6th IAS Conference, 17.-20. Juli 2011 in Rom
 -- Therapie ist Prävention

Das Top-Thema auf dem 6ten Kongress der Internationalen AIDS Society in Rom war die Prävention und zwar Therapie als Prävention sowie die PrEP. Neue Daten belegen die Wirksamkeit beider Ansätze, offen ist somit nur noch die Frage, wie man die Erkenntnisse in die Praxis umsetzt. Weitere Highlights waren Studien mit neuen Substanzen sowie Langzeitnebenwirkungen.

IAS 2011 in Zahlen

7.482 Teilnehmer

5.839 Telnehmer
         (515 Community)
1.261 Teilnehmer aus Italien

142 Länder

3.552 Abstracts eingereicht

50 Session
3 Plenarsitzungen
      31 Satellitensymposien

Nach Angaben des Veranstalters waren mehr als 7.000 Wissenschaftler zur IAS-Tagung nach Rom gekommen. Die Stimmung war mediterran entspannt, das Wetter und der Kaffee gut, und es gab reichlich Wasser umsonst. Über kleinere Mängel, z.B. die schlechte Erreichbarkeit des Tagungsortes mit öffentlichen Verkehrsmitteln, ein bereits bei zweimaligem Aufschlagen zerfledderndes Programm usw. konnte man noch großzügig hinwegsehen. Bedenklich waren jedoch die Enge und die schmalen Türen im Untergeschoss, wo die Poster- und Industrieausstellung untergebracht waren. In diese Räume eines umfunktionierten Parkhauses wurde aus Sicherheitsgründen immer nur eine bestimmte Personenzahl eingelassen. Da sich ein erheblicher Teil der internationalen Teilnehmer vermutlich den Sehenswürdigkeiten Roms widmete, hielten sich die Wartezeiten erfreulicherweise in Grenzen.

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Medikamentöse Prävention

Tab. 1 HPTN 052: Multivariate Analyse der mit der Transmission assoziierten Faktoren. Nach Cohen MS et al., MOAX0102.
Tab. 1 HPTN 052: Multivariate Analyse der mit der Transmission assoziierten Faktoren. Nach Cohen MS et al., MOAX0102. 


 Abb. 1 TDF2: PrEP mit TDF/FTC vermindert die HIV-Transmission. Nach Thigpen MC et al.,WELBC01
Abb. 1 TDF2: PrEP mit TDF/FTC vermindert die HIV-Transmission. Nach Thigpen MC et al.,WELBC01

Das große Thema der Konferenz war die HIV-Prävention mit antiretroviralen Substanzen und zwar durch die Behandlung der HIV-Positiven und die PrEP (PräExpositionsprophylaxe) bei HIV-Negativen. Die ART senkt das Transmissionsrisiko erheblich, das belegt jetzt endlich die erste kontrollierte Studie bei heterosexuellen Paaren. In der HTPN (HIV Prevention Trials Network)-Studie sank das Infektionsrisiko des HIV-negativen Partners um 96%, wenn der HIV-positive Partner behandelt wurde. An der Studie nahmen 1.763 heterosexuelle diskordante Paare in Afrika, Indien, Südamerika, den USA und Thailand teil. Entweder wurde der HIV-positive Partner sofort behandelt (mediane CD4-Zellzahl bei Therapiebeginn 442/μl) oder entsprechend den lokalen Leitlinien erst bei ≤250/μl (mediane CD4-Zellzahl bei Therapiebeginn 225/μl). Im Beobachtungszeitraum von 1,7 Jahren infizierten sich in beiden Gruppen 39 Personen, ein Patient in der Therapie-Gruppe, 38 in der unbehandelten Gruppe. 80% der Transmissionen wurden in Afrika beobachtet. 11/39 Infektionen wurden genetischen Analysen außerhalb der Partnerschaft erworben. Die einzige Infektion in der Gruppe mit früher Therapie trat innerhalb des ersten Monats nach Therapiebeginn auf.  Die mediane Viruslast bei der Infektion durch den behandelten Partner betrug 2,6 Logstufen. Bei den übrigen 27 Transmissionen innerhalb der Partnerschaft bei unbehandeltem Partner betrug die Viruslast im Median 4,6 Logstufen (Tab. 1) (Cohen M et al., MOAX0104, Eshleman S et al., MOAX0103).

