Maria Sabine Augstein, Tutzing - Rechtliche Aspekte
Das deutsche Transsexuellengesetz (TSG) wurde im Jahre 1980 mit Wirkung ab 1. Januar 1981 unter dem vollen Titel „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen” (Transsexuellengesetz – TSG) verabschiedet, um Menschen mit von ihrem körperlichen Geschlecht abweichender Geschlechtsidentität die Möglichkeit zu geben, in der zu ihrer Geschlechtsidentität passenden Geschlechtsrolle leben zu können. Es sieht entweder nur die Änderung der Vornamen oder dazu auch die Änderung des Geschlechtseintrages im Geburtenbuch und der Geburtsurkunde vor (Personenstandsänderung).
Namensänderung
Die Voraussetzungen für eine Vornamensänderung nach §1 TSG sind:
- die Diagnose Transsexualität; seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang stehen, den transsexuellen Vorstellungen entsprechend zu leben (was nicht bedeutet, seit drei Jahren schon so gelebt haben müssen)
- die Prognose, dass sich das Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird.
Dies müssen zwei Gutachter bestätigen, die das Gericht auswählt. Das Gericht kann auch von dem/der Antragsteller/in vorgeschlagene Gutachter beauftragen. Bei geringem Einkommen gibt es die Möglichkeit der Verfahrenskostenhilfe (VKH), auch mit Ratenzahlungsanordnung gemäß einer Tabelle, wenn das Einkommen für die Bewilligung ratenfreier VKH zu hoch ist.
Ausländische Transsexuelle können das TSG in Anspruch nehmen, wenn sie sich aufgrund einer unbefristeten oder verlängerbaren Aufenthaltserlaubnis rechtmäßig und nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhalten, und wenn das Recht des Heimatstaates keine vergleichbaren Regelungen kennt.
Personenstandsänderung
Die rechtliche Zuordnung zum neuen Geschlecht nach §8 TSG ist unter denselben Voraussetzungen möglich wie die Vornamensänderung. Verheiratete Transsexuelle müssen sich nicht scheiden lassen. Transsexuelle müssen sich seit 2011 auch keiner geschlechtsanpassenden Operation unterzogen haben und auch nicht dauernd fortpflanzungsunfähig sein. Diese Erfordernisse hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungswidrig beanstandet und für unwirksam erklärt.
Das BVerfG hat weiterhin festgestellt, dass Verfahren nach §8 TSG nicht bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ausgesetzt werden dürfen, sondern dass den Anträgen entsprochen werden muss, wenn die Voraussetzungen des §1 TSG vorliegen. Es empfiehlt sich daher, Vornamens- und Personenstandsänderung gleichzeitig zu beantragen oder den Antrag auf §8 TSG zu erweitern, wenn die Gutachten einschränkungslos positiv ausgefallen sind.
Gesetzliche Krankenkassen
Maßgeblich für die Übernahme der Kosten einer geschlechtsangleichenden Operation ist noch immer das Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts (BSG) von 1987. Neben der Diagnose Transsexualität verlangt das BSG einen krankheitswertigen Leidensdruck sowie, dass es zur Behebung/Milderung dieses Leidensdruckes keine andere Behandlungsmöglichkeit gibt als die geschlechtsanpassende Operation. Zum Nachweis dieser Voraussetzung ist eine psychotherapeutische Behandlung vor der Operation zwingend erforderlich. Die Klage einer Betroffenen, die sich ohne vorherige Psychotherapie operieren ließ, wurde rechtskräftig abgewiesen.
Die Betroffenen müssen in jedem Fall vor der Operation einen Antrag auf Kostenübernahme bei ihrer Krankenkasse stellen und deren Entscheidung abwarten, sei sie nun positiv oder negativ. Werden diese Vorgaben nicht beachtet, ist die Krankenkasse schon aus formalen Gründen leistungsfrei. Eine vorherige Zustimmung der Kasse zur Kostenübernahme ist dagegen nicht erforderlich. Nach einer Ablehnung können die Betroffenen sich operieren lassen, den Rechtsgang antreten und Widerspruch einlegen und dann auf Kostenerstattung vor dem Sozialgericht klagen. Für die Hormonbehandlung gilt dieses Erfordernis dann nicht, wenn ein Kassenarzt die Medikamente auf Kassenrezept verordnet. Denn es gibt generell keine Genehmigungspflicht für Medikamente.
Die Leistungspflicht besteht für die primäre genitaltransformierende Operation. Für Frau-zum-Mann-Transsexuelle gehört dazu neben der Brustreduktion und der Entfernung der inneren Geschlechtsorgane auch die Phalloplastik einschließlich Hodenplastik.
Umstritten
Für weitergehende Maßnahmen kommt es darauf an, ob diese noch medizinisch notwendig oder schon dem kosmetischen Bereich zuzuordnen sind. Besonders strittig ist die Brustvergrößerung bei Mann-zur-Frau-Transsexualität. Nach einem neuen Urteil des LSG Baden-Württemberg vom Januar 2012 besteht eine Kostenübernahmepflicht nur dann, wenn trotz Hormontherapie überhaupt keine Brust gewachsen ist, nicht jedoch wenn „lediglich“ eine Vergrößerung der Brust angestrebt wird.
