Julia Schwerfeld-Bohr und Susanne Krege, Krefeld - Geschlechtsangleichende Operation von Mann zu Frau
Voraussetzung für die Operation sind derzeit zwei psychiatrische Indikationsgutachten sowie die Kostenzusage der Krankenkasse. Die Wartezeit auf eine Operation beträgt in unserer Klinik aktuell etwa ein Jahr.
Vorbereitung
Lage der Neovagina im Becken
Sobald der Termin definitiv ist, erhält die Patientin einen Info-Brief, in dem alles Wichtige für den Klinikaufenthalt mitgeteilt wird. So ist es zum Beispiel erforderlich eng sitzende Miederhosen mitzubringen mit denen ein guter Sitz des Vaginalstents erreicht wird. Außerdem sollte zum späteren Dehnen der Vagina ein starrer Vibrator mitgebracht werden.
Einen Tag vor der geplanten Operation wird die Patientin stationär aufgenommen. Es erfolgt die detaillierte Aufklärung über die Operation und die Narkose. Ferner erfolgen Abführmaßnahmen. Außerdem finden die notwendigen Voruntersuchungen wie Blutentnahme, EKG und evtl. Röntgen der Lunge statt. Eine Eigenblutspende, wie früher einmal praktiziert, wird nicht mehr durchgeführt, da kein Vorteil hieraus erkennbar war. Sollte es im Rahmen der Operation zu einem so starken Blutverlust kommen, der eine Transfusion erforderlich macht, so werden Blutkonserven von der Blutbank benutzt. Generell kann man aber sagen, dass dies nur extrem selten erforderlich ist.
Erste Sitzung
In der ersten Sitzung der Geschlechtsangleichung von Mann zu Frau wird wie folgt vorgegangen:
Die Patientin wird auf dem OP-Tisch breitbeinig gelagert. Der Zugang zum Operationsgebiet erfolgt dann über einen herzförmigen Schnitt am Hodensack. Die entfernte Haut wird nicht verworfen, sondern für eine eventuell notwendige Verlängerung der Scheide aufbewahrt (eine nähere Erklärung hierzu erfolgt später). Aus der übrigen Haut des Hodensacks werden später die Schamlippen geformt. Dann werden beide Hoden und die Samenstränge bis zum äußeren Leistenring entfernt. Die Öffnungen der Leiste werden verschlossen.
Erste Operation 1930 in Deutschland
In den frühen 10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden erstmalig geschlechtsangleichende Operationen in der Fachliteratur beschrieben. 1930 führte der Dresdner Gynäkologe Kurt Warnekros den ersten dokumentierten Eingriff der Geschlechtsangleichung von Mann zu Frau in Deutschland durch. Doch aufgrund mangelnder Anerkennung als eigenständige Identitätsstörung mussten die meisten europäischen Patientinnen zunächst ins Ausland reisen vor allem nach Casablanca in Marokko. Seit den späten 60er und frühen 70er Jahren fand die chirurgische Behandlung mehr und mehr Akzeptanz und es wurden erste Transgender-Zentren eröffnet. Heute zählt die geschlechtsangleichende Operation sicherlich noch immer zu den seltenen Eingriffen, jedoch wächst die Zahl von Jahr zu Jahr und wird an immer mehr Kliniken in Deutschland angeboten.
Dann erfolgt die Ablösung der Haut des Penis vom Penisschaft. Die Eichel und das am Rücken des Penis verlaufende Gefäß-Nerven-Bündel werden von den Schwellkörpern getrennt. Dieser sensible Schritt muss besonders vorsichtig ausgeführt werden, um Sensibilitätsstörungen oder Störungen der Durchblutung der Eichel zu vermeiden. Das Risiko für Verletzungen liegt bei ca. 1%. Außerdem wird die Harnröhre von den Schwellkörpern getrennt. Die Schwellkörper (Corpora cavernosa) werden tief an den Beckenknochen abgetrennt. Ebenfalls abgetrennt werden Reste des kleinen Schwellkörpers (Corpus spongiosum), welcher die Harnröhre umgibt. Ganz entfernt werden kann dieser jedoch nicht, da sonst die Harnröhre nicht mehr ausreichend durchblutet werden würde.
Nun erfolgt der gefährlichste Schritt der Operation, nämlich die Bildung des Raums für die Scheide. Dieser Raum wird zwischen Enddarm und Harnröhre geformt. Die Präparation erfolgt im vorderen Anteil scharf mit der Schere, der hintere Anteil wird dann stumpf aufgedehnt. Die Gefahr bei diesem Schritt besteht darin, die Harnröhre oder den Darm zu verletzen. Verletzungen der Harnröhre heilen in der Regel folgenlos aus. Eine Darmverletzung birgt jedoch höhere Risiken. Kleine Verletzungen können übernäht werden. Um diese Naht zu schonen, darf die Patientin dann allerdings einige Tage nach der Operation noch keine feste Nahrung zu sich nehmen. Bei schwierig zu nähenden Verletzungen ist jedoch die Anlage eines künstlichen Darmausgangs (AP) erforderlich, um eine sichere Heilung zu gewähren. Der AP kann im Regelfall nach ca. 8 Wochen wieder zurückverlegt werden.
