20.
WeltAidsKonferenz
vom
20.-25. Juli 2014 in Melbourne, Australien
Im
Fadenkreuz: Das Ende der HIV-Epidemie
Die WeltAidsKonferenz wurde überschattet vom Abschuss des Fluges MH17. Anfangs war von über 100 Kongressteilnehmern im Flugzeug die Rede, tatsächlich waren sechs der Todesopfer auf dem Weg nach Melbourne. Unter den Opfern ist auch Joep Lange. Der Holländer war 2004 Präsident der WeltAidsKonferenz in Bangkok und engagierte sich für den weltweiten Zugang zur ART. Von ihm stammt der Satz „Wenn wir eine kalte Cola in den hintersten Winkel Afrikas bringen können, schaffen wir das auch mit HIV-Medikamenten“. Weitere Opfer sind Pim de Kuijer, STOP AIDS NOW!, Lucie van Mens und Maria Adriana de Schutter, AIDS Action Europe, Glenn Thomas, World Health Organisation und Jacqueline van Tongeren, Amsterdam Institute for Global Health and Development. „Aus Respekt vor dem Engagement der Opfer“ fand die Konferenz nach einer Trauerminute in der Eröffnungssitzung wie geplant statt.
Die Stimmung der 13.600 Kongressteilnehmer aus 200 Ländern im Verlauf der nächsten Tage war gedämpft, sicherlich auch aufgrund des Flugzeugabsturzes. Hinzu kam, dass bei der Heilung die große Hoffnung „Mississippi-Baby“ geplatzt war und bei den klinischen Studien keine Überraschungen oder Trendwenden zu verzeichnen waren. Auch das Thema Prävention und Therapie für alle hat an Sprengkraft verloren. Sehr vieles ist erreicht worden. Aktivisten, Wissenschaftler und Politiker aus Nord und Süd ziehen heute an einem Strang. Die früher strenge Teilung des Vorsitz bei den Sessions in Wissenschaft und Community gibt es nicht mehr.
90/90/90
Zentrale
Themen der 20. WeltAidsKonferenz waren erneut der weltweite Zugang zu
Therapie und Harm Reduction sowie der Kampf gegen Diskriminierung und
Stigmatisierung. Das neue Motto für 2020 lautet 90/90/90. Gemeint
ist damit 90% weniger HIV-Infektionen, 90% weniger Stigma und
Diskriminierung und 90% weniger HIV-Tote. Dadurch könne man – so
die Berechnungen von UNAIDS – die HIV-Epidemie bis 2030 stoppen.
Noch ist man weit von diesem Ziel entfernt. Selbst wenn 2013 so viele
Menschen wie noch nie in einem Jahr mit der ART starteten (nämlich
2 Millionen) und etwa 10 Millionen behandelt werden, sind das
weltweit nicht einmal 40% aller Menschen mit Therapie-Indikation. Der
Bedarf ist also noch groß und steigt noch weiter, das internationale
Geld fließt aber spärlicher. Diese Lücke soll laut UNAIDS durch
weitere Kosteneinsparungen sowie durch nationale Zuschüsse
geschlossen werden.
Prävention
Abb. 1 iPrEX OLE: 100% Adhärenz nicht nötig
Ein Weg zu weniger Neu-Infektionen ist nach den neuesten WHO-Empfehlungen die Intensivierung der Prävention bei „Key-Populations“ (früher Risikogruppen). Damit gemeint sind MSM, Drogengebraucher, Trans-Frauen und Sexarbeiter. Für diese Gruppen hat die WHO – genauso wie die amerikanische CDC – die PrEP (Prä-Expositionsprophylaxe) als eine Option empfohlen. Der europäischen Gesundheitsbehörde reicht für eine solche Empfehlung die Datenlage noch nicht aus. Dabei zeigt die Studie iPrEX-Ole, dass gerade bei schwulen Männern und transgender Frauen mit hohem HIV-Risiko das Interesse und die Adhärenz am höchsten ist. Die Einnahme von 4 und mehr Tabletten Tenofovir/Emtricitabin pro Wochen schützt sie wirksam vor HIV und die Einnahme von 2-3 Tabletten pro Woche verminderte das HIV-Risiko immerhin noch um 84% (Abb. 1) (Grant RM et al., TUAC0105LB).
