Aasld, The Liver Meeting, Washingtoan, 20.-24. Oktober 2017
AASLD – Das Ende der
Fahnenstange
Hedskog C, et al. AASLD 2017, Washington DC. #210
Abb. 1 HCV zeigt eine große genetische Diversität. Neu
identifiziert: 19 Subtypen und GT8
Dieser amerikanische Leberkongress war anders. Das Ende der wissenschaftlichen Dominanz der Hepatitis C war deutlich spürbar. Und es waren deutlich weniger Teilnehmer. In den großen Sälen, die noch letztes Jahr bis auf den letzten Platz gefüllt waren, war nicht einmal jeder zweite Platz besetzt. Der Grund ist klar: es gibt keine Therapie-Studien mit neuen Medikamenten mehr (eine Ausnahme Grazoprevir/Elbasvir acht Wochen bei GT1b). Gleichzeitig haben die Real World Daten an Relevanz verloren. Die Regime, die dort abgebildet sind, werden kaum noch eingesetzt und die neuen Medikamente sind nicht einmal ein Jahr auf dem Markt. Dennoch gab es einige spannende Aspekte.
Neuer GT entdeckt!
Unter anderem wurden 19 neue HCV-Subtypen und ein ganz neuer Genotyp entdeckt. Zwei von 14.673 HC-Viren in der
Gilead Datenbank aus allen HCV-Studien zeigten kein bekanntes Muster und wurden als Genotyp 8 klassifiziert. Beide
Patienten stammten aus Indien. Die genetische Abweichung der Viren betrug lediglich 10%. (Abb. 1). Beide Patienten waren
nach acht Wochen Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir geheilt. (Hedskog C et al., #210).
Hill AM et al. J Virus Erad 2017; 3: 117-123
Abb. 2 Epidemiologie Hepatitis C weltweit.
Veränderung der Prävalenz in der DAA-Ära von 2016 bis 2017
Risikogruppen behandeln!
Naggie S et al., AASLD 2017
Abb. 3 SWIFT C: 8 Wochen Ledipasvir/Sofosbuvir bei
akuter Hepatitis C bei HIV-Infizierten. SVR12
Vom Ziel der WHO die Hepatitis C bis 2030 zu eliminieren, sind wir noch meilenweit entfernt! In Ressourcen-armen Ländern, insbesondere in Zentral- und Osteuropa steigt die Prävalenz dramatisch. In den Industrienationen ist dagegen teilweise ein erfreulicher Abfall zu verzeichnen (Abb. 2). Hier gilt es jetzt die sogenannten Risikogruppen zu erreichen und zu behandeln. Die höchsten Reinfektionsraten haben mit 4,2/100 Patientenjahre die Drogengebraucher und mit 7,3/100 Patientenjahren die HIV-positiven MSM. Um HCV bei den HIV-positiven MSM zu eliminieren, muss wie Christoph Boesecke und Kollegen (Boesecke C et al, #1050) errechneten, frühzeitig behandelt werden und eine Verhaltensänderung stattfinden. Leider ist derzeit kein DAA zur Behandlung der akuten Hepatitis zugelassen. Kleine Pilotstudien zeigen aber schon, wie es funktioniert: Bei der akuten HCV-Monoinfektion reichen 6 Wochen Ledipasvir/Sofosbuvir. Bei HIV-Koinfektion heilten 8 Wochen Ledipasvir/Sofosbuvir alle 27 Patienten (26 mit GT1, 1 mit GT4) (Abb. 3). Interaktionen mit der ART gab es nicht, allerdings wurde eine erhöhte Nierentoxizität bei TDF-basierter ART beobachtet (Naggie S et al.‚ #196).
