Maximilian Klar, Freiburg
Chlamydien-Infektion der Frau

Die sexuell übertragene Chlamydien-Infektion der Frau verläuft meistens asymptomatisch und heilt in etwa der Hälfte der Fälle nach einem Jahr spontan. Jedoch sind mögliche langfristige Folgen der Infektion Eileiter-Entzündungen mit tubaren Verklebung, Eileiterschwangerschaften und tubare Infertilität. Ein Chlamydien-Screening wird in vielen Ländern angeboten. Valide Untersuchungen zur Effektivität des Screenings stehen aber noch aus.

Wer ist betroffen?

Abb. 1 Purulente Zervizitis in der Kolposkopie.  Die Patientin hatte zusätzlich eine Urethritis,  und Leukozyten +++  im vaginalen Abstrich.  Selbst solche Infektionen der Zervix können  asymptomatisch  verlaufen, da die Cervix  uteri wenig innerviert  ist (mit freundlicher  Genehmigung von Prof.  Dr. Michael Runge).
Abb. 1 Purulente Zervizitis in der Kolposkopie. Die Patientin hatte zusätzlich eine Urethritis, und Leukozyten +++ im vaginalen Abstrich. Selbst solche Infektionen der Zervix können asymptomatisch verlaufen, da die Cervix uteri wenig innerviert ist (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Michael Runge).

In Deutschland werden sexuell übertragbare bakterielle Infektionen am häufigsten ausgelöst durch Chlamydia trachomatis, Neisseria gonorrhoeae und Treponema pallidum. Während die letzten beiden Bakterien häufiger in Hochrisikogruppen und bei Migranten auftreten, betrifft die genitale Chlamydien-Infektion alle Bevölkerungsgruppen und soziale Schichten in Deutschland. Die Punktprävalenz unter Adoleszentinnen im Alter von 15 und 17 Jahren wird in Deutschland auf 4,4% (95% Konfidenzintervall: 2,86-6,53) angegeben. Weltweit steigen die Prävalenzen in den letzten Jahren, möglicherweise als Folge der häufigeren Testung, der Implementierung von Screening-Programmen und sensitiverer Tests.

Ungeschützter vaginaler, analer und oraler Geschlechtsverkehr kann zu einer (Re-)Infektion einer Frau mit Chlamydia trachomatis führen. Eine aufsteigende Infektion mit den möglichen Komplikationen Adnexitis, tubare Verklebung,
Infertilität, Eileiterschwangerschaft und (selten) Perihepatitis kommt zustande, wenn die Bakterien in der Zervix persistieren (Abb. 1). Nachfolgend kann, häufig asymptomatisch, eine aufsteigende Infektion des Endometriums und der Tuben erfolgen. Zusätzlich können Chlamydien auch in Peritoneum und Harnröhre nachgewiesen werden, nicht
jedoch in der Vagina oder an den Eierstöcken. Diese Kenntnis ist aus zwei Gründen wichtig: Zum einen sind kommerzielle Tests, die zum Selbst-Screening durch Einlegen eines Streifens in die Scheide angeboten werden, kritisch zu sehen. Zum anderen können „Eierstockentzündungen“ nicht von Chlamydien ausgelöst werden, im schlechtesten Fall entsteht eine „Eileiterentzündung“.

Welche Zellen sind befallen?

Abb. 2  PapanicolauAbstrich mit  Nachweis von  intrazellulären  Retikulozyten  in zervikalem  Epithel bei Chlamydien-Infektion  (mit freundlicher  Genehmigung  von Prof. Dr.  Michael Runge).
Abb. 2 PapanicolauAbstrich mit Nachweis von intrazellulären Retikulozyten in zervikalem Epithel bei Chlamydien-Infektion (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Michael Runge).

