Peter Arbter, Krefeld
Raucherentwöhnung bei HIV-positiven Rauchern

Es gibt verhaltenstherapeutische Interventionen und medikamentöse Ansätze sowie deren Kombinationen, um Rauchern bei der Nikotinentwöhnung und der Abstinenzerhaltung zu helfen. Welche Konzepte dabei zum Einsatz kommen, liegt im Wesentlichen an den Voraussetzungen des jeweiligen Rauchers, ist aber auch durch die Möglichkeiten der Hilfe leistenden Institution bedingt.

Im Rahmen einer Studie zu HIV und Rauchen wurden Studienärzte zur Kurzintervention und zum Umgang mit den verfügbaren Entwöhnungsmedikamenten qualifiziert. Um den Patienten einen möglichst großen Erfolg zu gewähren und die verfügbaren Ressourcen sinnvoll einzusetzen, sollte zu Beginn jeweils eine sorgfältige Diagnostik der Tabakabhängigkeit durchgeführt werden.

Besteht eine Nikotinsucht? Wie ausgeprägt ist sie? Gibt es neben der HIV-Infektion relevante Begleiterkrankungen? Gibt es Kontraindikationen gegen eine der in Betracht kommenden Therapieoptionen? Diese Fragen soll die nachfolgend beschriebene Diagnostik beantworten.

Nach Rauchen fragen

Der simpelste und erste, keineswegs jedoch selbstverständliche Schritt der Diagnostik, ist die Frage nach dem Tabakkonsum. Obwohl diese Frage selbstverständlich zu jeder allgemeinen und häufig auch zu einer akuten oder spezifischen Anamnese gehört, wird sie trotzdem sehr oft ausgelassen. Die Gründe sind wenig untersucht und mögen vielfältig sein: eigene Angst vor der Frage, Unsicherheit im Umgang mit therapeutischen Konsequenzen, eigenes Rauchen, Sorge, den Patienten zu „nerven“, keine Zeit für erforderliche Interventionen usw.

Dabei erfordert die Frage nach Tabakkonsum, anders als beispielsweise bei der Frage nach Alkoholkonsum, keine spezielle Fragestrategie. Man kann ganz einfach fragen: „Rauchen Sie?” Wenn ja: „Was und wie viel?“ und erreicht damit gute Ergebnisse. Abgesehen von der reinen Formulierung der Frage nach Tabakkonsum, sind die Haltung und Atmosphäre, in der nach Tabakkonsum gefragt und auf die Antworten des Patienten reagiert wird, von enormer Bedeutung. Sie bahnen die Optionen für die weitere Bereitschaft des Patienten, mit dem Arzt an diesem Thema zu arbeiten, oder schließen für einige Zeit alle Zugänge zu der Thematik. Außerdem stellt schon die Frage nach dem Rauchen über die diagnostischen Aspekte hinaus einen Einstieg in eine therapeutische Intervention dar. Es ist eine empathische Haltung erforderlich, die bei aller objektiven Unvernunft des Rauchens die subjektiven Gründe für das Rauchen respektiert.

Tab. 1  Fagerström-Test (FTND)
Tab. 1  Fagerström-Test (FTND)

Im nächsten Schritt der Diagnostik soll die Ausprägung der Tabakabhängigkeit bestimmt werden. Die Entwicklung der Abhängigkeit verläuft bei jedem Raucher anders und lässt sich weder mit der Länge der Rauchanamnese noch allein über die Dosis des täglichen Tabakkonsums beschreiben. Eine Sucht kann schon nach kurzer Zeit und bei geringer Dosis deutlich ausgeprägt sein. Bei einigen Rauchern finden sich jedoch auch nach vielen Jahren und höherer Tabakdosis nur mäßige Abhängigkeitskriterien. Zur Skalierung dient der Fagerström Test (FTND) (Tab. 1). Er besteht aus sechs Fragen und differenziert eine leichte, eine mittelschwere und eine sehr schwere Abhängigkeit von Nikotin.1

Neben der Ermittlung der Ausprägungen der Sucht steht bei der Diagnostik die Erfassung der Rauchgewohnheiten im Mittelpunkt. Welche Rolle spielt das Rauchen für den jeweiligen Patienten? Daraus lassen sich Interventionen und Unterstützungen ableiten. Der Raucher sollte über mindestens eine Woche ein Rauchprotokoll führen und in einem Vier-Felder-Test eine Nutzen-Risiko-Kalkulation treffen („das finde ich gut am Rauchen“, „das stört mich am Rauchen“, „das finde ich gut am Nichtrauchen“, „das stört mich am Nichtrauchen“). Für die genannte Studie wurde die Nutzung des Leitfadens „Rauchfrei“ der Bundesärztekammer und der BZgA vereinbart, der unter anderem FTND, Raucherprotokoll und Vier-Felder-Test als Vorlage enthält.