Nuke-frei Nicht mit Maraviroc OD
Abb. 2 MODERN. Ansprechen zu Woche 48
Abb. 3 MODERN. Patienten mit virologischem Versagen (PDTF: Time of Failure)
Abb. 4 Therapeutisches und virologisches Ansprechen VF = Virologisches Versagen (beobachtet VF Blips)
In der großen Studie MODERN wurde der Backbone Maraviroc 150 mg OD vs. Tenofovir/Emtricitabin geprüft jeweils in Kombination mit Darunavir/r. 797 therapienaive Patienten nahmen an der Untersuchung teil, die vorzeitig abgebrochen wurde. Im Maraviroc-Arm hatten signifikant mehr Patienten versagt. Nach 48 Wochen lag die Viruslast bei 77% vs. 87% unter der Nachweisgrenze, wobei die meisten Patienten im niedrig virämischen Bereich versagt hatten (Abb. 2 und 3). Der Grund für das schlechte Abschneiden von Maraviroc einmal täglich ist unklar. Nach einer eloquenten Ausführung von Le Fevre, der die Studie vorstellte, kann es nicht ein zu niedriger Maraviroc-Spiegel sein, dafür sprächen die Daten aus früheren Studien. In MODERN habe man deshalb auf Spiegelmessungen verzichtet. Einen positiven Aspekt dieser Untersuchung gibt es aber doch noch: Der genotypische Tropismus-Test war genauso aussagekräftig wie der Trofile-Test und ein Tropismus-Switch wurde nicht beobachtet (Stellbrink HJ et al.,TUAB0101).
Eine weitere Studie mit ungünstigem Ausgang ist die HARNESS-Studie, in der supprimierte Patienten auf ATV/r plus Raltegravir umgestellt oder weiter mit ATV/r plus TDF/FTC behandelt wurden. Mehr Patienten im Raltegravir-Arm versagten, bei einem Patienten waren relevante Integrase-Mutationen nachweisbar (van Lunzen I et al., LBPE19).
Neues vom Backbone
Der Verzicht auf ein zweites NRTI im Backbone scheint dagegen zu funktionieren. Die GARDEL-Studie hat dies bereits mit LPV/r plus 3TC bei Therapienaiven gezeigt. Nun haben zwei spanische Gruppen das Konzept als Erhaltungstherapie untersucht. In den Studien OLE und SALT wurden jeweils mehr als 200 Patienten, die mehr als sechs Monate unter einer ART mit 2 NRTI als Backbone unter der Nachweisgrenze waren, auf Lopinavir/r plus 3TC oder FTC bzw. auf Atazanavir/r plus 3TC umgestellt oder mit PI/r plus 2 NRTI weiterbehandelt. Nach 48 Wochen erwies sich der PI/r in Kombination mit 3TC bzw. FTC als genauso wirksam und sicher wie die Kombination mit 2 NRTI (Abb. 4) (Gatell JM et al., LBPE17; Perez-Molina JA et al., LBPE18). Ungeklärt ist bislang allerdings, ob dies Regime auch über viele Jahre hinweg besser ist und ob ein NRTI einen Vorteil gegenüber 2 NRTI bringt – abgesehen von den geringeren Kosten.
Second Line
In der Studie Second line wurde nach Versagen einer Firstline-Therapie mit NNRTI plus 2NRTI auf Lopinavir/r plus Raltegravir oder plus 2 NRTI umgesetzt. Beide Zweitlinien-Optionen waren gleichermaßen erfolgreich. Interessanterweise versagte die Therapie bei geringer NRTI-Resistenz häufiger als bei hoher Resistenz. Eine Erklärung könnte die bessere Adhärenz der Patienten mit weniger zukünftigen Optionen sein oder aber eine unzuverlässige Berechnung des Resistenz-Levels (Boyd M et al., TUAB0105LB).
Bekannte Probleme
Efavirenz hat Nebenwirkungen auf das zentrale Nervensystem. Das ist seit langem bekannt. Umstritten ist aber nach wie vor, ob dies auch bei Langzeitbehandlung der Fall ist. In einer Analyse wurde das Ergebnis der neurokognitiven Funktionsprüfung von 859 Patienten verglichen, die 2000-2013 an einem italienischen Zentrum untersucht wurden. Patienten unter Efavirenz schnitten nicht schlechter ab (Pinnetti C et al., THAB0101).