Grazoprevir/Elbasvir 8 Wochen
Die einzige neue Therapiestudie war die Untersuchung von Grazoprevir/Elbasvir 8 Wochen bei therapienaiven Patienten mit Genotyp 1b. In einer früheren Arbeit war es in dieser Gruppe lediglich bei Patienten mit F3-Fibrose zum Relaps gekommen. Aus diesem Grund wurden in die Studie STREAGER nur Patienten mit nachgewiesener F0-2-Fibrose eingeschlossen, d.h. einem Fibroscan <9,5 kPA UND Fibrotest weniger als 0,59 bzw. Fibrometer weniger als 0,63. Gezeigt wurde eine Zwischenanalyse, die SVR12-Daten von 53 Patienten. Zwei Patienten hatten einen Relapse, wobei ein Patient nicht GT1b, sondern GT1e hatte. Die SVR12-Rate lag somit bei 98% (Abergel A et al., #LB-5). Dies ist ein Hinweis auf die Möglichkeit einer Therapieverkürzung, die endgültige Auswertung der Studie bleibt allerdings noch abzuwarten.
Es wurden auch noch zwei weitere neue Therapiestudien vorgestellt, die allerdings nur deshalb interessant sind, weil sie erklären, warum MSD und Janssen die weitere Entwicklung dieser DAA gestoppt haben. In der Studie C-BREEZE 2 von Merck/MSD mit Ruzasvir/Uprifosbuvir lag die SVR-Rate bei GT3 lediglich bei 76% (Lawitz E et al., #61). In der Studie Omega-1 der Firma Janssen Cilag erreichten durch Simprevir/Odalasvir/AL-335 Patienten nur 84% der Patienten mit GT2 die SVR12 (Zeuzem S et al., #65).
Gepoolte Daten
Flamm E et al., AASLD 2017
Abb. 4 SVR12 nach 8
oder 12 Wochen Glecaprevir/Pibrentasvir bei therapienaiven Patienten mit GT3. Analyse der Studien Phase 2/3
Gane E et al., AASLD 2017
Abb. 5 SVR12 nach 12 Wochen Glecaprevir/Pibrentasvir
bei kompensierter Zirrhose GT 1-6. Analyse der Studien Phase 2/3
Zur kürzlich zugelassenen Fixkombination Glecaprevir/Pibrentasvir wurden gepoolte Daten vorgestellt, die die Wirksamkeit der achtwöchigen Gabe bei naiven Patienten mit GT3 ohne Zirrhose untermauern: 95% (198/203 mITT) wurden geheilt (Abb. 4). Patienten mit Y93H wurden alle geheilt (13/13), von den Patienten mit A30K hatten 84% eine SVR12 (16/19), was aber keine statistische Signifikanz erreichte (Flamm S et al., #62). Naive GT3-Patienten mit Zirrhose wurden 12 Wochen behandelt. Vortherapierte GT3-Patienten – auch mit NS5A- und Proteasehemmer-Vorbehandelte – erhielten 16 Wochen Glecaprevir/Pibrentasvir. 97% (297/305 mITT) der Patienten wurden geheilt (Abb. 5). Fünf Patienten hatten GT1, drei Patienten GT3 und 2/8 Patienten mit virologischem Versagen waren mit NS5A bzw. PI vorbehandelt (Gane E et al., #74).
Auch zur Triplekombination Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir wurden gepoolte Daten der Zulassungsstudien POLARIS präsentiert. In den USA ist diese Kombination anders als in Europa nicht zur 8-Wochen-Therapie zugelassen. Dennoch wird sie auch hierzulande in erster Linie zur Behandlung von DAA-Versagern eingesetzt. Die gute Wirksamkeit bei dieser Indikation unterstrich die Analyse der POLARIS 1-Studie. Hier wurden 147 NS5A-vorbehandelte Patienten 12 Wochen behandelt, 62% mit Ledipasvir/Sofosbuvir und 89% hatten RAS. Alle bis auf vier GT1a-Patienten erreichten die SVR12. Zwei der Relapser hatten nach der Therapie neue RAS (Bourliere S et al., #1178).
