Nationales Referenzzentrum für Retroviren in Frankfurt am Main

NRZ-LogoDas Institut für Medizinische Virologie am Klinikum der Johann-Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main wurde durch das Robert Koch-Institut mit Wirkung zum 1. Oktober 2012 zum Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Retroviren berufen.

Leiter des NRZ und Direktor des Instituts ist Prof. Dr. med. Oliver T. Keppler. Das Frankfurter Institut tritt die Nachfolge des Instituts für Klinische und Molekulare Virologie in Erlangen an, das dieses NRZ 1996 gegründet hatte und richtungsweisende strukturbildende Maßnahmen für die Diagnostik, Forschung und Beratung bei HIV und HTLV in Deutschland geleistet hat.


Die Mitarbeiter des Instituts für Medizinische Virologie und Nationalen Referenzzentrums für RetrovirenDie Mitarbeiter des Instituts für Medizinische Virologie und Nationalen Referenzzentrums für Retroviren

Am Frankfurter Institut ist eine Vielzahl von Aktivitäten im Bereich der Retrovirologie vereint. Als NRZ für Retroviren ist das Frankfurter Institut das Deutsche Referenzlabor für die Routine- und Spezial-Diagnostik von Retrovirus-Infektionen. Das aktuelle Leistungsangebot ist auf der Homepage des Instituts einzusehen (www.kgu.de/institute/zentrum-der-hygiene/medizinische-virologie/medizinische-virologie/nationales-referenzzentrum-fuer-retroviren/leistungsangebot.html) und umfasst ein breites diagnostisches Spektrum aus serologischen Antigen- und Antikörper-Nachweisen einschließlich Bestätigungsverfahren für HIV- und HTLV-Infektionen. Der quantitative Nachweis viraler RNA und proviraler DNA von HIV-1, HIV-2, HTLV-1 und HTLV-2 sind ebenso Bestandteil des diagnostischen Programms wie die Untersuchung viraler Resistenzen oder des Tropismus.

Das Leistungsangebot des NRZ für Retroviren umfasst unter anderem:

Diagnostik

  • Serologische Diagnostik/Bestätigungsdiagnostik für HIV-1, HIV-2, HTLV-1/2
  • Molekularbiologische Diagnostik
    • quantitative Bestimmung der HIV-RNA und proviralen Viruslast (HIV-1/2)
    • quantitative Bestimmung der HTLV-DNA (HTLV-1/2)
  • HIV-Resistenz-Diagnostik
    • genotypische Resistenztestung (HIV-1/-2)
    • Beratung bei Therapieumstellung
  • HIV-1 Korezeptor-Tropismus Bestimmung
  • Aufklärung von HIV-Infektionsketten
  • Abklärung möglicher vertikaler Virustransmission (Mutter-Kind)
  • Isolierung von HIV und HTLV in Zellkultursystemen
  • Abklärung einer möglichen Krankheitsassoziation mit Retroviren, Produktsicherheit, Risikoabwägungen der Übertragung von Retroviren in der Xenotransplantation mittels Nachweis einer Reverse Transkriptase Aktivität  (SGPERT Assay).
  • Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und Qualitätssicherung
  • Beratung von Ärzten und Gremien des öffentlichen Gesundheitsdienstes zu Fragen der Diagnostik, Infektionsprävention (u.a. PEP-Leitlinien), Pathogenese und Therapie der HIV- und HTLV-Infektion
  • Interpretation unklarer klinisch-diagnostischer Befunde
  • Koordination von Ringversuchen zur HIV- und HTLV-Spezialdiagnostik
  • Evaluation und Mitentwicklung diagnostischer Testsysteme für HIV.

Es sei erwähnt, dass die Virusdiagnostik des Instituts seit dem Jahre 2000 nach DIN EN ISO 15189 akkreditiert ist. Das Institut ist zudem INSTAND-EQAS-Referenzstelle und Sollwert-Labor für die infektionsserologische und molekularbiologische Virusdiagnostik (INSTAND-Ringversuche) in Deutschland.

Neben den Tätigkeiten in der Diagnostik, Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und Qualitätssicherung erweitert das Institut derzeit seine Stammsammlung von HIV-Referenzstämmen, die für diagnostische Fragestellungen und Forschungsprojekte angelegt wird. Diese umfasst sowohl aus Patientenmaterial isolierte und in Zellkultur expandierte Isolate als auch molekulare Klone von Laborstämmen oder auch direkt aus Patientenmaterial angelegte Klone. Diese Stammsammlung wird auf der bestehenden Sammlung des Instituts für Medizinische Virologie in Frankfurt sowie des Instituts für Klinische und Molekulare Virologie in Erlangen aufbauen. Zusätzlich wird in Kollaboration mit international-ausgewiesenen Spezial-Laboratorien derzeit eine Sammlung ausgewählter HTLV-Isolate und proviraler Klone angelegt.

