Streiflicht
Das Jahr Null des Transparenzkodex –
Sieht so die neue Transparenz aus?
Vollverschleierung von Experten und Industriemitarbeitern garantiert Neutralität und schafft Volltransparenz.
© Quelle: wikipedia
HAART-Breaker hatte den EFPIA-Transparenzkodex kritisiert (HIV&more, Ausgabe III/2014), weil in der bilateralen Beziehung von pharmazeutischem Unternehmen und Arzt nur eine der beiden Interessensparteien Ziele definiert und Verpflichtungen ausgestaltet hat. So werden für jeden Arzt von der Industrie erhaltene Geldsummen exakt und namentlich offengelegt, während Gegenleistung und die Motivation der Industrie unerwähnt bleiben. Wer so viel von der anderen Seite einfordert, scheint es offenbar sehr ernst zu meinen mit den eigenen Zielen – könnte man glauben.
Doch kaum war der Transparenzkodex in Kraft getreten, da erhielt HAART-Breaker ihm bisher unbekannte Konstrukte von Angeboten zur Zusammenarbeit mit der Industrie.
Variante I: Statt des pharmazeutischen Unternehmens X lädt mit einer Email ein persönlich nicht bekannter Mitarbeiter einer ebenfalls bisher unbekannten Agentur Y zu einer bezahlten Vortragstätigkeit für eine ärztliche Fortbildung ein. Manches klingt vage, aber es werden konkrete Orte, Inhalte und Bedingungen genannt. Ganz am Ende wird erwähnt, dass die Agentur vom Unternehmen X unterstützt wird, welches den EFPIA-Kodex unterschrieben hat. Über die Motive, warum nicht – wie bei früheren Gelegenheiten gewohnte Praxis – einer der teilweise lange und persönlich bekannten Mitarbeiter des forschenden Arzneimittelherstellers X den Kontakt herstellt, kann nur spekuliert werden. Ein die Transparenz förderndes Motiv für diese neue Variante ist allerdings schwer vorstellbar.
Variante II: Ein Mitarbeiter einer ebenfalls bisher unbekannten Agentur lädt zum Honorar-dotierten deutschsprachigen Beraterboard im Kreise weiterer Spezialisten ein. Es wird das Thema genannt („Erfahrungsaustausch zu einer bestimmten Arznei-Indikation“), aber nicht, welchem Zweck die spezialärztliche Beratung einer „Agentur“ wohl dienen sollte. Die Vermutung liegt nahe, dass eine oder mehrere Arzneimittelfirmen diese Erfahrungen angeboten bekommen oder diese das Treffen sogar direkt in Auftrag gegeben haben. Ist das transparent? Selbst wenn der von einem teilnehmenden Arzt entgegen genommene Geldbetrag namentlich offengelegt würde, der eigentliche Geldgeber bliebe im Dunkeln.
Variante III: Eine – weitere, zuvor unbekannte – Agentur lädt zum honorierten Advisory Board ein. Diesmal ins Ausland und im Auftrag eines nam(?)haften forschenden Arzneimittelherstellers, dessen Name aber für die Experten geheim bleiben soll. Das Board aus internationalen Experten soll einem doppelblinden Konzept folgen: Weder die Experten wissen, welche Firma an ihrer Expertise teilhaben möchte, noch erfahren die nur akustisch zugeschalteten Vertreter des pharmazeutischen Unternehmens die Identität der Experten. Der doppelblinde Ansatz ist nur möglich, wenn die für den Transparenzkodex erforderliche datenschutzrechtliche Erklärung unterbleibt. Variante III dient daher offensichtlich ausdrücklich dem Zweck der Verschleierung und der Umgehung des eigenen Transparenzkodex.
Zeitpunkt,
Neuartigkeit und kreative Vielfalt dieser irritierenden Angebote für
eine Honorartätigkeit lassen Zweifel daran aufkommen, dass es sich
um reinen Zufall handelt. Es ist vielmehr nicht ganz auszuschließen,
dass der Trans-
parenzkodex
von seinen eigenen Schöpfern kreativ umgangen werden soll.
…und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar.
In diesem Sinne ganz verwundert verbleibt auch