweisbaren Viruslast im Liquor wurde mit einem von Scott Letendre entwickelten CNS-Penetration-Effectivness- (CPE -) Score für antiretrovirale Substanzen assoziiert. Ein hoher Score bedeutet eine geringe Wahrscheinlichkeit von nachweisbarem HIV im Liquor bzw. umgekehrt ein niedriger Score eine höhere Wahrscheinlichkeit von HIV im Liquor. Da der Score einer ART aus der Addition der Einzelbewertungen für antiretrovirale Substanzen berechnet wird, haben PI/r-Monoregime einen niedrigeren Score als ein Regime PI/r + 2 NRTI. Der Score beträgt im Fall von Darunavir/r und Lopinavir/r jeweils drei und im Fall von Atazanavir/r und Fosamprenavir jeweils zwei. Der CPE-Score der Fixkombination Efavirenz/Tenofovir/Emtricitabin dagegen beträgt beispielsweise sieben (CPE-Ranking 2010).

In der Tat wurde in der ATARITMO-Studie gezeigt, dass bei 15% von Patienten mit Atazanavir/r-Monotherapie und Plasma HIV-RNA unter der Nachweisbarkeitsgrenze (BLQ), HIV im Liquor sehr wohl nachweisbar war (Vernazza P et al. AIDS 2007; 21: 1309-17). Diese Daten sind in Übereinstimmung mit den Beobachtungen einer geringen ZNS-Penetration von Atazanavir, welche bei einem guten Teil von Patienten auch nach Berücksichtigung der geringeren Proteinbindung im Liquor unter der IC50 von Wildtyp liegt (Best BM et al. AIDS 2009 23(1): 83-7). Eine kleine Studie (FONT) mit Fosamprenavir/r wurde vorzeitig aufgrund einer hohen Rate an virologischem Versagen im Plasma zu Woche 48 abgebrochen. In 10/10 Patienten mit VL <50 Kopien/ml zu Woche 24 war keine  HIV-RNA im Liquor (<40 Kopien/ml) detektierbar.

Liquorgängig: LPV/r und DRV/r

Klinisch-experimentelle Daten weisen auf eine höhere ZNS-Penetration/Wirksamkeit von Lopinavir/r und Darunavir/r hin (Abb. 5). Die medianen Liquor-Konzentrationen dieser Substanzen liegen 5-fach (LPV/r) bzw. 18,5-fach (DRV/r) über der IC50 von Wildtyp im Protein-freien Medium (ähnlich dem Liquor). Daten aus zwei klinischen Studien ergeben in Bezug auf diskordante virologische Wirkung (Plasma HIV <BLQ/Liquor HIV >BLQ) mit Lopinavir/r-Monotherapie folgende Situation: 11/1 und 29/4 gepaarte Plasma/Liquor-Proben (Gutmann C et al. AIDS. 2010 Sep 24;24(15):2347-54; Yeh RF et al. CROI 2007 abstract 381). Bei einer Beobachtungszeit von zwei Jahren war in der OK04 Studie keine erhöhte Inzidenz von neuropsychiatrischen Auffälligkeiten feststellbar. Im Monotherapie-Arm wurde lediglich ein Fall von HAND im Zuge eines virologischen Rebounds im Plasma beschrieben.  Die Symptomatik war nach Intensivierung mit zwei NRTI reversibel. Im Unterschied zu den meisten LPV/r-Monotherapie-Studien wurde in der MOST-Studie bei vier von sechs virologisch versagenden Patienten eine Symptomatik mit neurologischen Symptomen wie bei einer akuten HIV Infektion beschrieben. Die MOST-Studie wurde übrigens aufgrund des Überschreitens der höchstzulässigen virologischen Versagensrate von 20% vorzeitig  beendet. Bemerkenswert in dieser Studie ist auch, dass alle Patienten mit virologischen Versagen und Monotherapie einen CD4 Nadir unter 200/mm³ aufwiesen. (Gutmann C et al. AIDS. 2010 Sep 24;24(15):2347-54).