Ist der Raum für die Scheide geschaffen, so erfolgt die Einstülpung der Penisschafthaut als Auskleidung. Es wird ein weicher Platzhalter eingeführt, welcher ca. 13 cm lang ist. Sollte die Haut des Penis hierfür nicht ausreichen, so kann die Verlängerung mit der überschüssigen Haut vom Hodensack erfolgen (s.o.). Dies bezeichnet man als freies Hauttransplantat. Die Haut wird so dünn präpariert, dass sämtliche Haarwurzeln entfernt werden, so dass keine Gefahr für einen späteren Haarwuchs in der Scheide besteht. Der so entstandene Hautschlauch wird mit Fibrinkleber verankert.
An anatomischer Stelle werden nun die Durchtrittsöffnungen für Harnröhre und Klitoris geschaffen. Die Harnröhre wird auf eine entsprechende Länge gekürzt. Die Eichel wird im äußeren Bereich enthäutet, nur ein fingernagelgroßes Areal ist außen sichtbar. Auf diese Weise werden keinerlei Nervenendigungen entfernt, und es kann eine größtmögliche Sensibilität erreicht werden. Schließlich werden die großen Labien aus der verbliebenen Haut des Hodensacks gebildet.
Im Anschluss an die erste Operation erfolgen aufwendige Verbandswechsel im zweitägigen Rhythmus. Im weiteren Verlauf erlernt die Patientin den selbstständigen Umgang mit dem weichen Platzhalter und dem starren Dildo/Vibrator. Der Aufenthalt für die erste Operation beträgt im Durchschnitt 10 Tage.
Zweite Sitzung
Ergebnis nach 1. Sitzung; unmittelbar nach 2. Sitzung ;längere Zeit nach 2. Sitzung
Zirka 6-8 Wochen später erfolgt die zweite Sitzung. Durch den größeren Abstand zur ersten Operation soll eine möglichst vollständige Abschwellung und Abheilung des OP-Gebietes erreicht werden. Im Rahmen der zweiten Sitzung wird regelhaft der Schamhügel aufgebaut. Dazu wird oberhalb der Klitoris ein dreieckförmiges Hautareal ausgeschnitten, das seitliche Fettgewebe mittig vereinigt und die Hautränder werden adaptiert, so dass die Klitoris im oberen Anteil abgedeckt wird und der Schamhügel sichtbar wird. Als nächstes wird der hintere Scheidensteg im Dammbereich vertieft. Dieser Schritt ist deswegen notwendig, da primär meist ein etwas höherer Steg zum besseren Halt des Platzhalters belassen wird.
Sofern Probleme beim Wasserlassen aufgetreten sind, wird noch die Harnröhrenöffnung erweitert und/oder etwas tiefer verlegt. Dies ist in ca. 30% der Fälle erforderlich. Im Rahmen der zweiten Sitzung der Geschlechtsangleichung besteht außerdem die Möglichkeit, einen Brustaufbau vornehmen zu lassen. Wenn die Patientin dies wünscht, so findet bereits beim ersten Aufenthalt in unserer Klinik ein Beratungsgespräch mit unserer Plastischen Chirurgin statt. Die Aufenthaltsdauer für die zweite Sitzung beträgt ohne Brustaufbau 3-4 Tage, mit Brustaufbau 7-8 Tage.
Komplikationen
Zu den häufigeren Komplikationen der Operation zählt die Wundheilungsstörung, gerade am hinteren Scheidensteg, da dort viel Spannung auf dem Gewebe durch das Aus- und Einführen des Stents besteht. Auch Blutergüsse kommen öfter vor, da es aus dem Resektionsrand der Harnröhre gerne mal nachblutet. Diese Komplikationen sind in der Regel konservativ beherrschbar, d.h. es ist kein weiterer Eingriff erforderlich. Bei der bereits beschriebenen Verengung der Harnröhrenmündung erfolgt die chirurgische Korrektur im Rahmen der zweiten Sitzung. Auch kann es mal nötig sein, bei der zweiten Sitzung noch überschüssiges Restschwellkörpergewebe um die Harnröhre zu entfernen. Zu den Langzeitkomplikationen zählt vor allem die Verengung und Verkürzung der Neovagina. Hier ist mangelndes Dehnen durch die Patientin die häufigste Ursache. Aber auch Infektionen oder überschießende Narbenbildung (Keloid) können ein Grund sein.
Pflege
Für die Funktionalität der Scheide ist es wichtig, dass die Patientin regelmäßig, besonders wenn die Scheide mit einem freien Hauttransplantat verlängert wurde, dehnt. Hierzu sollte nach der 2. Sitzung ein Vibrator benutzt werden, da die Vibration für eine gute Durchblutung sorgt. Hat die Patientin einen Partner, ersetzt der Geschlechtsverkehr das Dehnen.
Die Scheide sollte regelmäßig mit einem Duschkopf ausgeduscht werden oder man verwendet hierfür eine spezielle Scheidedusche.