Betreutes Wohnen für Menschen mit HIV/AIDS in Berlin
Die ZIK-zuhause im Kiez gGmbH betreut in Berlin an mehreren Standorten Menschen mit HIV/AIDS oder einer chronischen Hepatitis C und versorgt sie mit einer angemessenen Wohnung und so mit einem Zuhause. ZIK hat Betreuungskonzepte entwickelt, die den unterschiedlichen Bedarf von Betroffenen Rechnung tragen. Die Minimalbetreuung ist für gesundheitlich weitgehend stabile Betroffene geeignet, die jedoch eine geringfügige aber kontinuierliche psychosoziale Unterstützung benötigen. Beim Betreuten Einzelwohnen können die Hilfeempfänger eine eigene Wohnung beziehen oder in ihrer alten bleiben, werden aber ergänzend durch eine feste Bezugsperson intensiver psychosozial betreut.
Manche Betroffene können oder wollen nicht mehr alleine leben. Für sie ist das Betreute Gemeinschaftswohnen die richtige Alternative. Sie leben alleine in einem Appartement und nutzen Gemeinschaftsräume mit anderen Bewohnern der jeweiligen Einrichtung oder sie bewohnen gemeinsam eine Wohnung. ZIK leistet dabei intensive Betreuung und vermittelt im Bedarfsfall ambulante Pflege.
Betroffene, die neben der psychosozialen Betreuung auch ambulante Pflege brauchen, können diese auch in ihrer Wohnung oder – bei hohem Unterstützungsbedarf – in speziellen Pflegeappartements erhalten. Die Deutsche AIDS-Stiftung erwarb zwei Immobilien in der Reichenbergerstraße in Berlin, um Angebote von ZIK, dem Projektträger, auf Dauer zu sichern.
Interview mit Doris Steimanis, Leiterin des ZIK-Hauses in der Reichenberger Straße 129
Frau Steimanis, können Sie „Ihr“ Haus kurz beschreiben?
Steimanis: Bei uns leben Menschen mit HIV/AIDS und jene, die neben HIV auch mit Hepatitis C infiziert sind. Zusätzlich haben sie eine körperliche Erkrankung und sind psychisch beeinträchtigt. Grundlage ihrer Betreuung sind die §§ 53, 54 SGB XII; Ziel ist die Stabilisierung und Verbesserung der gesundheitlichen und psychosozialen Situation. Die Mehrzahl der an AIDS erkrankten Bewohner sind methadon-substituierte Drogengebraucher bzw. homosexuelle Männer. Typisch ist eine Verbindung von Sucht mit psychischer Erkrankung. Unsere Klienten werden im ambulanten Betreuten Wohnen versorgt. Im Gegensatz zu einer stationären Einrichtung, bei der Bewohner 3-mal täglich Mahlzeiten sowie ein „Taschengeld“ erhalten, kümmern sich unsere Bewohner selbst darum. Sie verfügen über 384 € Grundsicherung und stehen mit ZIK in einem Untermiet-Verhältnis. Grundvoraussetzung dafür ist der Betreuungsbedarf.
Wie ist die Bewohner-Struktur ?
Steimanis: Es leben 23 Personen in Apartments, vier auf einer „Pflegeetage“, die an den ambulanten Pflegedienst FELIX untervermietet ist. Die Wohnungen verfügen über eigene Klingeln und sind für sich abgeschlossen. Auf der „Pflegeetage“ werden Menschen versorgt, die mindestens die Pflegestufe II haben. Idee dahinter war, dass Klienten, denen es schlechter geht, nicht wegziehen müssen. Von den 27 Bewohnern sind drei Frauen. Ihr Altersdurchschnitt liegt bei 50 Jahren, der älteste Bewohner ist 60 Jahre alt.
Doris Steimanis im Arbeitsgespräch mit den ZIK-Mitarbeitern Maike Singer und Robert Kliem
Fotos @AV-Factory
Wie und durch wen werden die Bewohner betreut?
Steimanis: Bei uns arbeiten insgesamt neun Sozialarbeiter, Erzieher, Psychologen und ein Hauswirtschafter; acht in Teilzeit. Nachts werden wir von sechs Studenten unterstützt, um eine 24-stündige Versorgung zu gewährleisten. Jeder Bewohner wird für die psychosoziale Betreuung nach einem individuellen Behandlungs- und Rehabilitationsplan eingestuft. Dieser umfasst die vier Bereiche Selbstversorgung, Tagesgestaltung, Arbeit und Krankheitsbewältigung. Der Plan hilft uns zu sehen, in welchen Bereichen die Bewohner welche Art der Unterstützung benötigen. Zur Tagesgestaltung bietet ZIK ein Gruppenfrühstück oder Beschäftigungsmöglichkeiten gegen eine geringe Aufwandsentschädigung an, wie im Kiez-Café Orangerie oder in der ZIK-Einrichtung in der Lützow-Straße. Dort gibt es Koch- und Backgruppen oder Gärtner- und Handwerksgruppen. Die Arbeitszeit ist individuell. Jeder arbeitet so lange, wie es ihm gesundheitlich möglich ist. Wir zeigen den Bewohnern Strategien auf, wie sie ihre Sucht bewältigen können und sich bei aufkommenden psychischen Problemen am besten verhalten. Aufklärung und Beratung über Hepatitis C gehören ebenfalls mit in den Bereich der Krankheitsbewältigung.