PrEP bei Heteros

Zur oralen PrEP bei Heterosexuellen wurden gleich zwei kontrollierte Studien präsentiert. In der Studie TDF2 wurden 1.200 diskordante Paare in Botswana untersucht. Der HIV-negative Partner nahm entweder Tenofovir/Emtricitabin (TDF/FTC) oder Placebo ein. Es infizierten sich insgesamt 33 Studienteilnehmer: 9 unter TDF/FTC und 24 unter Placebo, das entspricht einer Risikoreduktion um 63%. Nahmen die HIV-negativen Partner die Tablette regelmäßig ein (bzw. hatten sie  die Tabletten in den letzten 30 Tagen abgeholt) wurden sogar 78% der Infektionen verhindert (Abb. 1) (Thigpen et al., WELBC01).

In der Partner-PrEP-Studie wurden TDF und TDF/FTC/ gegen Placebo geprüft. 4.758 diskordante Paare in Kenia und Uganda nehmen teil. Im Verlauf von 36 Monaten infizierten sich insgesamt 78 Personen mit HIV. TDF verhinderte im Vergleich zu Placebo 62% und TDF/FTC 73% der HIV-Infektionen. Der Unterschied zwischen TDF und TDF/FTC war statistisch nicht signifikant. Der Placebo-Arm dieser Studie wurde aufgrund der guten Ergebnisse vor kurzem abgebrochen. Die beiden aktiven Arme werden weitergeführt, um die Sicherheit der PrEP auch über einen längeren Zeitraum zu dokumentieren.

Die Wirksamkeit der PrEP in TDF2 war bei Frauen und Männern zumindest numerisch unterschiedlich. Bei Frauen wurden 50% Transmissionen, bei Männern 80% verhindert. Wurden nur die Transmissionen bei Studienteilnehmern gewertet, die ihre Tabletten auch einnahmen, betrug die Wirksamkeit bei Frauen 75% und bei Männern 82% (Baeten J et al., WELBC01). MOAX0106, 2011

Politische Implikationen

Die Absenkung der Viruslast unter die Nachweisgrenze durch eine wirksame HAART kann die Transmission von HIV um bis zu 96% verhindern und auch die PrEP ist hocheffektiv, wenn sie eingenommen wird. „Der Beweis ist hier, wir müssen die wissenschaftlichen Erkenntnisse jetzt in die Praxis umsetzen“, forderten alle IAS-Funktionäre und Community-Leiter. Doch davon sind wir noch sehr weit entfernt. Das wurde in den Diskussionen klar. So wand sich der Studienleiter Myron Cohen, der stolz die guten Ergebnisse der frühen Therapie präsentierte, auf die Frage von Pietro Vernazza, dem „Vater“ des Schweizer Statements, ob er denn jetzt seiner These zustimmen würde, und gab keine klare Antwort. Auch wichtige Fragen nach der Definition einer Partnerschaft, nach den geeigneten Zielgruppen und Botschaften, nach den Kosten, ethischen Aspekten usw. wurden nicht beantwortet. Eli Kabira, der derzeitige IAS-Präsident aus Afrika, brachte die Bedenken auf den Punkt: „Wie soll man Aids-kranken Menschen in armen Ländern erklären, dass Menschen HIV-Medikamente zur Prävention erhalten und sie nicht?“.

Was bringt frühe Therapie?

