Meine Entscheidung - Dr. Ansgar Rieke, Koblenz
Gesund
leben und auf Niere achten!
Dr.
Ansgar Rieke
Ltd.
Arzt Nephrologie / Infektiologie / Klinikhygiene,
Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein
Kemperhof
Koblenz
Bei dem Patienten besteht eine dringend behandlungspflichtige HBV/HIV-Koinfektion mit der Begleiterkrankung einer chronischen Niereninsuffizienz im Stadium G3b wahrscheinlich auf dem Boden einer diabetischen Nephropathie mit einer K(oronaren)H(erz)K(rankheit) und bereits Zustand nach Myokard-Infarkt. Zur Diagnostik wäre noch ein Urinsediment (aktives nephritisches Sediment als Zeichen einer HBV-assoziierten Glomerulonephritis?) und eine Aussage zur Proteinurie wünschenswert gewesen.
Therapieziele
- Therapie von HIV/HBV
- Optimierung der kardialen Situation, ggf. Einstellung einer Herzinsuffizienz (kardio-renales Syndrom?)
- Verhinderung bzw. Verzögerung einer Nierenfunktionsverschlechterung
- Einstellung des metabolischen Syndroms, was die Arterioskleroseprogression verzögert, also Gewichtsabnahme, Blutdruck-Einstellung und Optimierung der Blutfette und des Diabetes mellitus als Sekundärprävention (LDL<100, HbA1c 6,5)
ART
Vorausgesetzt, dass keine Resistenzen vorliegen, halte ich den Einsatz einer Substanz, die sowohl gegen HIV und HBV mit genügend hoher Resistenzbarriere einen langfristigen Erfolg sichert, für angeraten und favorisiere hier angesichts der eingeschränkten Nierenfunktion eindeutig TAF/ FTC (Descovy®). Der Einsatz bis zu einer GFR von 30 ml ist im Label. Die Wahl des dritten ART–Partners muss sich an der notwendigen Begleitmedikation ausrichten.
Der Patient ist durch die KHK und metabolische Situation in Verbindung mit der N(ieren)I(insuffizienz) vital bedroht. Somit ist sicher eine starke Lipidsenkung notwendig (cave Rhabdomyolyse bei NI durch Kumulation, aber bei dieser GFR noch möglich). Dies schränkt den Einsatz von geboosterten PI ein.
Angesichts weiterer Medikamente, die bei NI im Verlauf bei diesem Patienten noch zu erwarten sind, erscheint mir Raltegravir (Isentress®) vom Interaktionspotential der beste Partner zu sein. Mit Raltegravir haben wir am längsten Erfahrungen und jetzt ist auch die einmal tägliche Gabe möglich (keine Anpassung an die GFR notwendig!).
Bei 143 CD4- Zellen ist zudem eine PCP-Prophylaxe notwendig, die wegen der NI besser mit Pentamidin-Inhalation als mit Cotrim erfolgen sollte (hoffentlich Toxoplasmose AK negativer Patient).
Komedikation
Besonders wichtig ist die Komedikation bzw. das Management der kardiovaskulären Risikofaktoren, denn dieser Patient ist mehr durch den nächsten Myocardinfarkt gefährdet als durch HIV. Der Blutdruck ist konsequent auf 120/80 mmHg einzustellen. Dafür ist das eingesetzte Ramipril/HCT 5/12,5 denkbar, bedarf aber einer Überprüfung (evtl. Steigerung auf ein Sartan + Schleifendiuretikum). ASS fehlt in der Medikation (muss rein!) und auch der Beta-Blocker ist notwendig. Der Einsatz von Metformin ist angesichts der NI wegen der Gefahr der Laktatazidose nicht unkritisch. Ich persönlich würde Metformin absetzen. Sinnvoller ist der Einsatz von SGLT 2–Inhibitoren oder DDP4-Inhibitoren, wenn die Auswahl der Substanz an die NI angepasst wird. Am einfachsten ist natürlich die konsequente Gewichtsreduktion, was ja durch diese Substanzen begünstigt wird. Beide zuletzt genannten Substanzklassen haben einen hemmenden Effekt auf die Progression einer diabetischen Nephropathie. Auf Insulin sollte man nach Möglichkeit zu diesem Zeitpunkt verzichten, um die gewollte Gewichtsabnahme zu erzielen. Der HbA1c sollte nicht zu streng eingestellt werden (6,5%-7%), sonst steigt die Gefahr von Hypoglykämien (nicht bei DDP 4- und SGLT2- Inhibitoren!). Sulfonylharnstoffe sind zu vermeiden, da diese bei NI gefährlich kumulieren.
NSAR vermeiden!
Besondere Sorge bereiten dem Nephrologen die Beschwerden der Schulter (Impingement) und des Skelettsystems, die geradezu den Einsatz von NSAR riechen lassen. Hier kann „ein bisschen Diclofenac, Ibuprofen o.ä.“ das System kollabieren lassen und akut zum Nierenversagen führen!
Der Verzicht auf Nitrate (cave Sildenafil!) versteht sich von selbst. Eine urologische Vorstellung mit PSA-Bestimmung ist angeraten, Tamsulosin stellt kein Problem dar. Pantoprazol würde ich in Absprache mit dem Patienten versuchsweise absetzen. Vitamin D-Supplementierung ist dagegen sinnvoll.
Anweisung für Patient
Also strikte Anweisungen an den Patienten: Keine NSAR (ggf. nur Novaminsulfon oder PCM), Vermeiden von Kontrastmittel, Gewichtsabnahme, körperliche Bewegung, weiter Nichtraucher bleiben, fettarme Ernährung und Blutdruck-Selbstkontrolle.