Abb. 5 ZNS-Penetration von Proteasehemmern und WT IC50. (Nach from  Yilmaz A; 4th Int. Meeting on HIV Infection and the CNS, Rome July 2011
Abb. 5 ZNS-Penetration von Proteasehemmern und WT IC 50 . (Nach from Yilmaz A; 4th Int. Meeting on HIV Infection and the CNS, Rome July 2011

Klinische Beobachtungen

Die Datenlage zu Darunavir/r-Monotherapie und HIV-RNA im Liquor stellt sich folgenderweise dar: In der MONOI-Studie wird von zwei Patienten unter DRV/r-Monotherapie berichtet, die bei einer Plasma HIV-RNA <50 Kopien/ml neurologische Symptome entwickelten und im  Liquor eine niedrige HI-Viruslast (330 bzw. 580 Kopien/ml) aufwiesen. In der MONET-Studie war kein Signal in Richtung neurologischer Probleme im Monotherapiearm festzustellen. Neurokognitive Testungen und MR-Protonenspektroskopie (choline:creatine (Cr) and myo-inositol:Cr ratios) bei jeweils drei Patienten im Mono- bzw. Triple-Therapiearm zeigten zu Woche 48 im Vergleich zu Baseline in beiden Therapiearmen eine Besserung der neurokognitiven Funktionen bzw. eine vergleichbare Reduktion der entzündlichen Aktivität im ZNS (Garvey et al. Journal of the International AIDS Society 2010, 13(Suppl 4):P52).

Einschränkend muss allerdings bemerkt werden, dass in allen Studien (Ausnahme MOST-Studie) neurologischen Endpunkten vielleicht nicht in ausreichendem Maß Beachtung geschenkt wurde.  Eine randomisierte klinische Studie (PROTEA) DRV/r versus DRV/r +2 NRTI als Erhaltungstherapie mit einer Dauer von 96 Wochen, intensiven neurokognitiven Funktionsanalysen und HIV-RNA Bestimmungen in Liquor/Plasma soll im September 2011 starten.

Genitaltrakt

Das Risiko einer HIV-Transmission wird maßgeblich von der Konzentration von HIV in Genitalsekreten bestimmt. Ähnlich zum ZNS ist das Penetrationsvermögen in den Genitaltrakt von ARVs sehr unterschiedlich (Abb. 6). Gerade bei Monotherapien ist eine gute Evidenzlage zur Pharmakokinetik (PK) der verwendeten Substanzen von großer Bedeutung. Im Folgenden sollen die Daten zur Penetration zu den in der PI/r-Monotherapie am häufigsten verwendeten PI dargestellt werden.

Abb. 6 Konzentration von antiretroviralen Substanzen im Genitaltrakt. (Nach Taylor and Davies 2010 Current Opinion in HIV & AIDS
Abb. 6 Konzentration von antiretroviralen Substanzen im Genitaltrakt. (Nach Taylor and Davies 2010 Current Opinion in HIV & AIDS

Einige Ergebnisse kleinerer  Studien deuten darauf hin, dass die Spiegel von DRV und LPV in der Samenflüssigkeit generell auf niedrigem Niveau nachweisbar sind.

In einer Substudie der MONOI-Studie wurden 47 Patienten (23 mit DRV/r Monotherapie, 24 mit DRV/r + 2 NRTIs) rekrutiert, um bei Baseline und zu Woche 48 DRV-Spiegel und HIV-RNA in zeitnahen Samen- und Plasmaproben zu bestimmen. Probenmaterial von 45 Patienten konnte analysiert werden. Insgesamt waren zu beiden Zeitpunkten bei 39/45 Patienten HIV-RNA weder im Plasma noch in der Samenflüssigkeit detektierbar. 6/45 hatten nachweisbares HIV im Samen, aber nicht im Plasma. Drei von diesen diskordanten Proben waren zu Woche 48 entnommen, wobei sich zwei der Patienten im Triple-Therapiearm und nur einer im DRV/r-Monotherapiearm befanden. Die mediane DRV-Konzentration im Samen lag 6-fach über der Protein-korrigierten EC50 von Wildtyp HIV (55 ng/ml), nur in drei Proben befand sich der Spiegel  unter diesem Wert (Lambert-Niclot S et al. AAC  2010; 54(11):4910-3). In einer anderen Studie zur DRV-PK in Samen und Plasma lagen zu allen Zeiten nach DRV-Einnahme die Konzentrationen über der Wildtyp EC50 (Taylor S et al. AIDS. 2010;24(16):2583-7). Positiv zu vermerken ist überdies, dass in der MONOI-Substudie wie auch in zwei weiteren Studien mit LPV/r-Monotherapie versus LPV/r + 2NRTI kein Hinweis auf eine höhere Wahrscheinlichkeit von nachweisbarem HIV im Samen in den Monotherapiearmen im Vergleich zu den jeweiligen Triple-Therapiearmen festzustellen war (Ghosn J et al. AIDS 18:1958-61, Gutmann C et al.).

Interessanterweise liegen in zervikovaginalen Proben die DRV-Spiegel über den korrespondierenden Plasmawerten (Patterson K et al. AAC 2011, 55(3): 1120-1122). Im Gegensatz dazu beträgt die Konzentration von LPV/r im zervikovaginalen Sekret nur im Mittel 3% der korrespondierenden Plasmakonzentration und trotz niedriger LPV-Konzentration war bei sieben Frauen unter LPV/r-Monotherapie die Viruslast sowohl im Blut als auch im zervikovaginales Sekret nicht nachweisbar (Yeh RF et al EACS 2007 P7.7/02).

