Der Gurkenmurkser
Weshalb hält sich das hartnäckige Vorurteil über die Linksdrehung? Können Millionen von Zeckenopfern irren?

Nun ist es unserer Arbeitsgruppe nach jahrelangen Recherchen endlich gelungen, Licht in dies wissenschaftliche Dunkel zu bringen. Eine erste Spur fand sich in vergilbten amerikanischen Archiven (Barks 1957, und 1964, Disney 1945 ff). Intensive Nachsuche in abgelegenen Gebieten Palumbiens brachte weitere Hinweise und schließlich konnte das für die allgemeine Verwirrung verantwortliche „missing link“ der medizinischen Parasitologie dingfest gemacht werden, das wir hier der staunenden Fachwelt präsentieren können.

Bei Durchsicht der Literatur und unter Berücksichtigung zusätzlicher Forschungen an zahlreichen Stammtischen von Irland bis Feuerland ergab sich zunächst eine mit 67 zu 34 deutliche Präferenz für die Linksdrehung. Bei der statistischen Feinaufbereitung und Gewichtung der Daten (Methode Infas bzw. Forschungsgruppe Zahlen) stellte sich allerdings heraus, dass dies nur für die Nordhalbkugel gilt (p>0,1). Ergänzende Umfragen auf der Südhalbkugel (Palumbien, Patagonien, Botswanaland und Tasmanien) bestätigten eine ebenso deutliche Präferenz (55 zu 29) für die Rechtsdrehung. So schwören Kenner des tasmanischen Beutelwolfs, dass dieser sich von Parasiten immer rechtsdrehend befreit (Woohooloo et al., 1986, bestätigt von Arendt und Schwaiger). Ebenso gilt in australischen Schafzüchterkreisen die rechtsdrehende Zeckenentfernung als Methode der Wahl (Bogart 1987).

Die Literatur zu dieser völlig neuartigen Nord-Süd-Problematik ist leider so spärlich (Hooper, Hoopoop), dass sie ebenfalls keine eindeutigen Aussagen ermöglicht. Ob etwa auch das Aussterben der Dronte mit der fachlich unzureichenden Parasitenentfernung zusammenhängt, ist noch Gegenstand heftiger Kontroversen unter Paläoparasitologen.

Intensive Forschungen, auch unter Einsatz nicht-getunnelter raster-elektronen-mikroskopischer Methoden haben das Problem nicht lösen können. So weisen die einheimischen und ausländischen Zecken, ob nun Holzbock oder nicht, keinerlei wie auch immer geartetes Gewinde an ihrem Stichapparat auf. Dieser funktioniert vielmehr wie ein sogenannter Fischerdübel. Mit diesem Spreizanker verankert sich die Zecke beim Blutsaugen dergestalt, dass (ob links oder rechtsdrehende) Versuche der Entfernung immer mit demselben Ergebnis enden. Der Kopf wird abgerissen und der Doktor schimpft über den Dilettanten.

Seltene Spezies

Abb. 1 Junger Gurkenmurkser. Deflationsapparat noch nicht voll ausgebildet.
Abb. 1 Junger Gurkenmurkser. Deflationsapparat noch nicht voll ausgebildet.

Anlass der zahlreichen Verwechslungen mit Ixodes ricinus ist ganz offensichtlich der mittlerweile sehr selten gewordene rechtswendige Gurkenmurkser (Deflator dextrospirillus Barks 1957, syn. Ciller gurcae FUCHS 1977, im Englischen auch „augur-nosed-pickle-hater“ genannt). Dieses sehr variabel gezeichnete, zu den Rüsselkäfern gehörende Insekt ist alleine aufgrund der sechs Beine leicht von Milben und Zecken abzugrenzen, die allesamt acht Beine aufweisen (Abb. 1). Die Abgrenzung der Präimaginalstadien kann in Einzelfällen Schwierigkeiten bereiten, so dass erfahrene Rüsselkärerspezialisten herbeigezogen werden müssen. Weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die allgemein vegetarische, bei Deflator dextrospirillus auf Cucurbitacea (Gurkengewächse) beschränkte Ernährungsweise, die nur in Notzeiten verlassen wird.

Ernährung

Abb. 2 Vom Gurkenmurkser deflatierte Gurken
Abb. 2 Vom Gurkenmurkser deflatierte Gurken

Während Zecken und einige Milben als obligate Wirbeltier-Ektoparasiten auftreten, vergreift sich der Gurkenmurkser ausschließlich an Weich- und Hohlkörpern mit einem gewissen inneren Überdruck, denen er aus im wesentlichen hedonistischen Motiven und in charakteristischer Weise den Füllungsdruck entzieht (Abb. 2). Menschen sind also in der Regel nur gefährdet, wenn sie einen messbaren inneren Überdruck aufweisen, was in der Regel nur bei Politikern und anderen Funktionären auftritt. Die Gefährdung (Maßeinheit 1 Kohl = 1 KiloPol = 1 MegaBürg) lässt sich wie folgt abschätzen: x = Anzahl der Berufsjahre/maximale Fluchtgeschwindigkeit mal Wurzel aus der Entfernung zu Berlin. Fehlversuche bei der Nahrungsaufnahme des Gurkenmurksers an Entenschnäbeln kommen gelegentlich auch vor und führen zu schmerzhaften Verletzungen, wie bereits Barks 1957 dokumentierte.

