Ergebnisse des Laborsentinels
Chlamydia trachomatis in Deutschland

Chlamydia trachomatis sind sehr häufig vorkommende sexuell übertragbare Infektionen. Ein Laborsentinel, an dem zur Zeit 23 Labore teilnehmen und mehr als zwei Millionen Tests seit 2008 durchführten, ergab einen hohen Positivenanteil unter jungen Frauen. Die Ergebnisse rechtfertigen das Screening für Frauen unter 25 Jahren. Das vorhandene Laborsentinel soll ausgebaut werden, um eine kontinuierliche, solide Datenbasis zu erhalten, insbesondere sollen verstärkt Daten zu Männern gewonnen werden. Die Daten sollen auch dazu dienen, zielgerichtete Interventionsmaßnahmen zu initiieren.

Infektionen

Infektionen mit Chlamydia trachomatis (Serogruppen D-K) gehören zu den häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen weltweit.1,2 Seit Ende der 90er Jahre ist ein Anstieg der Infektionen sowohl in den USA und Kanada als auch in Großbritannien und den nordischen Ländern beobachtet worden.3-6 Urogenitale Chlamydien-Infektionen verlaufen bei Männern in etwa 50% und bei Frauen in etwa 80% der Fälle asymptomatisch und bleiben daher oft unerkannt.7 Zusätzlich stellen Chlamydien-Infektionen ein erhöhtes Risiko für eine HIV-Infektion dar.8, 9

Für Chlamydien besteht ausschließlich im Bundesland Sachsen eine Labormeldepflicht gemäß § 2 IfSGMeldeVO. In Sachsen wurde eine deutliche Steigerung der gemeldeten Chlamydien-Infektionen beobachtet, nämlich von 26,3 Infektionen/100.000 Einwohner im Jahr 2003 auf 102/100.000 im Jahr 2012.10

Chlamydien-Infektionen sind mit Antibiotika gut behandelbar. Als Präventionsmaßnahmen der möglichen schwerwiegenden Folgeerscheinungen sind die frühzeitige Erkennung und Behandlung der Chlamydien-Infektionen von großer Bedeutung. Seit 1995 wird schwangeren Frauen sowie Frauen vor einem geplanten Schwangerschaftsabbruch ein kostenloser Chlamydien-Test als Screening angeboten. Seit 2008 können aufgrund eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) auch Frauen unter 25 Jahren im Rahmen eines opportunistischen Screenings mittels Nukleinsäureamplifikationstest (NAT) auf Chlamydien untersucht werden.11 Bei Männern wird ein Chlamydien-Test lediglich bei Vorhandensein von Symptomen von den Krankenkassen erstattet.

Wegen der allgemeinen epidemiologischen Situation als auch der Screening-Empfehlungen ist es notwendig, über eine solide kontinuierliche Datenbasis zum Auftreten von Chlamydia trachomatis in Deutschland zu verfügen. Daher wurde 2010 ein Chlamydia trachomatis-Laborsentinel etabliert, um die Prävalenz der Chlamydien-Infektionen in Deutschland sowie die Abdeckung des Screenings für Frauen unter 25 Jahren besser abschätzen zu können.

Methoden

Aus einer Befragung aller Labore in Deutschland konnten Labore ermittelt werden, die eine Chlamydien-Diagnostik anbieten und Interesse an einer Teilnahme in einem Laborsentinel bekundet hatten. So konnten bis jetzt insgesamt 23 Labore für das Laborsentinel rekrutiert werden.

Abb. 1 Anteil der Untersuchungen nach Labor
Abb. 1 Anteil der Untersuchungen nach Labor

Das Chlamydien-Laborsentinel sammelt retrospektiv (seit 2008) und prospektiv anonymisierte Daten zu allen durch-
geführten Chlamydien-Tests mit Test-Ergebnissen und patientenbezogenen Informationen bei teilnehmenden Laboren. Diese Daten werden elektronisch einmal im Quartal von den Laboren ans RKI übermittelt.