Tenofovir kann die Nierenfunktion beeinträchtigen und die Fixkombination Elvitegravir/Cobicistat/Tenofovir/Emtricitabin sollte nicht bei Patienten mit einer Kreatininclearance unter 70 ml/Min eingesetzt werden. Nun wurde die Kombination bei therapienaiven Patienten mit leichter Einschränkung der Nierenfunktion (eGFR 50-89 ml/Min) geprüft. 18% hatten eine eGFR von 60-70 und 15% von 50-60 ml/Min. 21% hatten eine Proteinurie. Es kam lediglich in den ersten vier Wochen zu einem leichten Abfall der Kreatininclearance. Kein Patient entwickelte ein relevantes Nierenversagen (Szwarcberg J et al., WEPE060).
Therapiewechsler versagen häufiger
Die kanadische CANOC-Kohorte wurde zu mehreren aktuellen Fragestellungen ausgewertet. Die Frage, ob STR (Single Tablet Regimens) wie Efavirenz/Tenofovir/Emtricitabin mit einem dauerhafteren Erfolg einher gehen als Regime mit mehreren Tabletten, wurde mit Nein beantwortet. Eine Aussage zu den neueren STR lässt sich daraus allerdings nicht ableiten, denn diese waren zum Zeitpunkt der Analyse noch nicht erfasst (Machouf N et al., WEPDB0103). Auch das Ergebnis der Analyse der Switch-Daten ist nicht ohne weiteres auf die tägliche Praxis übertragbar. Hier wurde ein 35% höheres Risiko für ein virologisches Versagen bei Therapiewechsel festgestellt. Rund 40% der Patienten wechselten ihre erste HIV-Therapie und zwar 14% einmal und 22% zwei – oder mehrmals. Grund für den Wechsel war häufig eine subjektive Unverträglichkeit und das kann auch ein Signal für Adhärenzprobleme sein (Hull M et al., TUAB0103).
Low Level Virämie
Tab. 1 VACH-Kohorte : Viruslast zwischen 20-50 K/ml nach einer Viruslast <20 K/ml ist kein Vorbote eines virologischen Versagens
Die spanische VACH-Studiengruppe beschäftigte sich mit der Bedeutung von niedrigen Virämien. Sie wertete Daten von über 21.000 Patienten aus. Das Ergebnis: Patienten, deren Viruslast einmal <20 Kopien/ml war, hatten selbst bei wiederholtem Anstieg der Viruslast bis zu <50 Kopien/ml im Vergleich zu Patienten mit konstant nicht nachweisbarer Viruslast <20 Kopien/ml kein höheres Risiko eines virologischen Versagens. Dagegen war das Risiko bei Patienten mit Werten >200 Kopien/ml klar erhöht. Risikofaktoren für ein virologisches Versagen waren CD4-Nadir, Transmissionsmodus und Dauer bis zu einer Viruslast <50 Kopien/ml (Tab. 1) (Teira R et al., TUAB0102).
Heilung
Heilung war auch auf dieser Konferenz ein wichtiges Thema und es gab (wie immer) im Vorfeld das „Towards a Cure“-Symposium für aktive Wissenschaftler. Leider gibt es keine Fortschritte zu vermelden, sondern Rückschläge. Die Forscher versuchten dennoch Optimismus zu verbreiten im Sinne von „Wir lernen viel aus den Misserfolgen“.
Der erste Rückschlag war der Virus-Rebound bei dem sogenannten Mississippi-Baby. Bei dem mittlerweile 4jährigen Kind war erneut HIV im Blut nachgewiesen und die antiretrovirale Behandlung wieder eingeleitet worden. Offenbar hat die frühe Therapie das HIV-Reservoir im Körper nicht komplett eradiziert. „Eine Zelle mit HIV reicht aus, um die HIV-Vermehrung wieder in Gang zu setzen“, meinte Steven Deeks, San Fransisco.
Eine eradizierende Frühtherapie scheint somit nicht möglich zu sein, zumal Tierexperimente zeigen, dass selbst eine ART drei Tage nachdem die Tiere infiziert wurden, trotz nicht nachweisbarer Viren in Blut sowie peripheren Zellen, den HIV-Rebound nach Absetzen der Therapie nicht verhindert.