Kohortendaten
Die Wirksamkeit von Sofosbuvir/Velpatasvir zeigen deutsche und amerikanische Kohorten. In der amerikanischen TARGET-Kohorte wurden 113 Patienten (72% Zirrhose, 66% vorbehandelt) mit Sofosbuvir/Velpatasvir plus Rivarin und 407 Patienten (28% Zirrhose, 17% vorbehandelt) ohne Ribavirin behandelt. Die SVR12 der Patienten mit GT1, 2 oder 3 lag bei 93% bzw. 97%. Einige Patienten hatten auch eine dekompensierte Zirrhose. 15 Patienten erhielten kein Ribavirin, 30 Patienten wurden zusätzlich mit Ribavirin behandelt. Die SVR12 lag in beiden Gruppen bei 93%. Ein gleiches Bild bei den Vorbehandelten: mit/ohne Ribavirin betrug die SVR12 89%/90% (Landis E et al., #1096). In der deutschen GECCO-Kohorte wurden von 148 GT-3 Patienten (22% Zirrhose, 14% Ribavirin) 95% geheilt. Bei Zirrhose wurden in der ITT-Analyse mehr Patienten ohne Ribavirin geheilt als mit Ribavirin (94% vs 87%) und in der PerProtocol-Analyse war es umgekehrt (94% ohne vs 100% mit Ribavirin). Baseline-RAS hatten keinen Einfluss auf den Therapieerfolg (Christensen S et al., #63).
Hohe Forgiveness
Abb. 6 Impact of Adherence on Predicted SVR12
Ioannou GN et al, AASLD 2017
Abb. 7 SVR nach DAA-Therapie und Reduktion des HCC-Risikos
In der Interferon-Ära galt die 80er-Regel: Mindestens 80% Adhärenz für eine adäquate Chance auf Heilung. Die DAA-Kombination Glecaprevir/Pibrentasvir scheint eine deutlich höhere Forgiveness zu haben. In der Auswertung der Daten aus acht Phase-3-Studie mit knapp 3.000 Patienten, die 8 bis 16 Wochen behandelt wurden, nahmen nur wenige (11%) ihre Tabletten nicht vorschriftsmäßig ein. 98% nahmen weniger als 80% der Dosis und 2% mehr als 120% ein. Prädiktoren für die Nicht-Adhärenz waren Alkoholkonsum, Rauchen, GT3, Zirrhose und terminale Niereninsuffizienz. Dennoch wurden von den Nicht-Adhärenten ebenso wie von den adhärenten Patienten nahezu alle geheilt (95% vs 98% ITT). Selbst bei einer Adhärenz von weniger als 50% lag die Chance auf Heilung noch bei 90% und darüber (Brown A et al., #198) (Abb. 6).
DAA und HCC
Die Diskussion, ob DAA das Risiko eines HCC-Rezidivs erhöhen, ging auch in Washington weiter. Es gab einige Datenanalysen, die erneut dagegen sprachen, aber abgeschlossen ist das Thema noch nicht. Die Entstehung neuer HCCs jedenfalls wird nicht begünstigt. Das belegt die Analyse der Daten der amerikanischen Veteranen. In der Kohorte wurden 1999 bis 2015 über 60.000 Patienten behandelt. 21.000 (35%) davon nur mit DAA. Insgesamt wurden 3.271 HCCs dokumentiert. Patienten mit Zirrhose waren häufiger betroffen als Patienten ohne Zirrhose. Dennoch wurde das relative HCC-Risiko bei Patienten mit und ohne Zirrhose gleichermaßen um 71% gesenkt. Die Art des Regimes hatte darauf keinen Einfluss. Somit profitieren alle Patienten von der SVR und zwar auch die Patienten, die in frühen Stadien der Lebererkrankung behandelt werden (Ioannou GN et al., #142) (Abb. 7). Auch Patienten in späten Stadien profitieren von der Heilung der Hepatitis C. In den SOLAR-Studie, in denen Patienten mit dekompensierter Zirrhose mit Ledipasvir/Sofosbuvir behandelt wurden, konnte das Mortalitätsrisiko im ersten Jahr im Vergleich zu historischen Daten um 60% gesenkt werden ( Kim WR et al., #LB-27)
Im MIttelpunkt des Kongresses: Die Fettleber
SOF bei Niereninsuffizienz
Zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz stehen mit Grazoprevir/Elbasvir und Glecaprevir/Pibrentasvir gute Therapiemöglichkeiten für alle Genotyen zur Verfügung. Doch manchmal können die Proteasehemmer wegen Interaktionen nicht eingesetzt werden. Wenn noch keine Dialyse notwendig ist, könnte Ledipasvir/Sofosbuvir eine Option sein. In einer offenen Studie wurden 18 Patienten (GT1 oder 4) 12 Wochen mit der vollen Dosis ohne Ribavirin behandelt. Die GFR betrug im Schnitt 25 ml/Min. Alle Patienten wurden geheilt. Die Plasmaspiegel des terminalen Sofosbuvir-Metaboliten GS-3310007 waren 6mal höher als in den Phase-3-Studien. Schwere Medikamenten-assoziierte Nebenwirkungen wurden dennoch nicht beobachtet (Lawitz E et al., #1587).