Ob die frühe Therapie sich als Prävention durchsetzt, wird entscheidend davon abhängen, ob sie auch dem betroffenen HIV-Patienten nutzt. Zu diesem Thema läuft in den westlichen Ländern derzeit die START-Studie. In armen Ländern, in denen der Therapiebeginn bei <250 CD4-Zellen/µl empfohlen wird, wurde zunächst der Effekt eines Therapiestarts bei 350-550 CD4-Zellen/µl in der Studie HTPN 052 untersucht. Die mittlere Zeit bis zum Start der HAART bei den Patienten, die erst bei fortgeschrittenem Immundefekt behandelt wurden, betrug etwa 3,5 Jahre. 75% der Patienten in diesem Arm begannen die Therapie wegen des Abfalls der CD4-Zellen. Bei Therapiestart betrug die mittlere CD4-Zahl im ersten Arm 442/µl, im zweiten Arm 225/µl. Die frühe Therapie senkte die Rate schwerer Infektionen um rund 40%. Der Unterschied zwischen den Gruppen ging im wesentlichen auf einige Fälle extrapulmonaler Tuberkulosen zurück (3 vs. 17 Fälle bei CD4/µl 443 vs. 342), zu einem geringeren Teil auf andere schwere bakterielle Infektionen (insbesondere Pneumonien). Kein Unterschied bestand im Hinblick auf die Mortalität und pulmonale Tuberkulosen (Grinztejn B et al., MOAX0104; Hosseinipour MC et al., MOAX0104). Man darf also gespannt sein, welchen Nutzen die frühe Therapie in Industrieländern hat, in denen die Tuberkulose kein großes Problem ist und die Impfung gegen Pneumokokken zum Standard gehört.

Akute HIV-Infektion

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Abb. 2 SPARTAC: ART 12 Wochen vs. ART 48 Wochen vs. keine ART bei akuter HIV-Infektion. Nach Fidler S et al., WELBX06.

Ähnlich unklar ist es, ob die Behandlung der akuten HIV-Infektion sinnvoll ist. In der SPARTAC-Studie, der bislang größten kontrollierten Untersuchung zu diesem Thema, hatte die frühe Therapie keinen relevanten Effekt. Die 372 Patienten, die sich innerhalb der letzten sechs Monate infiziert hatten, wurden gleich entweder 12 oder 48 Wochen behandelt oder gar nicht. Die Behandlung verminderte weder die Sterblichkeit noch das Risiko HIV-assoziierter Erkrankungen. Die Zeit bis zum Abfall der CD4-Zahl <350/µl bzw. Therapieindikation innerhalb der nächsten vier Jahre, wurde durch die 12wöchige Therapie gar nicht und durch die 48wöchige Behandlung signifikant um 37% reduziert. Der Gewinn an therapiefreier Zeit bis zum Abfall der Zellen <350/µl war aber in der Regel nicht länger als die 48wöchige Therapiedauer.  Von der Behandlung profitierten insbesondere Patienten, deren Infektion bei Therapiebeginn nicht älter als 12 Wochen war (Abb. 2) (Fidler S et al., WELBX06).