Motivationstherapie

An erster Stelle steht ein Screening auf Patienten, die rauchen, egal ob sie veränderungsbereit sind oder nicht. Anschließend wird ihre Veränderungsbereitschaft geprüft und Hilfe beim Erreichen der Abstinenz angeboten. Auch unmotivierte Patienten sollten zu einer Veränderung ihres Verhaltens bewegt werden. Diese Arbeit steht unter dem Titel „Motivationstherapie“. Dabei sollte der Arzt sich immer wieder vergegenwärtigen, dass Motivationstherapie tatsächlich nicht die „Behandlung Motivierter“ sondern die „Erzeugung von Motivation bei Unmotivierten“ ist.

Die Phasen der Veränderungsbereitschaft stehen in der Abfolge von: Absichtslosigkeit, Absichtsbildung, Vorbereitungsphase, Handlungsphase, Aufrechterhaltung, Rückfall und nachhaltiger Abstinenz.2 Die Aufgabe der Motivationstherapie ist, Raucher in mehr oder weniger großen Schritten hin zur nachhaltigen Abstinenz zu bewegen. In den seltensten Fällen wird Abstinenz sofort und auf Dauer erreicht. Die eigene Motivation des Rauchers ist besonders gut, wenn er erste gesundheitliche Folgen spürt und der Druck aus der Umgebung, insbesondere aus Partnerschaft und Familie, zunimmt. In vielen Fällen ist jedoch auch eine eigene Motivation vorhanden, die sich nicht plausibel auf irgendwelche Ursachen zurückführen lässt. Wichtig ist es, auch offen mit den Gründen für das Rauchen umzugehen, Hilfe anzubieten und Rückfälle als Teil der Krankheit zu verstehen.

Eine bei fast allen Rauchern vorhandene und mehr oder weniger konkretisierbare Ambivalenz zwischen Schädlichkeit des Rauchens und scheinbarem Nutzen durch das Rauchen muss vom Arzt spürbar und emphatisch in beiden Aspekten nachvollzogen werden. Der Arzt stellt sich anschließend verbindlich auf die Seite der Abstinenz und bietet Hilfe an. Für viele Ärzte ist dabei schlecht nachvollziehbar, dass es dringend erforderlich ist, Nikotinabstinenz explizit anzuraten. Die Schädlichkeit des Rauchens erscheint so selbstverständlich, dass ein derartiger Rat als zu trivial empfunden wird, um ihn wirklich auszusprechen. Tatsächlich aber hat dieser ärztliche Rat eine ganz wichtige Funktion in der Motivationstherapie.

Die Motivationstherapie wird von Empathie getragen, zeigt Widersprüche auf, vermeidet Auseinandersetzungen, reagiert nachgiebig auf Widerstand und fördert die Selbstwirksamkeit des Patienten. Nach den AWMF-Leitlinien werden die Regeln der fünf „A‘s“ und fünf „R‘s“ für den Aufbau und die Abfolge der motivierenden Gesprächsführung empfohlen.

  • Fünf A‘s: Ask (Nachfragen), Advice (Aufhören anraten), Assess (Ausstiegsmotivation erfassen), Assist (Hilfe anbieten), Arrange (Nachbetreuen)
  • Fünf R‘s: Relevance (Bezug herstellen), Risk (Risiken benennen), Rewards (Vorteile des Rauchstopps verdeutlichen), Roadblocks (Hindernisse und Schwierigkeiten ansprechen), Repetition (Wiederholung der Beratung)

Endpunktmethode

Ich habs geschafft  und  du?

Patienten, die beispielsweise vor dem Hintergrund einer akuten Erkrankung sofort das Rauchen beenden wollen, sollte man bei ihrem Vorhaben unterstützen. Raucher, die jedoch ohne erkennbaren Anlass auf eigene Initiative oder ohne Eigeninitiative und expliziten Auftrag, aber nach Ansprache durch den Arzt das Rauchen beenden wollen, sollte man bezüglich der Umsetzung des Rauchstopps beraten. Es ist dabei nicht immer sinnvoll, diese Maßnahme auf typische Zeitpunkte „guter Absichten“ wie beispielsweise den 1. Januar zu legen. Die richtige Wahl des Zeitpunkts kann schon ein Teil des Erfolgs sein.

Es gilt, gemeinsam mit dem Raucher einen Zeitpunkt herauszuarbeiten, der weder übereilt ist noch in allzu ferner Zukunft liegt. Das Rauchmuster sollte dabei mit berücksichtigt werden: so kann ein Raucher, der überwiegend am Arbeitsplatz unter Zeitdruck raucht und dort zwischen rauchenden Kollegen sitzt, davon profitieren, am ersten Tag des kommenden Urlaubs oder zu Beginn eines längeren Wochenendes das Rauchen zu beenden, während ein „Genussraucher“, der überwiegend in der Freizeit oder bei Langeweile raucht, eher bis zum Ende des Urlaubs oder Feiertagswochenendes mit dem Abstinenzbeginn wartet. Die Kenntnis des Patienten mit seinen persönlichen Bezügen und seinem Lebensstil fließt in die Beratung durch den Arzt ein.