Chlamydia trachomatis infiziert Epithelzellen im Auge und im Genitaltrakt (Abb. 2). Auch wenn die Konsequenzen der nicht-geheilten genitalen Chlamydien-Infektion gut beschrieben sind, ist weiterhin unklar, welche Mechanismen konkret zu dem Zellschaden im Eileiter führen. Aufgrund der Schwierigkeit, Histologien von den infizierten Tuben der betroffenen Frauen zu gewinnen, werden Mausmodelle benutzt, um die Pathogenese besser zu verstehen. In diesen Tierstudien zeigte sich, dass die Triebkraft hinter der Infektion eine Entzündungsreaktion der nicht-immunen, frisch-infizierten Epithelzellen ist. Hierbei spielen Proteinasen, Zytokine und der toll-like-receptor 2 (TLR2) eine wichtige Rolle. Diese und andere Mediatoren aktivieren letztendlich Monozyten, T- und B-Zellen. Die T-Zell-vermittelte Antwort ist auch aufgrund der intrazellulären Aktivität der Chlamydien der hauptsächliche Fokus der aktuellen Chlamydien-Forschung. Tatsächlich scheint die CD4 Th1-vermittelte-Antwort der wichtigste Mechanismus der Immunreaktion zu sein. Aktuelle Studien untersuchen, wie CD4 Th1-Zellen die Entzündungsreaktionen hemmen können und welche Rolle molekulare pathways für die Fibrose-Reaktion haben können.

Was bedeutet eine Chlamydien-Infektion für …

eine nicht-schwangere Frau?

In einer systematischen Übersichtsarbeit wurde die Prävalenz der pelvic inflammatory disease (PID) nach unbehandelter Chlamydien-Infektion zwischen 0-30% geschätzt. Nach Diagnose einer PID entwickeln bis zu 20% der Frauen eine tubare Sterilität. Es wird weiter geschätzt, dass 0,1-6% der Chlamydien-positiven Frauen eine extrauterine Schwangerschaft (EUG) entwickeln. Trotz diese Zahlen konnten kausale Zusammenhänge zwischen Chlamydien-Infektion und PID/EUG bisher nicht gezeigt werden.

Die Therapie einer Chlamydien-Infektion besteht aus einer Einmalgabe von 1 g Azithromycin. Alternativ kann Doxicyc-lin 100 mg zweimal täglich für sieben Tage gegeben werden, allerdings müssen hier mit häufigeren und schwereren Nebenwirkungen gerechnet werden. Bei Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen dieser Medikamente kann die Gabe von Ofloxacin (200 mg zweimal täglich) oder Amoxicillin 500 mg dreimal täglich für sieben Tage erwogen werden. Schwangere Frauen sollten Erythromycin 500 mg viermal täglich für sieben Tage oder zweimal täglich für 14 Tage bekommen. Bei Nebenwirkungen oder Unverträglichkeit ist auch hier die Gabe von Amoxicillin 500 mg dreimal täglich für sieben Tage möglich. Es ist zu beachten, dass in der Schwangerschaft Doxicyclin (Verfärbung der Milchzähne, wahrscheinlich Einschränkung des Knochenwachstums) und Ofloxacin (eventuell Knorpelschäden des Fetus) kontraindiziert sind.

... eine schwangere Frau?

Eine Infektion in der Schwangerschaft kann in ca. 60-70% der Fälle zu einer Infektion des Neugeborenen führen. Eine häufige Folge sind Konjunktivitiden der Neugeborenen, seltener kann die Aspiration von Sekret während der Vaginalgeburt zu einer schweren Pneumonie führen. Weitere beschriebene Assoziationen von Chlamydien-Infektionen in der Schwangerschaft sind Frühgeburten, vorzeitiger Blasensprung und kindliches Untergewicht.

den Partner der Frau?