Ein
weiterer Weg zur HIV-Eradikation, der geprüft wird, ist die „Shock
and Kill“-Strategie. Hier gelang es, latentes HIV durch den
HADAC-Inhibitor Romidepsin zu aktivieren. Das HIV-Reservoir wurde
jedoch nicht kleiner (Søgaard OS et al. TUAA0106LB). Es fehlt noch
der „Kill-Anteil“. Der dänische Forscher plant daher eine neue
Studie, in der
Romidepsin zusammen in einer therapeutischen
Vakzine (Vacc-4x) gegeben wird.
Remission
Angesichts
der Rückschläge auf dem Weg zur Eradiktion setzen die Forscher auf
die funktionelle Heilung, die seit dieser Konferenz „Remission“
genannt wird. Das Konzept der frühen Therapie wird weiter verfolgt,
z.B. bei den Neugeborenen, denn man hofft auf eine Remission, d.h.
längere körpereigene Viruskontrolle. Auch Deeks sieht trotz der
oben genannten Tierdaten eine Indikation für die unverzügliche
Behandlung der akuten HIV-Infektion. „Die Infektion bei Tieren
erfolgt durch mehrere Viren, beim Menschen bei sexueller Transmission
nur durch ein einziges Virus“, meinte Deeks. Und es gibt ja auch
noch die „Visconti-Patienten“. Zu dieser Patientengruppe wurden
keine neuen Daten vorgestellt, aber eine Kasuistik einer
argentinischen Patientin mit funktioneller Heilung
inklusive
HIV-Serokonversion nach siebenjähriger Behandlung einer
fortgeschrittenen HIV-Infektion (Urueña A et al., MOPE016).
HIV/Hepatitis-Koinfektion
Zwei Tage vor der WeltAidsKonferenz ging es beim International HIV/viral Hepatitis Co-Infection Satellite Meeting ganz explizit um die Hepatitis-Koinfektion. Hepatitis-assoziierte Komplikationen sind bei Koinfizierten immer noch die führende Todesursache, doch die Aussichten sind gut. Bei der Hepatitis B ist die Komplikationsrate bereits fallend und bei der Hepatitis C stehen effektive und nebenwirkungsarme Therapien vor der Tür.
Besonders gute Nachrichten gibt es bei der Hepatitis B-Koinfektion. Neuere Untersuchungen belegen, dass die Therapie der Hepatitis B im Rahmen der ART strukturelle Veränderungen der Leber verbessern kann und Fibrosen/Zirrhosen verhindert. Die Hepatitis-assoziierte Mortalität in der amerikanischen MACS-Kohorte war bis 2001 bei Hepatitis B-Koinfektion noch doppelt so hoch wie bei Hepatitis C-Koinfektion. In den Jahren 2001 bis 2010 ging die Sterblichkeit an beiden Virus-Hepatitiden schon deutlich zurück und ist jetzt bei Hepatitis B und C vergleichbar. Dennoch ist die Mortalität bei HIV/Hepatitis-Koinfizierten immer noch etwa dreimal so hoch wie bei HIV-Negativen.
Anale Dysplasie – erst mal beobachten?
In der australischen Studie SPANC (Study of the Prevention of Anal Cancer) wird derzeit der natürliche Verlauf von analen Dysplasien bei 600 Männern beobachtet. In einer Zwischenanalyse wurden nach einem Jahr die Daten von 450 MSM (durchschnittliches Alter 49 Jahre) ausgewertet. 30% davon sind HIV-positiv. Die HIV-Positiven hatten im Analabstrich gleich häufig (20% vs. 18%), in der Histologie allerdings deutlich häufiger schwere Dysplasien (HSIL) (40 vs. 27%). 45 Männer von den 197 Männern ohne HSIL bei Studienbeginn entwickelten im Lauf der Beobachtung eine schwere Dysplasie. Die Inzidenz wurde mit 16 Fällen/100 Personenjahren berechnet, das sind 6 Neuerkrankungen pro Jahr, wobei die Rate bei den HIV-positiven Männern doppelt so hoch war wie bei den HIV-negativen. Der Unterschied war aber statisch nicht signifikant. Eine Infektion mit HPV-16, HPV-18 oder einem anderen Hochrisiko HPV-Typ war wie erwartet mit einem höheren Risiko für hochgradige Dysplasien verbunden.