Ist ein passender Zeitpunkt ermittelt und festgelegt, werden mit dem Patienten der Ablauf und die Art der Unterstützung bei den einzelnen Schritten festgelegt. Dem Patienten wird aufgetragen, diesen Zeitpunkt seiner Umgebung mitzuteilen und dort um Unterstützung zu bitten. Dies schafft zudem ein höheres Maß an Verbindlichkeit.

Medikamentöse Therapie

Weiterführende Informationen

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln, bietet einen empfehlenswerten Leitfaden an. Der „Rauchfrei Leitfaden zur Kurzintervention bei Raucherinnen und Rauchern“ enthält geeignete Materialen (Kopiervorlagen, Fragebögen, Dokumentationshilfen usw.) und kann bezogen werden unter der E-Mail-Adresse order@bzga.de

In der in Kürze startenden randomisierten „Kurzinterventionsstudie zum Rauchstopp“ („Brief intervention study for quitting smoking“, BISQUITS) wird ein neuer Kompaktkurs im Vergleich zu einem mehrwöchigen Kurs und zu einer kurzen ärztlichen Beratung geprüft. Interessierte Raucher können sich für weitere Informationen oder für die Teilnahme an die lokalen Studienzentren wenden. Infotelefon: 0 62 21 / 396 - 2888,info@ohnekippe.de
www.bisquits-studie.de, heidelberg@bisquits-studie.de

Die mit Abstand größte Datenbasis gibt es für die Nikotinsubstitution.3 Die alleinige Gabe von Nikotin unter kontrollierten Bedingungen ohne die gleichzeitige Verabreichung der übrigen toxischen Substanzen des Tabaks verbessert die Situation des Rauchers in jedem Fall und ist vielfach belegt. In Deutschland ist die Nikotinsubstitution in Form von Pflastern, Kaugummis, Sublingualtabletten und als Inhaler verfügbar. Die unterschiedlichen Darreichungsformen unterscheiden sich insbesondere im Anfluten des Nikotins. Es empfiehlt sich eine Nikotinbasisversorgung durch Nikotinpflaster und eine akute Nikotinergänzung durch eine schneller resorbierbare Form bei übermäßigem Nikotinhunger. Grundsätzlich sollten eine Nikotinsubstitution und auch weitere Präparate nur bei ausgeprägter Nikotinsucht nach Fagerström zum Einsatz kommen.

Buproprion ist ein in den USA schon länger verfügbares Antidepressivum. Es ist randomisiert placebokontrolliert als effektiv für die Nikotinentwöhnung nachgewiesen und verbessert seine Wirksamkeit in der Kombination mit einer Nikotinsubstitution nochmals. Buproprion hat eine Reihe von Wechselwirkungen mit anderen Substanzen und darf u.a. in der Schwangerschaft, bei Krampfleiden und bei Bulimie nicht eingesetzt werden. Die Substanz ist inzwischen auch in Deutschland als Antidepressivum zugelassen und unter anderem Namen verfügbar.

Vareniclin ist ein partieller Nikotin-Agonist. Die Zulassungsdaten zeigen eine Überlegenheit gegenüber Buproprion (auch in der Kombination von Buproprion mit Nikotinpflastern). Aufgrund der noch dünnen Datenbasis und der geringen Erfahrung mit dem Präparat bei der breiten Anwendung sollte die Nutzen-Risikoabschätzung besonders sorgfältig ausfallen. Häufige Nebenwirkungen sind Übelkeit und Kopfschmerzen. Eine Kombination mit Nikotinpräparaten ist bei diesem Therapieprinzip nicht sinnvoll. Zu beachten ist auch eine Information des Center for Drug Evaluation and Research der U.S. Food and Drug Administration vom 1. Februar 2008, nach der vor dem Auftreten ernster neuropsychiatrischer Symptome (Verhaltensänderungen, Agitiertheit, depressive Stimmung, Suizidgedanken, versuchter und vollzogener Suizid) im Zusammenhang mit einer Vareniclin-Therapie gewarnt wird. Eine Kombination mit einer ART (insbesondere Efavirenz) könnte zusätzliche Probleme verursachen.




1 Fagerström, K. O., Schneider, N. G. (1989). Measuring nicotine dependence: A review of the Fagerström Tolerance Questionnaire. Journal of Behavioral Medicine, 12 (2), 159-182.

2 Prochaska, J. O., DiClemente, C. C. (1983). Stages and processes of self-change of smoking: Toward an integrative model of change. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 51 (3), 390-395.

3 Fiore, M. C. et al.; The Tobacco Use and Dependence Clinical Practice Guideline Panel, Staff, and Consortium Representatives (2000). A clinical practice guideline for treating tobacco use and dependence: A US Public Health Service report. Journal of the American Medical Association, 283 (24), 3244-3254.

4 Glynn, T. J., Manley, M. W. (1989). How to Help Your Patients Stop Smoking: A National Cancer Institute Manual for Physicians. Publication No. NIH 89-3064. Bethesda, MD: National Cancer Institute.

5 Schmidt, B. (2001). Suchtprävention bei konsumierenden Jugendlichen: Sekundärpräventive Ansätze in der geschlechtsbezogenen Jugendarbeit, 2. Auflage. Weinheim: Juventa.


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