Alexander
Kreuter, Oberhausen
Chlamydien-Infektionen
beim Mann
Chlamydia trachomatis ist ein gram-negatives, obligat intrazelluläres Bakterium von einer Größe von etwa 0,2 Mikrometer.1 Je nach Serotyp kann Chlamydia trachomatis unterschiedliche Erkrankungen auslösen. So verursachen die Serovare A, B/Ba und C das Trachom, eine nicht-sexuell übertragene, schwere Form der Konjunktivitis, die überwiegend in tropischen Regionen vorkommt und bis zur Erblindung führen kann. Chlamydia trachomatis der Serovare D bis K werden überwiegend sexuell übertragen, es ist jedoch auch eine Übertragung während des Geburtsvorganges von Mutter auf Kind möglich. Hierbei entsteht die neonatale Chlamydien-Konjunktivitis, die in der Hälfte der Fälle auch zu begleitenden nasophyaryngealen und pulmonalen Infektionen führt.2 Im Folgenden wird auf Chlamydien-induzierte Erkrankungen eingegangen, die bei HIV-positiven Männern häufig vorkommen.
Urogenitale und anale Infektionen durch die Serovare D bis K
Die
nichtgonorrhoische Urethritis kann durch eine Vielzahl
unterschiedlicher Erreger (z.B. Mycoplasma genitalium, Ureaplasma
urealyticum, Streptokokken der Serogruppe A und B, Trichomonas,
Enterokokken) verursacht werden. Überwiegend ist jedoch Chlamydia
trachomatis verantwortlich. Neben der sexuellen Übertragung ist
prinzipiell auch eine Übertragung durch Schmierinfektion möglich.
Nach einer Inkubation von 1 bis 3 Wochen kommt es zu einer Rötung
und Schwellung des Meatus urethrae sowie glasigem bis eitrigem
Ausfluss, der von Juckreiz, Brennen, Dys- und Pollakisurie begleitet
sein kann. Klinisch kann man nicht unterscheiden, ob eine Urethritis
durch Gonokokken oder Chlamydien ausgelöst wird.
Abb. 1 Klinisches Bild einer durch Chlamydien ausgelösten Proktitis. Es zeigt sich eine flammende Rötung der gesamten Mukosa des distalen Rektums.
Mindestens 50% der Urethritiden beim Mann verlaufen asymptomatisch, bei Frauen liegt die Rate asymptomatischer Infektion sogar bei bis zu 80%.3 Die Prävalenz von Chlamydia trachomatis bei jungen immunkompetenten Männern zwischen 24 und 29 Jahren beträgt in Deutschland etwa 5%, bei HIV-positiven Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), ist sie jedoch deutlich höher (18% in einer 2013 veröffentlichten Studie aus San Diego, USA).4-6 Aufsteigende Infektionen beim Mann können eine Epididymitis und Prostatitis verursachen, die dann sehr häufig zu Symptomen wie Fieber und Schüttelfrost führen. Anale Chlamydien-Infektionen verlaufen überwiegend asymptomatisch, es kann jedoch auch zu Symptomen wie analen Missempfindungen, Tenesmen, Schmerzen, Stuhldrang oder Gefühl der inkompletten Defäkation kommen. Auch analer Ausfluss bzw. Schleimauflagerungen auf dem Stuhl können auftreten (Abb. 1). Orale Infektionen sind quasi immer asymptomatisch.
Therapie
Als Methode der Wahl zum Nachweis von Chlamydia trachomatis gelten Nukleinsäure-Amplifikationstests (NATs), die größtenteils auf PCRs basieren. Die Diagnostik erfolgt in der Regel aus Urin oder Abstrichmaterial. Die Standardtherapie der Chlamydien-Infektion durch die Serovare D bis K besteht nach European IUSTI/WHO Guideline von 2010 in der Gabe von Doxycyclin 100 mg zweimal täglich oral für 7 Tage oder alternativ einmalig 1 g Azithromycin oral.7
Lymphogranuloma venereum
Das Lymphgranuloma venereum (LGV) ist eine durch Chlamydia trachomatis der Serovare L1 bis L3 verursachte sexuell übertragbare Erkrankung, die vor 2004 überwiegend in der Äquatorregion vorkam. Seither wurde ein endemisches Auftreten von LGV bei HIV-positiven MSM in Großstädten der westlichen Welt beobachtet.8 Dabei kommt am häufigsten der Serovar L2b vor.