Epilation
Die Kostenübernahmeverpflichtung umfasst auch die Epilation der Barthaare im Gesicht bei Mann-zur-Frau-Transsexuellen, allerdings nicht im Wege der Laserepilation, da diese keine vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannte Behandlungsmethode ist. Bei der Nadelepilation besteht das Problem darin, dass die wenigsten Hautarztpraxen diese anbieten. Selbst wenn sich eine Hautarztpraxis findet, wird aus gebührenrechtlichen Gründen nur für 5 Minuten pro Sitzung epiliert, da pro Sitzung nur ca. 5 Euro vergütet werden. Die Behandlung zieht sich dann unzumutbar in die Länge.
Am besten wäre die Epilation in einem darauf spezialisierten Kosmetikinstitut, da dort über größere Zeiträume am Stück epiliert werden kann. Viele Krankenkassen haben eine solche Behandlung bewilligt. Die Rechtsprechung hat es jedoch bislang abgelehnt, einen entsprechenden Anspruch gegen die Krankenkasse anzuerkennen.
In einem Verfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen konnte ein Vergleich geschlossen werden, dass zwar die Nadelepilation in einer Hautarztpraxis durchgeführt wurde, die Krankenkasse aber eine Abrechnung nach einem Stundensatz akzeptierte.
Vorsicht bei Privatklinik
Eine Kostenübernahmepflicht besteht grundsätzlich nicht für eine Behandlung in einer Privatklinik. Obwohl z.B. die Privatklinik Sanssouci in Potsdam bei Geschlechtsumwandlungen von Frau zum Mann (Penis- und Hodenplastik, Erektionsprothese) über größte Erfahrungen verfügt, hat es die Rechtsprechung bis hin zum BSG bislang abgelehnt, die Krankenkasse zur Kostenübernahme/Kostenerstattung für eine Behandlung in dieser Klinik zu verpflichten.
Private Krankenkassen
Ein spezifisches Problem bei privaten Krankenkassen, das bei gesetzlichen Krankenkassen nicht auftritt, besteht darin, dass Krankenkassen sich gerne darauf berufen, dass die Transsexualität in den Gesundheitsfragebögen nicht angegeben wurde. Sie fechten dann den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung an oder treten vom Vertrag zurück. Es kommt dann darauf an, ob sich die Betroffenen zu diesem Zeitpunkt der Transsexualität bewusst waren. Je weniger Zeit zwischen den Angaben zu den Gesundheitsfragen und Offenbarung der Transsexualität gegenüber der Krankenkasse vergangen ist, desto schwerer wird es, glaubhaft darzulegen, dass ihnen die Transsexualität nicht bewusst war.
Bei berechtigter Anfechtung bzw. berechtigtem Rücktritt stehen die Betroffenen ohne Krankenversicherung da. Auch wenn eine neue private Krankenkasse den Abschluss der Versicherung nicht ablehnen darf, muss sie für Leistungen aufgrund Transsexualität nicht eintreten. Denn nach dem Versicherungsvertragsgesetz besteht grundsätzlich keine Leistungspflicht für Krankheiten, die schon beim Vertragsschluss vorhanden waren.
Bei den gesetzlichen Krankenkassen besteht dieses Problem nicht, da die Mitgliedschaft durch Erfüllung gesetzlicher Tatbestände (z.B. Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung) oder durch einseitige Erklärung (Beitritt, Fortsetzungsantrag)) erfolgt und nicht durch Vertragsschluss.
Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes von 1995 müssen private Krankenkassen Leistungen aufgrund Transsexualität erbringen, wenn die Betroffenen einen Beschluss nach § 8 TSG erreicht haben. Auch hier gilt, dass die Eintrittspflicht nur für medizinisch notwendige, nicht jedoch für kosmetische Maßnahmen besteht. Die Behandlung muss nicht vorher bei der Krankenkasse beantragt werden.
Privat Versicherte können natürlich eine Privatklinik aufsuchen. Die Abrechnung muss jedoch nach der privatärztlichen Gebührenordnung (GOÄ) erfolgen. Pauschalhonorare sind unzulässig und können auch nicht rechtswirksam vereinbart werden.
Zur Nadelepilation gibt es leider ein ablehnendes Grundsatzurteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf von 1988, nach dem eine private Krankenkasse wegen der hohen Kosten diese Behandlung nicht zu bezahlen braucht, und zwar auch dann nicht, wenn eine Hautarztpraxis diese durchführt. Für eine Laserepilation ist die Krankenkasse dagegen nach einem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt/M. von 1996 leistungspflichtig. Ob der Gemeinsame Bundesausschuss eine neue Behandlungsmethode anerkannt hat, ist für private Krankenkassen ohne Belang, da das Sozialgesetzbuch für diese nicht gilt.