Vorteile

Was sind nun die nachgewiesenen Vorteile eine PI/r Monotherapie und welche Patienten können für diese Therapieform in Betracht gezogen werden?

War in den vergangenen Jahren die Simplifizierung der ART ein wesentliches  Argument pro PI/r-Monotherapie,  ist dies seit der Implementierung von Ko-Formulierungen bis hin zum „single tablet regime“ nun kein überzeugender Grund mehr. In Bezug auf die erforderliche Therapietreue sind PI/r-Monotherapien sicherlich eine größere Herausforderung als etablierte Triple-Kombinationen, insbesondere im Vergleich zu NNRTI + 2 NRTI basierten Regimen.  In den kontrollierten Studien waren Daten zur Verträglichkeit und Toxizität  im Vergleich zu Dreifach-Kombinationen kein überzeugendes Argument für die Monotherapie, denn die Abbruchraten aufgrund von Nebenwirkungen oder Lipiddaten waren vergleichbar. Zwei Studien haben jedoch einen Vorteil der PI/r-Monotherapie im Hinblick auf die Inzidenz/Reversibilität von Lipatrophien gezeigt. In der MONOI-Studie fand sich zu Woche 48 im Vergleich zur Triple-Kombination eine Zunahme von Fettgewebe in den Extremitäten und ein reduzierter Anteil von Patienten mit Lipatrophie (1,5% versus 11%; Valantin M-A et al. 17th CROI 2010, Abstract 721). Im Unterschied zur zweiten LPV/r-Studie (Cameron 2008), deren Vergleichsarm ein fixes Regime mit Zidovudine erhielt, waren im Vergleichsarm  der MONOI-Studie nur 21% der Patienten mit Zidovudine behandelt. Allerdings war die Fallzahl in der MONOI-Studie gering.

Eine Analyse der ART-Kosten (anhand der spanischen Preise) im Rahmen der MONET-Studie  zeigte bei Woche 96 im Vergleich Mono- versus Kombinationstherapie einen Kostenvorteil der Monotherapie von 41%. Allfällige NRTI-Intensivierungen im Monotherapie-Arm wurden berücksichtigt (ITT, switch included Analyse; Arribas J et al. HIV10 Conference Glasgow, p235).

Weniger Nebenwirkungen?

Voraussetzungen für Monotherapie

Idealerweise sollten Patienten, welche für eine PI-Monotherapie in Betracht gezogen werden,  eine virologische Suppression <50 Kopien/ml für mindestens sechs Monate, eine hohe Therapietreue, einen CD4 Nadir >200/mm³, eine Ausgangsviruslast vor ART von <100.000 Kopien/ml aufweisen und es sollte in der Vergangenheit kein Nachweis primärer PI-assoziierter Resistenzen erfolgt sein.

Dass weniger Medikamente letztlich weniger Potential für Nebenwirkungen bedeuten, ist schwer zu bestreiten. In den zur Verfügung stehenden klinischen Studien ist dieser Vorteil jedoch (noch?) nicht deutlich herauszulesen. Das mag teils an den zu kurzen Beobachtungszeiträumen liegen, aber eventuell auch an den Analysemethoden. Eine große laufende kontrollierte Studie zur PI/r-Monotherapie versus Standard of care-Regimen wird frühestens 2014 mit Ergebnissen aufwarten können (PIVOT-Studie  ClinicalTrials.gov Identifier: NCT01230580). Der Zeitrahmen dieser Studie wird bis zu 5 Jahren betragen und der primäre Endpunkt ist der Verlust von Therapieoptionen. In Substudien wird der Frage nach der virologischen Wirkung im Genitalsekreten und Liquor bzw. Unterschieden in Markersubstanzen für Immunaktivierung und neuronaler Degeneration im ZNS nachgegangen.

Schlussfolgerungen

PI-Monotherapien sind nach wie vor nicht als etabliertes und breit einzusetzendes Therapiekonzept zu sehen, können aber durchaus unter bestimmten Bedingungen berechtigt sein. Vorstellbare Indikationen inkludieren Patienten mit Unverträglichkeit von NRTI, schwerer Lipatrophie, bestimmten Konstellationen, die den Einsatz von etablierten NRTI-Backbones problematisch gestalten, sowie Patienten mit dem dringenden Wunsch nach weniger Medikamenten-exposition.

Ausgabe 3 - 2011Back

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