Man kann davon ausgehen, dass 57-75% der Chlamydien-positiven Patientinnen auch positive Partner haben. Damit stellt sich die Frage nach der adäquaten Information und Therapie des Partners, denn nur so kann das Risiko der Re-Infektion gesenkt und eventuell die weitere Transmission an anderen Menschen verhindert werden. Tatsächlich herrscht aber eine Kontroverse darüber, wie weit die Partner-Behandlung und -Information reichen soll. Es ist davon auszugehen, dass in der ärztlichen Praxis die Partnerbehandlung häufig vernachlässigt wird. Wahrscheinlich starten Partner eher eine eigene Therapie, wenn sie von einem Arzt als von ihrem erkrankten Partner informiert werden. Einige kontrollierte klinische Studien aus den USA konnten die Überlegenheit der sogenannten expedited-partner therapy (EPT) zeigen. Jedoch ist die Stigmatisierung der Erkrankung häufig ein Hindernis für Arzt und Patientin, eine adäquate Information und Therapie des Partners zu erreichen. Valide Daten zur besten Kommunikations-Strategie stehen aus.

die Gesellschaft?

Das Ziel eines Chlamydien-Screenings (s.u.) ist die Reduktion der Erkrankungs-bedingten Morbidität, nicht Mortalität. Dies macht ökonomische Kalkulationen schwierig, denn Kosten-Effizienz-Analysen von Screening-Initiativen sind u.a. abhängig von akkuraten Schätzungen der Komplikationen, die durch Chlamydien hervorgerufen wurden. So sind die Schätzungen zur Inzidenz der PID, die tatsächliche Einschränkung der Lebensqualität durch beispielsweise chronischen Unterbauchschmerz durch Chlamydien (auch Arbeitsausfälle) und die Kosten durch Behandlung von PID, EUG Schwangerschaften oder tubärer Infertilität eher vage. Diese Variablen sind, auch durch den schwer erfassbaren natürlichen Verlauf einer Chlamydien-Infektion, schwer zu erheben.

Allgemein benutzen die meisten Kosten-Effizienz-Analysen als outcome Kosten pro quality adjusted life years (QALY). In diesen Studien konnte gezeigt werden, dass ein Chlamydien-Screening mit diesem outcome auf Basis der nationalen Kostenschwellen kosteneffizient sein kann. Jedoch sind weitere Schätzungen notwendig, um das tatsächlich implementierte Screening beurteilen zu können. Einige Autoren gehen auch davon aus, dass die Komplikationen, die durch Chlamydien verursacht sind, überschätzt werden. So wurde früher die Inzidenz des PID nach Chlamydien-Infektion deutlich höher als heute eingeschätzt. Es ist wichtig zu wissen, dass jede
Überschätzung der Komplikations-Inzidenz auch zu einer Überschätzung des Erfolgs des Screenings führt.
Lösungsansätze zur dieser Problematik könnten mathematische Modelle sein, die der Dynamik der Infektion Rechnung tragen und in gut angelegten randomisiert-kontrollierten Studien zum Einsatz kommen.

Bessere Kontrolle?

Der optimale Ansatz zur besseren Kontrolle von Chlamydien-Infektionen ist weiter in Diskussion. Prinzipiell können alle klinisch tätigen Ärzte, die mit Jugendlichen und jungen Frauen zu tun haben, sowie viele weitere im Gesundheitswesen Berufstätige gut in die Chlamydien-Kontrolle einbezogen werden. Sinnvolle Prävention kann primär (Aufklärung über Chlamydien und über Schutz beim Geschlechtsverkehr, bevor eine Chlamydien-Infektion auftritt), sekundär (prompte Therapie, bevor die Komplikationen der Infektion auftreten) oder tertiär (adäquate Therapie der Chlamydien-Adnexitis, bevor sekundäre Komplikationen wie tubäre Sterilität oder Eileiterschwangerschaften auftreten) erfolgen.

Der Fokus der Chlamydien-Kontrolle liegt in den letzten Jahren hauptsächlich auf der sekundären Prävention durch das Screening. Da die meisten Infektion asymptomatisch ablaufen, bietet das Labor-Screening die Möglichkeit, eine sekundäre Prävention effektiv zu betreiben und Infektionen zu behandeln, die sonst unbemerkt zu Komplikationen führen könnten. Angesichts der häufig zitierten WHO-Kriterien für Screening-Maßnahmen, scheint es sinnvoll, Risikopopulationen zu screenen. Allerdings stellen sich bei genauerer Betrachtung Fragen nach der richtigen Altersgrenze, ob auch junge Männer gescreent werden sollten und ob ein organisiertes Screening sinnvoller als ein opportunistisches ist.