Gemeinsam auf dem Weg zur Heilung

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Francoise Barre-Sinoussi

Die Heilung war auch auf diesem Kongress ein wichtiger Aspekt. Im Mittelpunkt stand die Strukturierung der weltweiten wissenschaftlichen Aktivitäten. Ausdruck dieser Intention ist unter anderem die Wahl der Grundlagenforscherin und Nobelpreisträgerin Francoise Barre-Sinoussi, Paris, zum nächsten Vorstand der IAS. Unter ihrer Federführung sollen Prioritäten gesetzt und die Forschung international vernetzt werden (vergl. Kasten Rom-Deklaration). Relevante neue Erkenntnisse zur Heilung wurden nicht vorgestellt, es gab aber einen Überblick zu den aktuell verfolgten Strategien. Ein Ansatz scheint hier schon aus dem Rennen zu sein, nämlich die Intensivierung einer funktionierenden HAART mit Integrasehemmern und/oder CCR5-Antagonisten. Auf der CROI Anfang des Jahres gab es zur intensivierten HAART bei primärer HIV-Infektion enttäuschende Daten, einige Studien laufen allerdings noch. Antiretrovirale Medikamente, die alle anatomischen Kompartimente penetrieren und auch latente Viren angreifen, klingen vielversprechend, sind derzeit noch im Stadium des Wunsches. Greifbarer erscheint die „Shock and Kill“-Strategie, bei der latente HI-Viren durch nicht HIV-wirksame Substanzen aktiviert und dann mit HAART eradiziert werden sollen. Hier sind insbesondere „kleine Moleküle“, z.B. Histion-Deacetylase-Inhibitoren und Aktivatoren von NF Kappa B im Gespräch. Denkbar, aber noch im Bereich der Grundlagenforschung ist die Modulation immunologischer Prozesse, die die Persistenz von HIV im Körper aufrecht erhalten. Weitere Möglichkeiten, die auf die sogenannte funktionelle Heilung zielen, d.h. die körpereigene immunologische Kontrolle von HIV zu stärken, sind die therapeutische Impfung sowie genetische Manipulationen. „Wir haben durch den Berliner Patient den Beweis, dass Eradikation möglich ist und durch Elite-Controler, dass die immunologische Kontrolle möglich ist und werden beide Wege verfolgen“, erklärte Barre-Sinoussi. 

Neue Substanzen

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Abb. 3 SPRING-1. Dolutegravir 50 mg OD vs. Efavirenz 600 mg OD. Patienten mit Viruslast <50 bzw. <2 Kopien/ml zu Woche 48. Nach Van Lunzen J et al., TUAB0102 

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Abb. 4 Wirksamkeit nach Ausgangsviruslast und geographischer Region (ITT, NC=F), Nach Vernazza P et al., TUAB0101

Die Studien mit neuen Medikamenten wurden auf einer Late Breaker Session am Ende der IAS-Tagung präsentiert. Dabei gab es keine Überraschungen. In der Phase-2b-Studie SPRING-1 kam es erwartungsgemäß unter dem Integrasehemmer Dolutegravir bei therapienaiven Patienten im Vergleich zu Efavirenz jeweils in Kombination mit zwei NRTI zu einem deutlich rascheren initialen Virusabfall. Signifikant mehr Patienten erreichten unter Dolutegravir nach 12 Wochen eine Viruslast <50 Kopien/ml. Dies hatte jedoch keinen Einfluss auf die immunologische Erholung und das Ergebnis nach 48 Wochen. Zu diesem Zeitpunkt waren unter den verschiedenen Dolutegravir-Dosierungen vs. Efavirenz bei gleich vielen Patienten keine Viren mehr nachweisbar (91%, 88%, 90% vs. 82%), selbst im hochsensitiven Assay (<2 Kopien/ml 53% vs 60%) (Abb. 3). Integrasehemmer-Mutationen wurden nicht beobachtet. Bei einem Patienten unter Dolutegravir 10 mg wurde eine M184V nachgewiesen. Die Verträglichkeit von Dolutegravir war sehr gut. Beobachtet wurde lediglich ein minimaler Anstieg des Kreatinins im Serum um bis zu 0,15 mmol/dl, der nicht progredient war und auf die Hemmung renaler Transporter für die tubuläre Sekretion von Kreatinin zurückgeht. Die glomeruläre Filtrationsrate war nicht beeinträchtigt. Die Plasmakonzentration des Integrasehemmers zeigte nur wenig Variabilität, die AUC korrelierte mit der Dosis. Dolutegravir muss nicht geboostert werden und wird einmal täglich gegeben (Van Lunzen J et al., TUAB0102).