Hepatitis B
Die Hepatitis B war erneut eher ein Randthema auf dem Kongress. Nur 9% der Vorträge und 9% der Poster beschäftigten sich mit diesem Thema, obwohl zahlreiche neue Substanzen mit neuen Wirkmechanismen entwickelt werden. Da gibt es Kapsid-Inhibitoren, Entryinhibitoren, Immunmodulatoren usw., die allerdings alle noch in sehr frühen Stadien der Entwicklung sind, zu früh jedenfalls, um eine Prognose zum weiteren Verlauf der Entwicklung zu wagen.
Zu den bekannten Therapien wurden Langzeit-Daten zum Switch von Tenofovir-Diproxil auf Tenofovir-Alafenamid präsentiert, die erwartungsgemäß eine Verbesserung von Nierenfunktion (eGFR +5 ml/Min) und Knochen (+2% BMD Hüfte) zeigte. Die virologische Wirksamkeit war gut, es wurde kein Versagen beobachtet (Pan CQ et al., #904). Doch auch Tenofovir ist ein Polymerasehemmer und es wurde jetzt erstmals eine Resistenz beschrieben. Dazu bedarf es allerdings vier Mutationen (rtS106C, rtH126Y, rtD134E und rtL269I) für eine 15,3fache Verminderung der Empfindlichkeit (Lee YH et al., #118; Park ES et al., #1466).
Zur klinisch interessanten Frage, inwieweit die Behandlung der Hepatitis B eine Leberfibrose/-zirrhose verhindert,
gab
es eine kleine kontrollierte Studie. 114 HBeAg-positive/negative Patienten mit milder Inflammation (GPT 1-2xULN)
und einer Viruslast von im Schnitt 3log wurden 3 Jahre lang mit einem Polymerasehemmer oder Placebo behandelt. Auch
Placebo hatte beachtliche Erfolge: Nicht nachweisbare HBV-DNA 11% vs 86% und normale GPT 52% vs 77%.
Signifikant
besser schnitt die Therapie aber hinsichtlich der Fibroseprogression ab: 25% vs 44% Verschlechterung zu einem höheren
Fibrosegrad (p=0,42) (Hsu YC et al., #25).
NAFLD im Fokus
Eddowes P, et al. AASLD 2017. Abstract 184. Reproduced with permission
Vergleich XL- und M-Sonde. n=374. Fibrose
(Biopsie): F0, 17%; F1, 23%; F2, 23%; F3,
29%; F4, 9%
Im Mittelpunkt der AASLD-Tagung stand ganz klar die NAFLD (nicht-alkoholische Fettlebererkrankung), denn zahlreiche neue Medikamente befinden sich in frühen und fortgeschrittenen Stadien der Entwicklung. In Phase-2-Studien führten unter anderem der ACC (Acetyl-CoenzymA Carboxylase)-Inhibitor GS-0976 ebenso wie das pegylierte Fibroblasten Wachstumsfaktor-Analogon BMS-986036 zu einer signifikanten Verbesserung der Steatose (Loomba R et al., #LB-9; Sanyal A et al., #182). Was allerdings noch fehlt sind klar definierte diagnostische Kriterien, Surrogatparameter für den Verlauf und für die Indikation zur Therapie. Zum Nachweis einer Leberfibrose scheint der Fibroscan gut geeignet zu sein, wobei die mittlere M-Sonde und die große XL-Sonde für Adipöse überraschenderweise gleich gute Ergebnisse lieferte (Eddowes P et al., #184).