Normalerweise werden schwere Dysplasien gleich behandelt, d.h. entfernt. Im Rahmen der Studie wurde jedoch der weitere Verlauf ohne Therapie beobachtet. Bei der Hälfte der Männer (61/112) mit schwerer Dysplasie (HSIL) bei Studienbeginn bildete sich die Läsion im Lauf eines Jahres von alleine zurück und zwar unabhängig von HIV-Status und Alter. Der Autor der Untersuchung empfiehlt daher, hochgradige Läsionen zunächst zu kontrollieren und erst bei Persistenz zu behandeln (Grulich AE et al., WEAB0102).
Sprengstoff HCV-Therapie weltweit
Mehr Sprengstoff als HIV liefert derzeit das Thema Hepatitis C. Wie in alten Zeiten wurde ein Industriestand angegriffen und der Ruf nach Zugang für alle Patienten war bei jeder passenden Gelegenheit zu hören. Konzepte wurden allerdings noch nicht präsentiert. In den Sitzungen mit WHO-Vertretern wurde jedoch klar, dass das Problem erkannt und bereits in Arbeit ist. Im April 2014 hat die WHO erste Empfehlungen ausgesprochen. Danach sollte allen Menschen in Hochprävalenz-Ländern sowie Risikogruppen ein Antikörper-Test und ggf. eine HCV-PCR sowie ein APRI- oder FIB4-Test zur Fibrosemessung abgeboten werden. Als empfohlene Therapie werden alle derzeitigen Optionen genannt – ohne Berücksichtigung der Ressourcen, wie es in der Fußnote heißt. Und genau da liegt das Problem. Angesichts der vielen Vorträge nach dem Motto „Was haben wir von HIV gelernt?“, kann man davon ausgehen, dass auf den nächsten Kongressen erste politische Strategien vorgestellt werden.
Maximale Adhärenz erforderlich
Entscheidend für diese positive Entwicklung ist wohl die effektive Suppression der HBV-Replikation. Dies ist bei über 90% der Patienten mit Tenofovir erreichbar. Lamivudin bzw. Emtricitabin ist hier weitaus weniger effektiv. Prädiktiv für eine HBV-Viruslast <400 Kopien/ml bei Patienten, deren HIV-Viruslast <50 Kopien/ml lag, war vor allem eine Adhärenz von >95%, d.h. für eine effektive Suppression der HBV-Replikation scheint eine noch höhere Adhärenz als bei HIV nötig zu sein.
Eine höhere Rate an HBsAg-Serokonversionen bringt die bessere HBV-Suppression aber wohl nicht. Der HBsAg-Spiegel fällt bei HBeAg-positiven wie -negativen im ersten Jahr ab, bleibt dann jedoch im weiteren Verlauf konstant. Neuere Ansätze zur Therapie der Hepatitis B, auch im Sinne einer Eradikation der cccDNA, sind derzeit noch in frühen Phasen der Untersuchung.
Hepatitis C
Auch in Frankreich steht die Leber-assoziierte Mortalität bei HIV-Infizierten vor Krebs und Aids an erster Stelle. Ein positiver Trend durch die immer früher einsetzende antiretrovirale Behandlung hat sich hier noch nicht gezeigt. Insbesondere die Häufigkeit des hepatozellulären Karzinoms (HCC) mit unverändert schlechter Prognose ist sprunghaft angestiegen. Die chronische Hepatitis C schädigt aber nicht nur die Leber, auch Einschränkungen der Nierenfunktion sind zu beobachten, selbst bei Patienten mit komplett supprimierter HIV-Viruslast oder nach Lebertransplantation. Der Einfluss auf kognitive Funktionen wird dagegen kontrovers diskutiert. Neuere Studien zeigen keinen Zusammenhang von kognitiven Störungen mit dem HCV-Status.