Lersivirin vs Efavirenz

Der neue NNRTI Lersivirin wirkt auch bei einer Y181-Mutation, die das Virus gegen Efavirenz, Nevirapin und Etravirin unempfindlich macht. Lersivirin scheint auch besser verträglich zu sein als Efavirenz, hinsichtlich der Wirksamkeit bei therapienaiven Patienten blieben jedoch Fragen offen. In der Phase-2-Studie erhielten 195 Patienten (30% Südafrikaner mit Subtyp C) 48 Wochen lang Lersivirin 500 mg bzw. 750 mg OD oder Efavirenz jeweils in Kombination mit zwei NRTI. Zu Woche 48 war Lersivirin bei 18% der Patienten abgesetzt worden und zwar bei 5 bzw. 4 Patienten wegen „unzureichendem klinischen Ansprechen“ und bei jeweils 3 Patienten wegen Nebenwirkungen. In der Efavirenz-Gruppe waren ein Patient wegen „unzureichendem klinischen Ansprechen“ und fünf wegen Nebenwirkungen ausgeschieden. Gleich viele Patienten hatten nach 48 Wochen eine Viruslast <50 Kopien/ml (79% bzw. 79% vs 86%) erreicht. Patienten mit hoher Ausgangs-Viruslast schnitten unter Lersivirin schlechter ab (75% bzw. 62% vs 82%), was auf den hohen Anteil Südafrikaner mit hoher Viruslast zurückgehen könnte (Abb. 4). Diese hatten schlechter auf Lersivirin angesprochen (72% bzw. 68% vs 83%); die Zahlen waren jedoch für eine Signifikanzanalyse zu klein. Im Hinblick auf die Verträglichkeit war Lersivirin etwas besser. Wegen Nebenwirkungen brachen im Efavirenz-Arm 8% der Patienten die Therapie ab, in den Lersivirin-Armen je 5%. Häufiger unter Lersivirin waren Übelkeit und Kopfschmerz. Benommenheit, schlechte Träume und Hautausschläge waren dagegen  seltener (Vernazza P et al., TUAB0101).

Elvitegravir vs. Raltegravir

Elvitegravir ist der zweite Integrasehemmer in der Entwicklung. Die Substanz muss geboostert werden und wird Bestandteil der sogenannten „Quad-Pille“ (Elvitegravir/Cobicistat/Tenofovir/Emtricitabin) sein.

Tab. 2  Resistenz zu Woche 48 bei Patienten mit virologischem Versagen. EVG = Elvitegravir, RAL = Raltegravir. Nach Molina J-M et al., WELBB05
Tab. 2 Resistenz zu Woche 48 bei Patienten mit virologischem Versagen. EVG = Elvitegravir, RAL = Raltegravir. Nach Molina J-M et al., WELBB05

Vorgestellt wurden in Rom allerdings Daten einer Phase-3-Studie von Elvitegravir versus Raltegravir bei so vorbehandelten Patienten. 63% der Patienten (n=792, 45% CD4-Zahl <200/µl, 26% VL >100.000 K/ml) hatten Resistenzen in mehr als zwei 2 Substanzklassen und wurden umgestellt entweder auf Elvitegravir OD oder Raltegravir BID jeweils in Kombination mit einem optimierten Hintergrund aus einem geboosterten Proteasehemmer plus eine weitere Substanz (Etravirin, Maraviroc, NRTI oder T20). Dabei erwies sich Elvitegravir als genauso wirksam wie Raltegravir (VL <50 K/ml 59% vs 58%). Bei 20% vs 22% kam es zum virologischen Versagen. Bei 27% bzw. 21% der versagenden Patienten wurden Integrase-Mutationen, bei 7% vs 4% PI-Mutationen und bei 12% vs 13% NRTI-Mutationen nachgewiesen. Das Profil der Integrase-Mutationen war unterschiedlich. Man geht jedoch davon aus, dass Kreuzresistenz besteht (Tab. 2) (Molina J-M et al., WELBB05).