In Abhängigkeit von der Progression der Erkrankung werden drei klinische Stadien unterschieden. Im Primärstadium (Stadium der Inokulation) imponiert ein oftmals komplett symptomloses, kurzzeitig bestehendes Ulkus, das bei intra-analer Lokalisation fast nie erkannt wird. Im Sekundärstadium kommt es zu einer Invasion von Chlamydia trachomatis in die Submukosa, wo eine akute ödematöse Entzündung entsteht. Durch den Befall der Lymphbahnen entwickelt sich eine Lymphadenopathie, aus der fluktuierende Abszesse resultieren können, die für die Erkrankung charakteristische Bubo-Formation. In dieser Phase der Erkrankung bestehen dann auch häufig systemische Beschwerden. Im Tertiär- oder Spätstadium können durch die auftretende Fibosierung irreversible Komplikationen wie Strikturen der Urethra und des Analkanals bis hin zum Megakolon entstehen. Durch persistierende lymphatische Ödeme kommt es schließlich zur Destruktion der Lymphbahnen mit bei genitalem Befall daraus resultierender Elephantiasis.9
Abb. 2 Klinisches Bild eines schweren Lymphogranuloma venereum. In der hochauflösenden Anoskopie bestehen putride, tiefreichende Ulzerationen des gesamten Rektums.
Das
LGV manifestiert sich bei HIV-positiven MSM durch ungeschützten
rezeptiven Analverkehr fast ausschließlich anorektal (Abb. 2). In
der Regel wird die Diagnose erst im Sekundärstadium gestellt, das im
Gegensatz zu einer analen Infektion mit Chlamydia trachomatis der
Serovare D bis K durch schwere Proktitiden mit blutig-eitrigem
Ausfluss,
Tenesmen, analen Schmerzen und Konstipation
gekennzeichnet ist. Aufgrund der retroperitonealen Lokalisation der
drainierenden Lymphknoten wird die Lymphadenopathie in der rein
klinischen Untersuchung bei analem LGV übersehen. In dieser Phase
der Erkrankung wird das LGV nicht selten als chronisch entzündliche
Darmerkrankung fehldiagnostiziert und entsprechend behandelt.10
Um die Diagnose eines LGV sicherzustellen, sollte nach positiver NAT eine Identifizierung des Genotyps durch spezifische PCRs erfolgen. Diese Untersuchung wird jedoch aktuell noch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland getragen und wird zudem nur von Speziallaboren angeboten.
Die
Therapie des LGV erfolgt nach der European IUSTI/WHO Guideline zum
Management des LGV von 2013 mit
Doxycyclin 100 mg zweimal täglich
oral für 21 Tage (Therapie der ersten Wahl) oder alternativ mit
Erythromycin 500 mg viermal täglich oral für 21 Tage.11
Chlamydien-induzierte Arthritis
In seltenen Fällen kann Chlamydia tachomatis eine Infekt-reaktive Arthritis verursachen, die in der Rheumatologie als Chlamydien-induzierte Arthritis und im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch als SARA (sexuell akquirierte/erworbene reaktive Arthritis) bezeichnet wird.12 Valide Daten zur Prävalenz dieses seltenen Syndroms insbesondere bei HIV-positiven MSM fehlen. Klinisch kommt es nach der Infektion mit Chlamydia trachomatis zunächst zu einem beschwerdefreien Zeitraum, dann zu einer akuten Arthritis, wobei oftmals große Gelenke der unteren Extremitäten (z.B. Knie, Sprunggelenke oder Zehengelenke) betroffen sind. Klinisch kann die Chlamydien-induzierte Arthritis durch weitere charakteristische Hautveränderungen wie Keratoderma blenorrhagicum, Balanitis circinata, Aphthen und Onychopathie begleitet werden.
Die Behandlung der Chlamydien-induzierten Arthritis besteht, nach suffizienter gezielter Antibiose, in der Gabe von nicht-steroidalen Antiphlogistika und Glukokortikosteroiden. Bei chronischen Verläufen können Immunsuppressiva wie Sulfasalazin, Methotrexat oder Azathioprin notwendig werden.
Die Symptomentrias aus Urethritis, Konjunktivitis und Arthritis, oft durch Chlamydien-Infektionen des Darmes oder der Harnwege ausgelöst, wurde früher als Reiter-Syndrom bezeichnet. Aufgrund der NS-Vergangenheit des Berliner Arztes Hans Reiter wird heutzutage vorgeschlagen, als Ersatz den Begriff Infekt-reaktive Arthritis zu verwenden.