Folgende Variablen werden von allen Laboren übermittelt: Probennummer, Patientennummer, Labor-Untersuchungsdatum, Geschlecht, Geburtsjahr der Patientin/des Patienten, Testergebnis.

Weitere optionale Variablen konnten von den Laboren zusätzlich ans RKI übermittelt werden: Untersuchungsdatum beim Arzt/der Ärztin (Probenentnahme-Datum), 3-stellige Postleitzahl des Wohnortes der Patientin/des Patienten oder des Einsenders, Geburtsmonat der Patientin/des Patienten, Krankenversicherung, Probenmaterial, Testgrund, Ziffern des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM-Ziffer), Schwangerschaft, Testmethode, Angaben zum Pooling-Verfahren und zur Poolgröße.

Weitere für die Analyse relevante Variablen wie z.B. Bundesland, Stadt/Landkreis, Alter des Patienten wurden zusätzlich im RKI berechnet/ermittelt. Der Untersuchungsgrund wurde entweder aus der Variable Testgrund oder der EBM-Ziffer abgeleitet.

Es wurde die Anzahl der insgesamt durchgeführten Tests pro Quartal nach Geschlecht berechnet. Weiterhin wurden die Anzahl und der Anteil der positiven Tests nach Altersgruppe ausgewertet. Zur Auswertung der kategorialen Variablen kamen absolute und relative Häufigkeiten zum Einsatz. Für den Zeitverlauf wurde die Anzahl der Proben sowie der Positivenanteil pro Quartal berechnet. Für die Auswertungen im Zeitverlauf wurden nur Daten aus Laboren verwendet, deren Datenübertragung vollständig für den gesamten betrachteten Zeitraum ist (1. Quartal 2008 - 4. Quartal 2013). Die Auswertung der Chlamydien-Untersuchungsdaten fand mit IBM SPSS Statistics 20 und STATA 11 statt. Ein Teil der Daten wurde dann mittels Microsoft Excel 2010 graphisch dargestellt. Die Erstellung der Karten fand mit RegioGraph Analyse der GfK GeoMarketing GmbH statt.

Abb. 2 Regionale Verteilung aller getesteten  Proben pro 100.000 Einwohner anhand der  übermittelten Postleitzahl und Standort des  Labors
Abb. 2 Regionale Verteilung aller getesteten Proben pro 100.000 Einwohner anhand der übermittelten Postleitzahl und Standort des Labors

Für alle Auswertungen wurden Untersuchungen und nicht Personen ausgewertet. So können mehrere Untersuchungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten von einer Person in die Auswertungen einfließen.

Ergebnisse

Datenstand

Zwischen Januar 2012 und 29. April 2014 lieferten 23 Labore Daten, die durch Plausibilitätskontrollen verifiziert und mit Datenstand 1. März 2014 ausgewertet werden konnten. Von diesen Laboren hatten 12 Labore Daten für den kompletten Zeitraum von 2008 bis 4. Quartal 2013 übermittelt.

Es wurden von den 23 teilnehmenden Laboren Informationen zu insgesamt 2.965.874 Chlamydien-Tests übermittelt. Untersuchungsdaten aus Laboren, die Daten für den kompletten Zeitraum von 2008 bis 2013 übermittelt haben, machen 67,7% (2.274.669) aller Untersuchungen aus und wurden in die Auswertungen für den Zeitverlauf einbezogen.

Untersuchungen aus den sechs größeren Laboren machten 81% aller übermittelten Untersuchungen aus (Abb. 1).

Es wurden 93,1% (2.762.438) der Untersuchungen bei Frauen und 6,2% (184.771) bei Männern durchgeführt. Bei 0,6% (15.317) aller Untersuchungen fehlten Angaben zum Geschlecht und bei weiteren 0,1% (18.665) wurde die Variable „Geschlecht“ als nicht plausibel betrachtet.

Regionale Verteilung

Bei insgesamt 2.671.850 (90,1%) Proben wurde eine korrekte Postleitzahl übermittelt. Wie die Übersichtskarte zeigt (Abb. 2), bestehen erhebliche regionale Unterschiede. Die Anzahl der Untersuchungen (auf die Jahre 2008-2013 bezogen) per 100.000 Einwohner variiert nach Bundesland zwischen 400 und 22.934/100.000.