Der Gurkenmurkser kann durch sein hochentwickeltes Entkorkungsinstrument effektiv und schnell an das Gurken-innere herankommen. Durch seinen Verbrauch von bis zu 99 Gurken pro Tag kann allerdings auch großen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Bekanntestes Beispiel ist der vorübergehende Niedergang der Entenhausener Essiggurkenindustrie bei der Epidemie 1956. Alle konventionellen Bekämpfungsmethoden hatten damals versagt. Erst durch den Einsatz damals epochemachender biologischer Kontrollmethoden (Bekämpfung durch den einzigen natürlichen Feind des Gurken-murksers, die gemeine Pestwespe (Vespa pestilentifera Duck 1957) konnte die Epidemie kontrolliert werden und die Konservenindustrie überleben (Barks 1957).

Geschlechtsunterschiede

Der Gurkenmurkser weist einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus auf. Die Männchen sind leuchtend metallisch gefärbt und tragen auf ihren Flügeldecken deutliche Punkte, wogegen das Weibchen eine einheitlich grüne Färbung zeigt. Einzigartig in der Insektenweit ist die Tatsache, dass die Zahl der Punkte beim Männchen mit der Zahl der erfolgreichen Attacken auf Gurken zunimmt, so dass schließlich die Punkte mit der Zeit konfluieren und in eine einheitliche Färbung, ein leuchtendes Himmelblau, übergeht. Offensichtlich führt dies zu Vorteilen in der Partnerwahl. Männchen mit einheitlicher Farbe (also in der Attacke besonders erfolgreiche Exemplare) werden von den korkenzieherlosen Weibchen bevorzugt. So kommt es zu einer spezifischen evolutionären Entwicklung, die zur Ausbildung eines perfekten korkenzieherartigen Rüssels geführt hat, da erfolgreiche Entkorker bei der Fortpflanzung bessere Chancen haben.

Entwicklungsgeschichte

Die leuchtend blaue Farbe ist auch ein Hinweis auf die phylogenetische Einordnung der Art, die lange umstritten war. Erst DNA-Analysen („fingerprint method“) führten zur überraschenden Einordnung der Art in eine archaische und bereits ausgestorben geglaubte Unterfamilie der Rüsselkäfer, die Spirillorhynchinae (Freude et al. 1990). Spuren dieser Unterfamilie waren u.a. im Bruchsaler Mittleren Muschelkalk gefunden worden (Review in Metzger 1991). Die Käfer starben vermutlich aus, weil sie beim Versuch des Anbohrens einer Gurke abrutschten, kopfüber auf den harten Unterboden aufschlugen und sich dabei das Gewinde so verbogen, dass es nicht mehr zum Entkorken taugte. Die dabei verursachten Kratzspuren waren lange ein geologisches Rätsel (Mayer 1954 und 1955; die Reste eines Rüssels der damals erheblich größeren Arten wurden von ihm als „mäandrierende Kriechspur“ verkannt). Erst im Eiszeitalter scheinen die Bedingungen wieder besser geworden zu sein, weil das Lockergestein Löß für eine weiche Unterlage sorgte. Bis dahin waren aber alle Arten bis auf eine ausgestorben. Der Gurkenmurkser kann also mit Recht als lebendes Fossil bezeichnet werden.

Geographische Unterschiede

Der Gurkenmurkser hat (wie wir annehmen, unter dem Einfluss der Corioliskraft‘) zwei gut differenzierte Varianten auf der Nord- bzw. Südhalbkugel ausgebildet, wobei er in einem etwa 2.000 km breiten Streifen entlang des Äquators völlig fehlt. Die nördliche Rasse (D. dextrospirillus f. dextrospirillus BARKS 1957) weist ein konstantes Rechtsgewinde, die südliche Rasse D. dextrospirillus f. inversospirillus RHEINHEIMER 1987, in Tasmanien von Schwaiger und Arendt bei deren Suche nach tasmanischen Beutelwölfen erstmals beobachtet, ein Linksgewinde auf. Dies führte offensichtlich zum Erlöschen der Population in Äquatornähe, da der Rüssel auch im Balzverhallen des Gurkenmurksers eine zentrale Rolle spielt. Kreuzungsversuche im Labor mit Exemplaren der nördlichen und südlichen Rasse sind bisher konstant gescheitert. Es zeigte sich, dass beim Aufeinandertreffen von Rechts- und Linksgewinde im entgegengesetzten Amok beim Balzspiel eine erfolgreiche Kopulation nicht mehr möglich ist. Konsequenterweise kann daher die bisherige taxonomische Einordnung als infrasubspezifische Variante nicht weiter aufrechterhalten werden; der Südhalbkugel-Gurkenmurkser muss als eigene Art betrachtet werden: Deflator inversospirillus Rheinheimer 1987 bona sp., stat. nov.

Fazit

Die entscheidende Frage ist also gelöst und lässt sich wie folgt beantworten: Der Nordhalbkugelgurkenmurkser ist stets linksdrehend, der Südhalbkugelgurkenmurkser stets rechtsdrehend zu entfernen! Bei Zecken dagegen führt jegliche Drehung nur zur völligen Verwirrung des Opfers.



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