Praktisches Vorgehen bei HIV-positiven Männern
Infektionen durch Chlamydien kommen bei sexuell aktiven HIV-positiven Männern häufig vor, wobei der Anteil komplett asymptomatischer Infektionen sehr hoch ist. Entsprechend der European IUSTI/WHO Guideline von 2013 zum Management der Proktitis, Proktokolitis und Enteritis sollten bei allen Männern mit rezeptiven Analverkehr innerhalb der letzten 6 Monate unabhängig von klinischer Symptomatik anale Abstriche auf Gonokokken und Chlamydien durchgeführt werden.13 Bei positivem Chlamydien-Nachweis anal sollte bei HIV-positiven MSM eine weiterführende Identifizierung des Genotyps in Erwägung gezogen werden, da bei LGV eine längere antibiotische Behandlung erfolgen muss.
Zusammenfassung
- Chlamydien sind weltweit die häufigsten Verursacher von sexuell übertragbaren Erkrankungen
- Chlamydia trachomatis der Serovare D bis K verursacht beim Mann überwiegend nicht-gonorrhoische Urethritiden und Proktitiden
- Chlamydia trachomatis der Serovare L1 bis L3 verursacht das Lymphogranuloma venereum
- Bei HIV-positiven MSM tritt das Lymphogranuloma venereum überwiegend im Anorektalbereich auf und kann unbehandelt zu schweren Komplikationen führen
- Die Standardtherapie der „klassischen“ Chlamydien-Infektion (Serovare D bis K) erfolgt mit 100 mg Doxycyclin zweimal täglich oral für 7 Tage
- Das Lymphogranuloma venereum muss für mindestens 21 Tage mit Doxycyclin behandelt werden
- Regelmäßige Screenings werden bei allen sexuell aktiven Patienten empfohlen
1 Ruettger A, Feige J, Slickers P, et al. Genotyping of Chlamydia trachomatis strains from culture and clinical samples using an ompA-based DNA microarray assay. Mol Cell Probes. 2011;25:19-27.
2 Hammerschlag MR, Cummings C, Roblin PM, Williams TH, Delke I. Efficacy of neonatal ocular prophylaxis for the prevention of chlamydial and gonococcal conjunctivitis. N Engl J Med. 1989;320:769-72.
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4 Desai S, Meyer T, Thamm M, Hamouda O, Bremer V. Prevalence of Chlamydia trachomatis among young German adolescents, 2005–06. Sex Health. 2011;8:120-2.
5 Haar K, Bremer V, Houareau C, et al. Risk factors for Chlamydia trachomatis infection in adolescents: results from a representative population-based survey in Germany, 2003-2006. Euro Surveill. 2013;18.20562.
6 Carpenter RJ, Refugio ON, Adams N, et al. Prevalence and factors associated with asymptomatic gonococcal and chlamydial infection among US Navy and Marine Corps men infected with the HIV: a cohort study. BMJ Open. 2013;3. e002775.
7 Lanjouw E, Ossewaarde JM, Stary A, Boag F, van der Meijden WI. 2010 European guideline for the management of Chlamydia trachomatis infections. Int J STD AIDS. 2010;21:729-37.
8 White JA. Manifestations and management of lymphogranuloma venereum. Curr Opin Infect Dis. 2009;22:57-66.
9 van der Ham R, de Vries HJ. Lymphogranuloma venereum, where do we stand?: clinical recommendations. Drugs Today (Barc). 2009;45:39-43.
10 Soni S, Srirajaskanthan R, Lucas SB, Alexander S, Wong T, White JA. Lymphogranuloma venereum proctitis masquerading as inflammatory bowel disease in 12 homosexual men. Aliment Pharmacol Ther. 2010;32:59-65.
11 De Vries HJ, Zingoni A, Kreuter A, Moi H, White JA. 2013 European guideline on the management of lymphogranuloma venereum. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2014 Mar 24. doi: 10.1111/jdv.12461. [Epub ahead of print].
12 Bell C, Brook G, Jones K, et al. Management of sexually acquired reactive arthritis in 19 North Thames GUM clinics. Int J STD AIDS. 2004;15:195-8.
13 De Vries HJ, Zingoni A, White JA, Ross JD, Kreuter A. 2013 European Guideline on the management of proctitis, proctocolitis and enteritis caused by sexually transmissible pathogens. Int J STD AIDS. 2013;25:465-474.