Screening international

WHO – Kriterien für ein sinnvolles Screening

  1. The condition sought should be an important health problem.
  2. There should be an accepted treatment for patients with recognized disease.
  3. Facilities for diagnosis and treatment should be available.
  4. There should be a recognizable latent or early symptomatic stage.
  5. There should be a suitable test or examination.
  6. The test should be acceptable to the population.
  7. The  natural  history  of  the  condition,  including  development  from  latent  to  declared  disease, should be adequately understood.
  8. There should be an agreed policy on whom to treat as patients.
  9. The cost of case-finding (including diagnosis and treatment of patients diagnosed) should be economically balanced in relation to possible expenditure on medical care as a whole.
  10. Case-finding should be a continuing process and not a “once and for all” project.

Aus: Wilson JMG, Jungner G. Principles and practice of screening for disease. Geneva: WHO; 1968.
Available from: http://apps.who.int/iris/handle/10665/37650

In manchen Ländern wird das Screening angeboten, meist mit einer festgelegten Altersgrenze. So wird in den USA werden im Rahmen des National Infertility Prevention Program (NIPP) seit 1990 auf Chlamydien getestet. In Kanada wird empfohlen, dass alle Frauen unter 25 Jahren getestet werden. In England versucht das National Chlamydia Screening Programme 35% der Frauen zwischen 15 und 24 Jahren zu screenen. In Dänemark, Norwegen und Schweden gibt es hingegen ein opportunistisches Screening Programm. In Australien werden Acreening Initiativen noch getestet.

Einige Autoren gehen davon aus, dass die responserate nach Einladung zum Screening bei Adoleszentinnen (organisiertes Screening) niedrig sein wird. Ob diese Hypothese zutrifft, ist bisher allerdings nicht untersucht worden.

Ein opportunistisches Screening ist in England (nationales Programm), Dänemark, Estland, Lettland, Island, Schweden und Norwegen eingeführt worden. Zwei Pilotstudien aus England konnten den Erfolg dieser Screening-Methode durch hohe Raten an Partizipation, Detektion und Therapie nachweisen.

Screening in Deutschland

In Deutschland findet seit 1995 ein Chlamydien-Screening für schwangere Frauen statt. Eine Auswertung von 75.000 schwangeren Frauen zeigte maximale Prävalenzen um 8% bei schwangeren Frauen unter 21 Jahren und in der Gesamtpopulation eine Prävalenz von 1,9%. Die Infektionsraten fielen mit zunehmendem Alter kontinuierlich.

In Deutschland wird seit 2008 sexuell aktiven Frauen unter 25 Jahren ein Chlamydien-Screening angeboten (NAT, pooling von 5 Urinproben) und unter bestimmten Voraussetzungen von den Krankenkassen erstattet.

Screening bei Männern

Bisher liegen keine randomisiert-kontrollierte Studien zur Beurteilung der Effektivität des Chlamydien screenings bei jungen Männern vor. Das Center of Disease Control (CDC) empfiehlt jedoch ein Screening in männlichen Risikopopulationen und für Männer, die schon wegen Chlamydien behandelt wurden.

Nach den CDC-Leitlinien sollten alle HIV-Positiven für Chlamydien initial und nachfolgend mindestens jährlich getestet werden, solange sie sexuell aktiv sind. Ein häufigeres Screening (drei- bis sechsmonatlich) wird für HIV-Positive mit zusätzlichen Risikofaktoren (beispielsweise multiple oder anonyme Sexpartner, intravenöser Drogenabusus, stattgehabte sexuell übertragbare Erkrankung) empfohlen.

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