Maraviroc einmal täglich

Abb. 5  Maraviroc QD vs TDF/FTC. Virologische Wirksamkeit zu Woche 48 gemäß Viruslast bei Therapiebeginn. ITT, Missing=Failure. Nach Portsmouth S et al., TUAB0103
Abb. 5 Maraviroc QD vs TDF/FTC. Virologische Wirksamkeit zu Woche 48 gemäß Viruslast bei Therapiebeginn. ITT, Missing=Failure. Nach Portsmouth S et al., TUAB0103

Im Rahmen einer kleinen Pilotstudie wurde Maraviroc 150 mg einmal täglich gegen TDF/FTC jeweils in Kombination mit Atazanavir/r bei therapienaiven Patienten mit R5-Viren geprüft. Nach 48 Wochen zeigte sich virologisch (VL <50 K/ml 84% vs 75%) und immunologisch (CD4/µl  +173 vs +187)  kein Unterschied und auch Patienten mit hoher Viruslast sprachen gleichermaßen gut an. Bei jeweils drei Patienten pro Arm kam es zum virologischen Versagen, wobei kein Tropismus-Shift und kein Verlust der Maraviroc-Empfindlichkeit beobachtet wurde.  Die Verträglichkeit war gut. Sieben Patienten unter der dualen Strategie und drei Patienten unter dem konventionellem Regime wechselten die Medikation wegen Hyperbilirubinämie bzw. Unverträglichkeit (Abb. 5) (Portsmouth S et al., TUAB0103).

Tenofovir und Niere

Tenofovir und Nierenschäden ist ein Dauerbrenner. Einige Studien deuten auf einen Zusammenhang, so auch eine Analyse der französischen Kohorte ANRS CO3 Aquitaine (n=9.692), in der Tenofovir alleine sowie in Kombination mit Proteasehemmern das Risiko für eine chronische Nierenerkrankung erhöhte.

Hauptrisikofaktor war eine bereits eingeschränkte Nierenfunktion. 96% der Patienten, bei denen es zum chronischen Schaden gekommen war, hatten eine eingeschränkte Nierenfunktion zu Beginn und 90% hatten mindestens drei weitere klassische Risikofaktoren (Morlat P et al., WEPDB0104).

Neurokognitive Störung

Abb. 6  Kumulativer Gebrauch von TDF und/oder geboosterten Proteasehemmer und Risiko von osteoporotischen Frakturen. Nach Bedimo R et al., MOAB0101.
Abb. 6  Kumulativer Gebrauch von TDF und/oder geboosterten Proteasehemmer und Risiko von osteoporotischen Frakturen. Nach Bedimo R et al., MOAB0101.


Abb. 7  PROGRESS. Anteil der Patienten mit einem >5% Verlust an Knochenmasse zu Woche 48 und 96. Nach Qaquish RB et al., TULBPE021.
Abb. 7 PROGRESS. Anteil der Patienten mit einem >5% Verlust an Knochenmasse zu Woche 48 und 96. Nach Qaquish RB et al., TULBPE021.

Der CPE-Score klassifiziert antiretrovirale Substanzen gemäß ihrem Einfluss auf das ZNS und ein Regime mit hohem CPE-Score soll neurokognitive Störungen günstig beeinflussen. Die Analyse der Daten von 529 virologisch komplett supprimierten HIV-Patienten der kanadischen Ontario HIV Treatment Network Cohort ergab jedoch keinen Zusammenhang zwischen neuropsychologischer Funktion und CPE-Score. Bei den Patienten waren sechs verschiedene Tests durchgeführt worden, die Gedächtnis, räumliches Kurzzeitgedächtnis und motorische Geschicklichkeit erfassen (Rourke SB et al., MOAB0104).

HIV und Knochen

Knochenfrakturen bei HIV-Patienten nehmen zu. Welche Rolle dabei HIV-Medikamente im Vergleich zu klassischen Risikofaktoren spielen, ist unklar. Kohortendaten sind schwierig zu bewerten. So fand sich beispielsweise in der VAC-
Kohorte (n=56.000) bei amerikanischen Veteranen, die zwischen 1988 und 2009 behandelt wurden, zunächst kein Hinweis auf einen ungünstigen Einfluss der HIV-Therapie auf die Häufigkeit von osteoporotischen Frakturen. Wurden jedoch nur Patienten berücksichtigt, die nach 1996 behandelt wurden, kristallisierten sich Tenofovir und geboosterte Proteasehemmer als Risikofaktoren heraus (Abb. 6) (Bedimo R et al., MOAB0101).