Akute Hepatitis C
Ein spezielles Problem der westlichen Großstädte ist die akute Hepatitis C bei HIV-positiven MSM. Hier zeigt sich immer noch eine Zunahme und auch die Rate an Reinfektionen in „Hot Spots“ wie Berlin ist mit bis zu 25% beachtlich. Nach den gängigen Leitlinien wird die akute Hepatitis C mit dualer Therapie über 24 Wochen behandelt. Doch auch hier sind neue Optionen in Sicht. Die Telaprevir-basierte Tripletherapie über 12 Wochen, die Daniel Fierer, New York, in einer kleinen Studie untersuchte, wird wohl nicht die Therapie der Wahl werden. Derzeit prüft Fierer die Option Sofosbuvir/Ribavirin über 12 Wochen für jeden Genotyp. In Europa soll in einer NEAT-Studie Sofosbuvir/Ledipasvir über 6 Wochen untersucht werden. Bis zur Zulassung dieser Optionen ist es allerdings noch ein weiter Weg. Bis dahin bleibt für die Patienten mit sofortigem Therapiewunsch nur die duale Therapie. Zwei Drittel der Patienten wählen diesen Weg, darin sind sich alle Experten einig, denn die Hepatitis C ist bei schwulen Männern mit einem deutlich größeren Stigma verbunden als HIV.
Interferon-frei bei Koinfektion
Abb. 5 Turquoise-I: SVR-Raten
Abb. 6 PHOTON-2: SVR12 nach Genotyp und Zirrhose
Zur Therapie der chronischen Hepatitis C bei Koinfizierten wurden Daten zur Interferon-freien Therapie mit Sofosbuvir+Ribavirin sowie der 3DAA-Kombination+Ribavirin von Abbvie vorgestellt.
In der Studie TURQUOISE-1 wurden 63 Patienten mit GT1 12 bzw. 24 Wochen mit der Fixkombination ABT-450/r /Ombitasvir (1x1) und Dasabuvir (2x1) plus Ribavirin behandelt. 20% hatten eine Zirrhose, 30% waren vorbehandelt. Die SVR-Raten lagen bei nahezu 100% und die 12 Wochen-Therapie war genauso gut wie die längere Behandlung. Lediglich 2 Patienten haben virologisch versagt (1 Relaps, 1 Durchbruch) jeweils mit entsprechenden Resistenz-Mutationen (Abb. 5) (Sulkowski M et al, MOAB0104LB).
Sofosbuvir+Ribavirin hatte dagegen nicht in allen Subgruppen die SVR-Messlatte von über 90% genommen. Bei Patienten mit GT1 mit Zirrhose reichen selbst 24 Wochen Therapie nicht aus. Die SVR-Raten lag hier lediglich bei 65%. Deutlich besser schnitten erwartungsgemäß Patienten mit GT2 und GT4 und überraschend Patienten mit GT3 ab (Abb. 6). Insgesamt hatten 32/274 hatten virologisch versagt. In keinem Fall wurde die S282T-Resistenzmutation nachgewiesen. Bei 5 Patienten fand sich L159F. Diese Variante war bei Therapiebeginn nicht nachweisbar. Sie vermindert die Empfindlichkeit auf Sofosbuvir um den Faktor 1,5. Ob sie mit einer klinisch relevanten Resistenz verbunden ist, ist derzeit noch unklar (Molina JM et al., MOAB0105LB). Bei Genotyp 1 scheint die Option Sofosbuvir/Ledipasvir besser zu sein. In einer gepoolten Analyse der Daten von ION 1-3 (n=19529) hatten über 90% der HCV-Monoinfizierten mit GT1 nach 12 Wochen mit oder ohne Zirrhose die SVR erreicht (Sullkowski M et al., LBPE159).
HIV/Aids weltweit
Der Weg zum Ende von HIV führt über weltweite Therapie und Prävention, letzteres vor allem in den am stärksten betroffenen Gruppen.
In Abb. A erkennt man, dass gerade im südlichen Afrika und auch in Asien noch viel zu tun bleibt.
Abb. B zeigt die Verteilung von HIV in verschiedenen Bevölkerungsgruppen in geographischen Gebieten.
In Deutschland sind vor allem schwule Männer und Migranten aus Hochprävalenzländern betroffen. In Afrika sind es vor allem junge Frauen, in Asien Sexarbeiter, in Osteuropa Drogengebraucher, die HIV-infiziert sind.
Abb. A Prozent der behandelten HIV-Infizierten nach Ländern
Abb. B Häufigkeit der HIV-Infektion in verschiedenen Gruppen