Fatale Kalkulation mit dem Tod – Blutskandal „blutet“ nach
„Entschuldigt, dass ich noch lebe!“ – ein gemeinsamer Gedanke vieler Überlebender des Blutskandals und gleichsam ein provokanter Slogan für eine Kampagne, die genau diese Selbsterniedrigung zu vertreiben versucht. Eine Initiative von Betroffenen für Betroffene, gegründet in dem Jahr, mit dem sich Pharmakonzerne aus der finanziellen Verantwortung gegenüber den Opfern ihrer mutwillig begangenen Verbrechen stehlen. Von einst knapp 6.000 durch HIV u./o. HCV schwer beeinträchtigten Menschenleben werden bis heute nur HIV-Infektionen entschädigt. In 2016 geht es um noch 553 Personen (Primär- und Sekundärinfizierte sowie deren Kinder), von denen man einem Großteil ohne Gewissen aber mit Wissen das tödliche HI-Virus injizierte. Menschen, die in Anbetracht eines erschöpften Stiftungsfonds dazu genötigt sind, sich zur Wehr zu setzen für die Sicherung ihrer Existenz, um die sich ansonsten weder Pharmakonzerne und Blutspendedienste noch die Politik wirklich hätten kümmern wollen.
Kämpfen für Selbstverständliches
Während Betroffene durch die Therapien ihrer Infektionen sowie mit der Behandlung der oftmals zugrundeliegenden Hämophilie eine zuverlässige und lukrative Einnahmequelle für die Pharmaindustrie darstellen, werden sie von eben dieser zuverlässig im Stich gelassen. Was der Otto Normalverbraucher als selbstverständlich erachtet, müssen sie erkämpfen: lebenslange finanzielle Entschädigung, Einmalzahlungen um krankheitsbedingte Aufwendungen zu bestreiten, Rentenregelung mit entsprechender inflationärer Zahlungsanpassung. Nur schwer mag man sich vorstellen, dass in 21 Jahren (seit Inkrafttreten des HIV-Hilfegesetzes (HIVHG)) keinem dieser Punkte im Ansatz entsprochen, ja nicht einmal ein Gedanke daran verschwendet wurde. Ein Schwarzhumorist könnte hier ergänzen: „Selber schuld, ihr hättet ja nach Kalkulation der Verschuldenden 2004 schon alle tot sein sollen!“.
Deutschlandweites Auftreten
Die Kampagne mit Ursprung in Ulm, welcher ich den Namen „Blutskandal-Kampagne“ gab, hat es sich zur Aufgabe gemacht, deutschlandweite und politische Aufmerksamkeit auf die existentielle Notlage der Betroffenen zu lenken mit starken Partnern wie der DAH (Deutsche Aidshilfe), der IGH (Interessengemeinschaft Hämophiler) sowie der DHG (Dt. Hämophiliegesellschaft). Das Ziel: eine umfassende Änderung im HIVHG erwirken. Vor den Bundestagswahlen 2017 soll dazu dem Bundestagspräsidenten eine, von möglichst 50.000 Bürgern unterzeichnete Petition übergegeben werden. In mehreren großen Städten finden Informationsstände und Auftritte unter dem Slogan „Entschuldigt, dass ich noch lebe!“ statt, um Unterschriften und Spenden zu sammeln. Rundum wurden und werden lokale wie überregionale Medien, politische Personen und weitere Multiplikatoren animiert, die Kampagne durch Solidarisierung und Aktionismus zu unterstützen.
„Der Blutskandal hat noch 550 Gesichter“
Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit stellt das Herz der Kampagne dar – wird dem Thema HIV/AIDS doch immer noch mit Vorurteilen und Ignoranz begegnet, was dem Großteil der Opfer den Gang in die Öffentlichkeit erschwert. Die Kampagnen-Plattform www.michaeldiederich.de informiert umfassend über vergangene wie aktuelle Geschehnisse/ Termine und ermöglicht es, die Petition online zu unterzeichnen. Diese Initiative schafft zudem Mut und Hoffnung: Die ersten Betroffenen veröffentlichten hier ihre Lebens- und Leidensgeschichte. 553 Schicksale gestalten diesen Kampf, eine Kampagne gegen das Vergessen und für die Zukunft. Eine Kampagne, die eigentlich gar nicht erst erforderlich sein sollte, oder?
Spendenkonto:
AIDS-Hilfe Ulm/Neu-Ulm/Alb-Donau e.V.
Verwendungszweck: Bluter-Entschädigung
IBAN: DE45 6309 01 00 0001 4150 00
Es können Spendenbescheinigungen ausgestellt werden.