Anzahl der Chlamydien-Tests im Zeitverlauf

Abb. 3 Anzahl der Chlamydien-Tests pro Quartal nach Geschlecht, 2008 - 2013  (Daten aus 12 Laboren, die Untersuchungsdaten für den gesamten Zeitraum übermittelten)
Abb. 3 Anzahl der Chlamydien-Tests pro Quartal nach Geschlecht, 2008 - 2013 (Daten aus 12 Laboren, die Untersuchungsdaten für den gesamten Zeitraum übermittelten)

Abb. 4 Altersverteilung der Proben von Frauen und Männern, 2008-2013 (Daten aus 23 Laboren)
Abb. 4 Altersverteilung der Proben von Frauen und Männern, 2008-2013 (Daten aus 23 Laboren)

Abb. 5 Verteilung des Positivenanteils von Proben von Frauen nach Untersuchungsgrund und  Alter, 2008-2013 (Daten aus 23 Laboren)
Abb. 5 Verteilung des Positivenanteils von Proben von Frauen nach Untersuchungsgrund und Alter, 2008-2013 (Daten aus 23 Laboren)

In den Jahren 2012 und 2013 wurden die höchsten Untersuchungszahlen berichtet. Die Anzahl der Untersuchungen
erhöhte sich zwischen 2008 und 2013, sowohl bei Frauen als auch bei Untersuchungen bei Männern (Abb. 3).

Altersverteilung der Proben von Frauen und Männern

Das mediane Alter der untersuchten Frauen zum Zeitpunkt der Untersuchung lag bei 26 Jahren (IQR 21-32) und bei Männern bei 33 Jahren (IQR 26-43). Bei einem Drittel (30%) der untersuchten Proben waren Frauen zum Zeitpunkt der Untersuchung 20-24 Jahre alt. Die Altersverteilung der untersuchten Proben zeigt Abbildung 4.

Positivenanteil bei CT-Untersuchungen

Der Positivenanteil der insgesamt untersuchten Proben im gesamten Zeitraum war 3,9% (108.576/2.762.438) bei Frauen und 10,7% (19.715/184.771) bei Männern. Bei Frauen zeigten sich die durchwegs höchsten Positivenanteile bei 15-19 (6,8%) und 20-24 (5,9%) jährigen Frauen. Bei den Männern zeigten sich die höchsten Positivenanteile bei den 15-20 (15,1%), den 20-24 (18,6%) und den 25-29 (14,5%) jährigen Männern.

Der Positivenanteil von Proben bei den Frauen unterschied sich je nach Grund für die Untersuchung. Der höchste Positivenanteil wurde bei Frauen, die im Rahmen des Screenings für Frauen unter 25 Jahren untersucht wurden, gefolgt von Frauen, die aufgrund von Beschwerden untersucht wurden, gefunden (5,0%
bzw. 4,8%). Der höchste Positivenanteil innerhalb einer Altersgruppe wurde bei den 15-19 Jährigen Frauen im Rahmen des Screenings aufgrund einer Schwangerschaft gefunden (10,1%) (Abb. 5).

Zusammenfassung und Diskussion

Im Rahmen des Chlamydien-Laborsentinels wurden 2.965.874 Daten zu Untersuchungen von 23 teilnehmenden Laboren für den Zeitraum vom 01. Januar 2008 bis zum 31.Dezember 2013 geliefert. Die Proben stammten aus allen
Regionen Deutschlands und konnten dadurch weitgehend die Chlamydien-Untersuchungen in Gesamtdeutschland darstellen. Im Vergleich zu den anderen Regionen war die Anzahl der Untersuchungen pro 100.000 Einwohner in Baden-Württemberg jedoch mindestens dreimal niedriger. Dadurch ist die Aussagefähigkeit der durch das Chlamydien-Laborsentinel erhobenen Daten für Baden-Württemberg limitiert.

