Ralf Dechend, Berlin
Aktuelle Aspekte der Herzinsuffizienz
Im Vergleich zu den Überlebensraten bei Krebserkrankungen hat die Herzmuskelschwäche immer noch eine deutlich schlechtere Prognose. Nur das Lungenkarzinom hat eine schlechtere Prognose. Die frühen Diagnose und Behandlung kann das Leben der Patienten verlängern.
Neue Definition
Neu in den Leitlinien wird unterschieden zwischen systolischer Herzinsuffizienz, verursacht durch eine verminderte Pumpkraft des Herzens, und diastolischer Herzinsuffizienz. Diese ist gekennzeichnet durch eine erhaltene Pumpfunktion mit gestörter Ventrikelfüllung. Bei ungefähr 40-50% der Patienten mit Herzinsuffizienz liegt eine diastolische Insuffizienz vor. Die häufigsten Ursachen sind Diabetes mellitus, Hypertonie und Alter. Die Morbidität und Mortalität der diastolischen und systolischen Herzinsuffizienz ist vergleichbar.
Diagnostische Aspekte
Bei Verdacht auf Herzinsuffizienz sind das 12-Kanal-EKG, kardiale Biomarker und die Echokardiographie die entscheidenden Untersuchungen. Die Röntgen-Thorax-Aufnahme ist allenfalls bei der akuten Herzinsuffizienz zu erwähnen.
Bei den kardialen Biomarkern haben die natiuretischen Peptide (BNT, NT-pro-BNT) derzeit die größte klinische Bedeutung. Neu in den Leitlinien verankert ist, dass ein normales EKG und ein unauffälliges BNT bzw. NT-proBNT eine Herzinsuffizienz unwahrscheinlich machen und quasi als Ausschlussdiagnostik fungieren können. Demgegenüber ist bei erhöhten Werten eine Herzinsuffizienz als Ursache wahrscheinlich und ist Indikation für weitere kardiale Diagnostik. Eine biomarkergesteuerte Herzinsuffizienztherapie und die Bedeutung als prognostischer Parameter werden zurzeit untersucht, eine wiederholte routinemäßige Bestimmung wird zum jetzigen Zeitpunkt in der klinischen Routine nicht empfohlen.
Wegweisend in der weiteren Diagnostik ist die
Echokardiographie. Sie ist entscheidend für die Unterscheidung systolischer und
diastolischer Herzinsuffizienz. Eine Pumpfunktion von <35% hat zudem noch
besondere therapeutische Konsequenzen. Bei schlechter Pumpfunktion, d.h.
Ejektionsfraktion (LVEF/EF) <35%, und einer Prognose von mehr als einem Jahr
besteht die Indikation zur Impantation eines Defibrillators (AICD) (Abb. 1).
Abb. 1 Flussdiagramm Diagnostik bei Verdacht auf Herzinsuffizienz – Alternativen ‘Echokardiographie zuerst’ (blau) oder ‘Natriuretisches Peptid zuerst’ (rot).
Weitere wichtige Parameter bei der diastolischen Herzinsuffizienz sind das transmitrale Flussprofil (E/A-Verhältnis) und das Profil im Gewebedoppler am Mitralklappenanulus E`/A` bzw. das Verhältnis E/E`. Diese beschreiben die Füllungsbehinderung des linken Ventrikels, die bei körperlicher Belastung zu Luftnot führen. Eine interessante weiterführende Untersuchung stellt die Spiroergometrie dar. Sie erlaubt im Gegensatz zur ventrikulären Ejektionsfraktion Rückschlüsse auf die körperliche Belastbarkeit. Richtungweisend ist hier die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max).
Die Herzkatheteruntersuchung ist zur Diagnostik einer chronischen Herzinsuffizienz per se nicht indiziert. Sie kann aber wichtig sein, um die Ursachen zu klären. Bei ischämisch bedingter Herzinsuffizienz kann eine Intervention eine Progression der Herzinsuffizienz verhindern.
Therapeutische Aspekte
Abb. 2 Therapie bei symptomatischer chronischer systolischer Herzinsuffizienz (NYHA Klasse II–IV).
In den letzten Jahren sind viele Interventionsstudien in der Herzinsuffizienz durchgeführt und publiziert worden, die auch Eingang in die Leitlinien gewonnen haben. Die Therapie besteht mittlerweile aus der medikamentösen Therapie, den „Devices“ (AICD und Resynchronisation (CRT)) und neuerdings auch operativen Optionen (Abb. 2, Seite 31).
Alle Patienten, die eine Herzinsuffizienz mit einer EF von <40% haben, sollten einen ACE-Hemmer (bei Unverträglichkeit AT1-Rezeptorblocker) und einen Betablocker erhalten. Beide Medikamente sind prognostisch relevant und stadienunabhängig indiziert (d.h. auch bei asymptomatischen Patienten). Zur symptomatischen Therapie sollten zudem Diuretika zur symptomatischen Therapie gegeben werden. Eine adäquate diuretische Therapie ist wichtig, die prognostische Relevanz ist allerdings bisher nicht belegt. Letztmalig wurde dies in der Studie von Felker et al. ( New England Journal of Medicine 2011) untersucht und es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen Bolusgabe und kontinuierlicher i.v.-Diuretikagabe gezeigt werden ebenso wenig zwischen „Standarddosierung“ und einer 3-fach erhöhten Diuretikagabe.
