Niedersachsen
Keine Fortbildung auf Pharmakosten
Hintergrund der Entscheidung der Kammerversammlung vom November 2012 ist die nicht enden wollende Diskussion um die Bestechlichkeit der Ärzte. Dr. Elke Bukisch-Urbanke wies darauf hin, dass nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs im letzten Jahr, in dem bestätigt wurde, dass der Vertragsarzt weder Amtsträger noch Beauftragter der Krankenkassen sei, die Sensibilität der Bevölkerung gegenüber Korruption im Gesundheitswesen deutlich zugenommen. Und Dr. Hubert Brinkhoff erinnerte an die umfangreichen Aktivitäten der Kammer, um pharmaunabhängige Fortbildungen in den Ärztevereinen durchzuführen.
Deshalb beschloss die Kammer mit fünf Gegenstimmen und vier Enthaltungen, das Pharmasponsoring einer lediglich passiven Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen zu streichen. Werden Leistungen für die Pharmaindustrie erbracht, so muss die hierfür bestimmte Vergütung der erbrachten Leistung entsprechen. Die Verträge über die Zusammenarbeit sind schriftlich abzuschließen und sollen der Ärztekammer vorgelegt werden.
Interview mit Dr. Hans Heiken, Hannover
Dr. Hans Heiken
Ärztekammer unterstellt Bestechlichkeit
Wie kam es zu diesem Beschluss?
Hans Heiken: Korruption und Ärzteschelte sind schon immer beliebte Themen in den Medien. Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion ja nicht neu. Bereits vor einigen Jahren ist ein ähnlicher Vorstoß auf Bundesebene gescheitert. Nun hat Niedersachsen hier eine Vorreiterrolle übernommen. Die Kammerversammlung hat nach heftiger Diskussion den Paragraphen § 32 Absatz 2 der Bundesberufsordnung gestrichen, der das Pharmasponsoring bisher möglich machte.
Was bedeutet das für den Arzt?
Hans Heiken: Das bedeutet konkret, dass nun auch niedergelassene Ärzte keinerlei Unterstützung der Pharmaindustrie für Gebühren, Hotel- und Anreisekosten zur passiven Teilnahme an medizinischen Fortbildungsveranstaltungen annehmen dürfen.
Wie stehen Sie zu diesem Beschluss?
Hans Heiken: Die Ärztekammer unterstellt uns Ärzten, dass wir uns durch die Unterstützung der Pharmaindustrie, an einer Fortbildungsveranstaltung teilzunehmen, bestechen lassen. Für uns infektiologisch tätige Ärzte ist die kontinuierliche Fortbildung sehr wichtig, um unsere Patienten auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft behandeln zu können. Die aktuelle Regelung schränkt unsere Möglichkeiten hier deutlich ein. Deshalb strengen wir in eine Normenkontrollklage an. Der Kläger wird Dr. Birger Kuhlmann hier aus der Praxis sein. Die NieAGNÄ (Niedersächsische Arbeitsgemeinschaft der niedergelassenen Ärzte in der HIV-Versorgung) wird die Klage unterstützen.
Was ist eine Normenkontrollklage?
Hans Heiken: Wir bezweifeln, dass die Ärztekammer berechtigt ist, solch einen Beschluss zu fassen. Was kommt als nächstes? Wird die Kammer nach dem nächsten Korruptionsskandal in der Medizin beschließen, dass Ärzte nicht mehr Mercedes fahren oder nicht mehr rauchen dürfen?
Gibt es Reaktionen von Seiten der Industrie?
Hans Heiken: Ja, durchaus. Ich weiß bereits von einem Unternehmen, das hier bundeseinheitlich agieren will. Konkret: Nachdem Einladungen an niedersächsische Ärzte nicht mehr möglich sind, werden in Zukunft auch Ärzte aus anderen Bundesländern nicht mehr zu Fortbildungsveranstaltungen eingeladen werden.
Vielen Dank für das Gespräch