Screeening-Programm macht sich bemerkbar

Im Zeitverlauf wurde eine Zunahme der Anzahl der Untersuchungen besonders unter Frauen beobachtet, was durch die Einführung des Screening-Programms für Frauen unter 25 Jahren erklärt werden könnte. Es könnte jedoch auch durch das Wachstum der teilnehmenden Labore erklärbar sein. Laut Information aus den Laboren ist der Anstieg zwischen 2008 und 2009 zumindest zum Teil auf Veränderungen im Einzugsbereich der Labore oder auf neue Einsender zurückzuführen. Darüber hinaus wurde vermutet, dass der Anstieg der Probenanzahl von 2008 auf 2009 zum Teil darauf zurückzuführen sein könnte, dass 2008 noch Schnelltests in den Praxen verwendet wurden. Der Anstieg der Anzahl der Proben hat sich in den letzten Jahren verlangsamt und scheint sich zu stabilisieren.

Es wurde ein hoher Positivenanteil bei Proben von Frauen zwischen 15 und 24 Jahren sowie Männern zwischen 15 und 29 Jahren beobachtet. Aus Daten der KiGGS und DEGS wurden Prävalenzen von 4,4% bei sexuell aktiven 15 bis 17-jährigen und 4,5% bei sexuell aktiven 18-19-jährigen Frauen geschätzt, (DEGS – unveröffentlichte Daten).12,13 Der in Deutschland beobachtete Positivenanteil ist vergleichbar mit den Daten aus anderen Europäischen Ländern.14-17 Die durchwegs höheren Positivenanteile unter Männern können dadurch erklärt werden, dass Männer nur getestet werden, wenn Symptome vorliegen, während Frauen zusätzlich aus dem Anlass Screening für Frauen unter 25 Jahren sowie Screening in der Schwangerschaft getestet werden. Der hohe Positivenanteil unter jungen Frauen rechtfertigt das Screening für Frauen in dieser Altersgruppe. Ohne die Screening-Untersuchung wären die Infektionen bei diesen Frauen unentdeckt geblieben und hätten zu späten Komplikationen führen können.

Der Aussagewert der Auswertung ist dadurch limitiert, dass über 80% der Daten von sechs größeren Laboren übermittelt wurden. Daher sind die Auswertungen durch die größeren Labore stärker beeinflusst und repräsentieren das von ihnen untersuchte Klientel und Einzugsgebiet mehr als das der kleineren Labore. Da das Einzugsgebiet der meisten dieser großen Labore jedoch ganz Deutschland umfasst, ist ein regionaler Einfluss auf die Daten gering.

Das Laborsentinel konnte durch die Verfügbarkeit eines robusten Datensatzes von über 2 Million Proben detaillierte Auswertungen gewährleisten. Die Erhebung aller Untersuchungsdaten ermöglichte es, die Positivenanteile zu schätzen und unterschiedliche Gruppen zu vergleichen. Die Daten ermöglichten die Gewinnung eines besseren Überblicks über Chlamydien-Infektionen in Deutschland.

Laborsentinel wird ausgebaut

Sowohl wegen der epidemiologischen Situation als auch der Screening-Empfehlungen ist es notwendig, über eine kontinuierliche solide Datenbasis zum Auftreten von Chlamydien in Deutschland zu verfügen. Um dies zu ermöglichen, wird das bereits vorhandene Laborsentinel fortgeführt und ausgebaut. Weitere Labore sollen rekrutiert und eine bessere Abdeckung in allen Regionen erreicht werden. Insbesondere sollen zusätzliche Daten aus Baden-Württemberg und verstärkt Daten von Männern gewonnen werden. Somit kann die Qualität und Repräsentativität der Daten noch weiter verbessert werden. Das repräsentative CT-Laborsentinel wird Informationen zu CT-Infektionen in Deutschland erfassen und die Beurteilung von zeitlichen Entwicklungen ermöglichen. Die Daten werden dazu dienen, Interventionsmaßnahmen zielgerichteter zu planen und zu evaluieren.


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