Forschung am Tiermodell

Das Institut für Medizinische Virologie an der Goethe- Universität Frankfurt am MainDas Institut für Medizinische Virologie an der Goethe- Universität Frankfurt am Main

Diese Aktivitäten des NRZ für Retroviren werden durch Grundlagen-orientierte, translationale und klinische Forschungsprojekte zu HIV komplementiert. In der Arbeitsgruppe von Prof. Keppler wird seit Jahren die Weiterentwicklung präklinischer Kleintiermodelle der HIV-Infektion verfolgt. Hier ist insbesondere ein transgenes Rattenmodell hervorzuheben, das bereits Beiträge zur Testung antiviraler Wirkstoffe, neuer Impfstoffkandidaten und Pathogenesefaktoren geleistet hat. Weiterhin werden molekulare und immunologische Aspekte der HIV-Pathogenese, insbesondere im Kontext der angeborenen antiviralen Immunität, untersucht. Die Funktion und Regulation von Restriktionsfaktoren, also zellulärer Proteine, die eine ausgeprägte antiretrovirale Aktivität haben können, sind aktuell im Fokus der Forschungsaktivitäten des NRZ für Retroviren. Hierbei sind insbesondere die Restriktionsfaktoren CD317/Tetherin und SAMHD1 zu nennen, deren Funktionen sowohl einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der HIV-Transmission als auch auf die Etablierung des latenten HIV-Reservoirs in ruhenden CD4 T-Zellen in vivo haben könnten. Die Nähe zur international-kompetitiven Grundlagenforschung und der allgemeinen Virologie ist für ein NRZ für Retroviren von großer Bedeutung, um neue Entwicklungen zu erkennen, diese rasch und kompetent umzusetzen und auch einen Forschungsanspruch zu dokumentieren.

Klinische Forschung

Seit der erste Fall von AIDS in Deutschland 1982 durch Internisten am Frankfurter Universitätsklinikum diagnostiziert wurde, ist die spezielle klinisch-diagnostische Expertise parallel zur HIV-Epidemie gewachsen. Aktuell werden jährlich ca. 5.000 Patienten durch den „Schwerpunkt Infektiologie“ im Haus 68 gemeinsam im Verbund der „Frankfurter HIV-Kohorte“ mit großen Schwerpunktpraxen im Stadtgebiet betreut. In enger und publikatorisch ausgewiesener Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Virologie, dem HIV-Center und dem Zentrum der Pharmakologie finden seit über 20 Jahren Untersuchungen insbesondere im Bereich der Therapieforschung in Frankfurt statt. Bis heute sind in der HIV/AIDS-Infektionsambulanz in Frankfurt weit über 200 klinische Studien durchgeführt worden. Der Fokus lag hierbei auf der klinischen Erprobung neuer antiretroviraler Substanzen, diagnostischer Methoden, therapeutischer Impfstoffe und alternativer Therapie-Strategien.

Durch die Erfahrungen aus Forschung, Diagnostik und klinischem Alltag – ermöglicht durch die enge Zusammenarbeit mit den klinischen Kollegen – sehen wir uns in der Lage, auf die vielfältigen Anfragen zum Thema Retroviren entsprechend zu reagieren und Hilfestellung bei unklaren Konstellationen liefern zu können.

Netzwerk

Leitende Mitarbeiter des Instituts für Medizinische Virologie (PD Dr. Regina Allwinn, PD Dr. Annemarie Berger, Prof. Holger F. Rabenau, PD Dr. Martin Stürmer) sind bereits seit vielen Jahren in verschiedenen klinisch-diagnostischen Kommissionen und Netzwerken zu HIV und assoziierten Themen in Deutschland aktiv. Dies ist ein wichtiger Aspekt für die Ausübung der vielschichtigen Aufgaben des NRZ für Retroviren.

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wird regelmäßig ein Retrovirologisches Bulletin als offizielles Publikationsorgan des NRZ für Retroviren herausgegeben. Hierin werden aktuelle wissenschaftliche und klinische Themen aus dem gesamten Spektrum der Retrovirologie für ein breites (Fach-)Publikum dargestellt. Dieses Bulletin ist an Ärzte, Betroffenenorganisationen, Fachgesellschaften, Behörden/Ämtern des öffentlichen Gesundheitssystems und interessierte Betroffene gerichtet. Damit führen wir auch die Tradition der Erlangener Kollegen fort.

Ziele des NRZ für Retroviren in den kommenden zwei Jahren sind u.a. die Organisation von Ringversuchen zur weiteren Qualitätssicherung in diagnostischen Einrichtungen und eine bessere Vernetzung der Deutschen Zentren für HIV/Retrovirologie in Forschung, Klinik und Diagnostik.

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