Interview Mit Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen Aids-hilfe, Berlin
PrEP – Mut zu neuen Wegen!
Armin Schafberger
Medizinreferent der
Deutschen Aids-hilfe, Berlin
DAIG, dagnä und DAH fordern gemeinsame Maßnahmen zur Einführung der PrEP in Deutschland. Welche Maßnahmen meinen Sie damit?
Armin Schafberger: Die PrEP mit Truvada® ist zugelassen und kann verschrieben werden. Der GBA, der normalerweise über die Erstattungsfähigkeit von Medikamenten entscheidet, hat darüber noch keinen Beschluss gefällt. Seit 30. November wissen wir auch aus einer E-Mail von Prof. Hecken, dem unparteiischen Vorsitzenden des G-BA, dass der G-BA für medikamentöse Prophylaxen nicht zuständig sei. Hier sehen wir eine Lücke im System. Es geht nicht, dass die Selbstverwaltung über Medikamente in der Therapie und über Impfungen Beschlüsse fällt, medikamentöse Prophylaxen aber ignoriert.
Hat die DAH, denn einen Vorschlag, wie der Weg aussehen könnte?
Armin Schafberger: Wir könnten uns eine Veränderung der Schutzimpfungsrichtlinie vorstellen. Darin wird festgelegt, welche von der STIKO empfohlenen Impfungen durch die GKV oder den Arbeitgeber oder die Versicherten selbst getragen werden müssen. Das gleiche sollte mit medikamentösen Prophylaxen geschehen.
Wer sollte denn Ihrer Meinung nach die Kosten für die PrEP tragen?
Armin
Schafberger: Da hat die
Deutschen AIDS-Hilfe eine klare Position: Der Preis für das
Medikament muss
runter und die Kosten sollten die Krankenkassen
übernehmen. Nur so wird die PrEP in Deutschland tatsächlich eine
Option.
Angenommen die PrEP wird von den Kassen finanziert und verschrieben, rechnen Sie mit einem Rückgang der HIV-Neuinfektionen?
Armin Schafberger: (lacht) Ich bin kein Prophet! Die PrEP ist ja nicht die einzige Einflussgröße auf die Diagnosezahlen. Sie ist bei uns ein wichtiger Baustein der Prävention für eine relativ kleine Gruppe. Aber HIV-Infektionen kommen ja nicht nur in dieser Gruppe vor. In Deutschland wird die PrEP die Prävention erweitern, aber nicht vom Kopf auf die Füße stellen. Ob es einen drastischen Rückgang der Infektionszahlen gibt – ich denke, eher nicht.
Wie steht es mit den sexuell übertragbaren Erkrankungen? Werden diese ansteigen?
Armin Schafberger: Die Zahl der STI steigt doch schon seit Jahren an und die PrEP wird wohl nicht zum Rückgang beitragen. Die Deutsche AIDS Hilfe hat deshalb schon viele Maßnahmen zur Prävention von STI initiiert, die Checkpoints weiten ihre Angebote seit Jahren aus. Seit diesem Jahr steht das Thema auch auf der Agenda des Gesundheitsministeriums und der BZgA. Unsere gemeinsamen Anstrengungen zielen auf Prävention und auf eine bessere Diagnostik.
Truvada® wird möglicherweise nicht das einzige Medikament zur PrEP bleiben. Eine neue Studie mit dem Truvada®-Nachfolger Descovy® läuft in den USA bereits. In Europa fordern Aktivisten einen Stopp der Studie. Was ist da der Hintergrund?
Armin Schafberger: Die DAH gehört nicht zu den Aktivisten, die einen Stopp der Studie fordern. Wir verstehen und teilen allerdings die Kritik. Diese beklagt in erster Linie die unzureichende Einbindung der Community in die Studie. Zudem könnten Probanden denken, sie hätten in der Studie eine sichere PrEP – aber Descovy® ist ja erst in der Erprobung. Anders als die Aktivisten denken wir aber, dass es in der Studienaufklärung gelingen sollte, diese Situation klarzustellen. In Europa stehen viele Männer schon auf der Warteliste. Wenn sich die Studie noch verzögert, werden die Plätze in den USA besetzt und wir haben wieder keine Daten aus Deutschland.
Nehmen wir einmal an, die PrEP mit Descovy® funktioniert und hat weniger Auswirkungen auf Niere und Knochen als Truvada®. Descovy® ist aber deutlich teuerer als Truvada®, das im nächsten Jahr sein Patent verliert. Was werden Sie empfehlen?
Armin Schafberger: Für mich ist der Fall klar. Ich orientiere mich an der Nutzenbewertung nach AMNOG und nicht an der Marketingstrategie der Pharmaindustrie. Descovy® wurde im Vergleich zu Truvada® bislang in der Therapie kein zusätzlicher Nutzen zugesprochen. Ob die geringen Unterschiede bei den gemessenen Laborwerten tatsächlich relevant sind, ist fraglich. Und ob neue Langzeitnebenwirkungen auftreten, weiß man auch nicht. Daher mein Plädoyer für ein bewährtes Medikament.
dagnä – deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der HIV-Versorgung
DAH – Deutsche AIDS-Hilfe
STIKO – Ständige Impfkommission beim RKI