Wie verhält es sich mit der Pflege?
Steimanis: Da wir eine ambulante Wohneinrichtung sind, werden die Bewohner durch einen ambulanten auf HIV spezialisierten Pflegedienst betreut, der je nach Bedarf mehrmals täglich zu ihnen kommt. Das Pflegepersonal hilft den Bewohnern bei der Grundpflege, bei der Behandlungspflege, wie bei Medikamentengabe und -aufsicht oder Wundversorgung. Je nach körperlicher oder psychischer Verfassung der Klienten übernimmt der Pflegedienst auch die Raumpflege. Die Leistungen werden durch das Grundsicherungsamt oder bei vorliegender Pflegestufe von der Krankenkasse bezahlt.
Wieviel Pflege benötigt ein Bewohner pro Tag?
Steimanis: Dies variiert von Person zu Person – und von Monat zu Monat. Es gibt Bewohner, zu denen der Pflegedienst nur kommt, um die Einnahme von HIV-Medikamenten und Psychopharmaka oder Substitut zu überwachen. Andere benötigen intensivere Betreuung. Einer unserer Bewohner wird aufgrund von offenen Wunden und einer Lungenkrankheit täglich von einer Krankenschwester versorgt. Hinzu kommen Medikamentengabe dreimal am Tag und Hilfe im Haushalt, da er nicht einkaufen, kochen und putzen kann. Ein weiterer Bewohner sitzt im Rollstuhl und muss in der „Pflegebadewanne“ gewaschen werden, da es in den Wohnungen nur Duschen gibt. Für ihn wird ebenfalls geputzt und eingekauft.
Welche Schwierigkeiten treten im Umgang mit den Bewohnern auf?
Steimanis: Unsere Klienten haben soziale Probleme, häufig ein niedriges Bildungsniveau und häufig keine Ausbildung. Wenn sie zu uns kommen, sind ihre Probleme so massiv, dass sie nicht mehr alleine leben können. Einige sind ehemalige Drogengebraucher, die sich mit HIV infiziert haben. Sie leiden häufig an psychischen Problemen, teilweise seit der Kindheit. Andere hören Stimmen oder fühlen sich verfolgt. Sie können zwar ihren Alltag organisieren, sind aber psychisch sehr angeschlagen und unterstützungsbedürftig. Andere Bewohner sind in der Vergangenheit straffällig geworden, haben Schulden oder sind mietsäumig. Bei ZIK gibt es Regeln, wie beispielsweise Verbote von Drogen, Gewalt oder Diebstahl. Ab und an passiert dies jedoch und dann müssen wir schauen, dass das Zusammenleben wieder sozialverträglich wird.
Was ist für Sie das Betreute Wohnen der Zukunft?
Steimanis: Für die Zukunft hoffe ich, dass der Sozialstaat nicht abgebaut wird, der unsere Arbeit finanziert.
Wenn die ZIK-Klienten alt und pflegebedürftig werden, benötigen sie spezielle Altenpflege. Aufgrund ihres Lebenslaufs unterscheiden sie sich von anderen Alten. Sie sind so anders, dass man sie nicht mit anderen 80-Jährigen zusammen tun kann: beispielsweise hören sie laute Musik. Da passen herkömmliche Pflegeeinrichtungen nicht zum Bedarf. Wenn die Betreuung durch uns endet, brauchen sie eine Versorgungsform, die es bisher nicht gibt. FELIX plant in der Reichenberger Straße Pflege-Apartments. Dieses neue Modell, das sich an die Arbeit „unserer Pflegeetage“ orientiert, ist vielleicht das der Zukunft. Dort können Menschen leben, die soziale Unterstützung nicht mehr benötigen, aber pflegebedürftig sind. Die Versorgung und Pflege würde durch FELIX erfolgen.
Frau Steimanis, vielen Dank für das Gespräch.
Bitte unterstützen Sie uns, damit wir auch in Zukunft bedürftigen Menschen mit HIV und AIDS helfen können:
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