Zuverlässigere Daten liefern möglicherweise kontrollierte Studien, wobei hier allerdings die Beobachtungszeit noch nicht ausreichend lang ist, um ein endgültiges Bild zu erhalten. In der PROGRESS-Studie, in der Lopinavir/r plus TDF/FTC vs  Raltegravir verglichen wird, kam es innerhalb von 96 Wochen nur unter der herkömmlichen Kombination von Lopinavir/r mit TDF/FTC zu einem Verlust an Knochenmasse (insgesamt und LWS), nicht jedoch unter dem dualen Regime mit dem Integrasehemmer. Das Ausmaß des Verlusts an Knochendichte ist nach Meinung der Autoren mit dem Verlust bei Frauen in den ersten zwei Jahren der Menopause vergleichbar. 20% der Patienten unter dem herkömmlichen Regime hatten 5% Knochenmasse verloren, im Vergleich zu weniger als 5% unter der dualen Therapie (Abb. 7) (Qaquish RB et al, TULBPE021). Auch in CASTLE, in der Lopinavir/r vs Atazanavir/r verglichen wurde, wurde regelmäßig die Knochendichte gemessen. Nach 96 Wochen zeigte sich hier ein Trend zu einem geringen Knochenverlust unter Atazanavir/r als unter Lopinavir/r (-3% vs -4%), was allerdings nach Meinung der Autoren auf die höhere Exposition an Tenofovir im Backbone in der Atazanavir-Gruppe zurückgehen könnte (Moyle G et al.). In der STEAL-Studie, in der vorbehandelte Patienten entweder auf ABC/3TC oder TDF/FTC umgestellt wurden, kam es unter TDF nach 96 Wochen ebenfalls zu einem höheren Knochenumsatz und Verlust an Knochendichte im Bereich der Hüfte als unter ABC (Haskelberg H et al., TUPE245).



Kuala Lumpur7TH IAS Conference on HIV Pathogenesis, Treatment and Prevention

30. Juni bis 03. Juli 2013
in Kuala Lumpur, Malaysia

Rom-Deklaration

Auf jeder IAS-Konferenz gibt es eine politische Deklaration, doch kaum eine war so windelweich gehalten wie die Deklaration von Rom. In dem Papier, das von einem globalen wissenschaftlichen Advisory Board „Auf dem Weg zur Heilung“ herausgegeben wurde, erklären Vertreter von amfAR, The Foundation for AIDS Research, the European AIDS Treatment Group, die French National Agency for Research on AIDS and Viral Hepatitis (ANRS), die International AIDS Society, die National Institutes of Health, Sidaction und die Treatment Action Group, dass

•  die Entwicklung einer sicheren, zugänglichen und erreichbaren Heilung eine therapeutische und präventive Strategie gegen die HIV-Infektion ist und die Aids-Epidemie kontrollieren kann

•  man international und multidisziplinär wissenschaftlich auf der Suche nach einer Heilung zusammenarbeiten will

•  man Geldgeber, internationale Führungspersönlichkeiten und Organisationen ermutigt, die Forschung bei der Suche nach einer Heilung zu unterstützen durch eigene Initiativen, durch Unterstützung dieser Deklaration sowie der Allianzen, die das Advisory Board der Bewegung knüpft.

Diese Deklaration dürfte den Abstimmungsprozess rasch durchlaufen haben, denn dieses Papier ist eine freundliche Absichtserklärung, die sicherlich jeder sofort unterschreiben würde. Interessanter wird es vorrausichtlich, wenn die strategische Richtung der Forschung vorgestellt werden wird. Die wissenschaftliche Strategie wird derzeit von einer internationalen Gruppe von Wissenschaftern unter der Leitung von Francoise Barre-Sinoussi und Steven Deeks erarbeitet. Sie soll im nächsten Jahr auf der XIX WeltAidsKonferenz in Washington vorgestellt werden. Die Rom-Deklaration kann man im Internet unter www.iasociety.org lesen und unterzeichnen.

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