Aldosteronantagonist auch bei milder Insuffizienz
Sollte der Patient weiterhin symptomatisch sein (ab NYHA Stadium II), profitiert ein Patient mit systolischer Herzinsuffizienz von niedrigdosierten Aldosteronantagonisten. Dies belegt die Ephesus-Studie, in der Patienten mit hochgradig eingeschränkter Pumpfunktion und milder Herzinsuffizienz (NYHA II) den primären Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod und Krankenhauseinweisung unter niedrig dosierten Aldosteronantagonisten signifikant seltener erreichten.
Die Leitlinien geben auch praktische Hinweise für den Umgang mit Aldosteronantagonisten:
- Vor Beginn der Therapie Nierenfunktion und Elektrolyte testen
- Beginn mit einer niedrigen Dosierung und dann Auftitrieren
- Beginn der Dosissteigerung frühestens nach 4-8 Wochen sowie nach 4, 8 und 12 Wochen und später alle 3-4 Monate Kontrolle der Elektrolyte und der Nierenfunktion
- Dosishalbierung, wenn das Kalium auf >5,5 mmol/l oder die Nierenfunktion auf <30 ml/min/1,73 m² absinkt und Stopp der Medikation bei einem Kalium >6,0 mmol/l und einer eGFR von <20 30 ml/min/1,73 m². Zudem sollte die kontinuierliche Gabe von anderen kaliumsparenden Diuretika oder nicht -steroidalen Antiphlogistika bedacht werden.
- In der HIV-Therapie ist eine Interaktion durch CYP3A4-Inhibitoren; wie z.B. durch Ketonolazol, Clarithromycin, Ritonavir oder Nelfinavir zu beachten.
Sollte der Patient weiterhin symptomatisch sein, hat sich bei Patienten mit Sinusrhythmus und einer Herzfrequenz >70 Schläge/Min trotz maximal tolerierter Betablockerdosis die Einnahme von Ivabredin bewährt. In der SHIFT-Studie konnte überzeugend gezeigt werden, dass Ivabradin (Procorolan) die Krankenhauseinweisungen wegen Verschlechterung der Herzinsuffizienz signifikant vermindert. Diese Daten bestätigen, dass eine hohe Herzfrequenz (>70 Schläge/Min) ein unabhängiger Risikofaktor bei Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz ist.
Die Bedeutung der Herzglykoside hat sich in den neuen Leitlinien nicht geändert. Digitalispräparate sind im Rahmen der Herzinsuffizienztherapie nur indiziert bei tachyarrhythmischem Vorhofflimmern, generell werden sie aber nicht empfohlen. Eine individuelle symptomatische Therapie kann bei stark symptomatischen Patienten erwogen werden.
Device-Therapie
Für die AICD-Therapie hat sich in den neuen Leitlinien wenig geändert. Eine Pumpfunktion <35% bzw. ein überlebtes Kammerflimmern bei einer Pumpfunktion <40% sind wichtige Indikationen in der Primär- bzw. Sekundärprävention zur Verhinderung eines plötzlichen Herztodes. Bei der kardialen Resynchronisationstherapie CRT gibt es jedoch neue Erkenntnisse. Die Studien belegen einen Nutzen auch bei milder Herzinsuffizienz NYHA II, jedoch ist ein CRT nur zu empfehlen bei typischem Linksschenkelblock mit einer QRS-Dauer von >150 ms und Sinusrhythmus.
Operative-Therapie
Ein ACVB (Aortokoronarer Bypass) bei Patienten mit hochgradig eingeschränkter Pumpfunktion ist vor kurzem in einer großen Studie evaluiert worden (Stich-Studie). Die kardiovaskuläre Mortalität wurde durch die Bypass-Operation signifikant reduziert, nicht aber die Gesamtmortalität. Dies hat viele Experten sehr überrascht und auch enttäuscht. Die Entscheidung, über einen ACVB bei Herzinsuffizienz bleibt komplex und eine individuelle Entscheidung. Neue operative Verfahren, insbesondere die interventionellen Alternativen, wie Mitraclip zur Therapie einer Mitralinsuffizienz und Transkatheter-Aortenklappenimplantation bei Aortenstenose (TAVI = Transcatheter Aortic Valve Implantation) werden in den nächsten Jahren in großen interventionellen Studien evaluiert. Ob ein Patient von dem Einsatz dieser Verfahren profitiert, ist zum jetzigen Zeitpunkt in Kooperation mit einem erfahrenen Kardiologen zu prüfen und bleibt eine individuelle Entscheidung.