Annette Haberl, Frankfurt
Menopause mit HIV – Alles ganz normal?

Altern mit HIV ist sowohl für die betroffenen Menschen als auch für ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte medizinisches Neuland, denn entsprechende Erfahrungen sind auf beiden Seiten noch rar. Dies wird sich in naher Zukunft ändern, denn der Anteil der über 50-Jährigen, die mit HIV leben, steigt weltweit kontinuierlich an und liegt in den westlichen Industrieländern derzeit bei etwa einem Drittel der HIV-Positiven.

Menopause
© Abbildungen: fotolia

In den USA waren im Jahr 2015 bereits mehr als die Hälfte der Menschen mit HIV älter als 50 Jahre [UNAIDS]. Dies bedeutet auch, dass die Zahl der HIV-positiven Frauen, die in die Wechseljahre kommen, stetig zunimmt. Lag der Fokus in der Betreuung HIV-positiver Frauen bislang eindeutig auf den Themen Kinderwunsch und Schwangerschaft, so gewinnt im klinischen Alltag jetzt die Transition von der Prä- zur Postmenopause zunehmend an Bedeutung. Zum Klimakterium der HIV-positiven Frau findet man allerdings nur wenige Publikationen und diese kommen teilweise auch noch zu widersprüchlichen Ergebnissen.

Frühe Menopause mit HIV?

Die natürliche Menopause ist definiert als die dauerhafte (>/=12 Monate) Beendigung der Menstruation durch Einstellung der Follikelaktivität in den Ovarien, in Abwesenheit anderer physiologischer oder pathologischer Ursachen [International Menopause Society]. Das Durchschnittsalter der natürlichen Menopause liegt in den westlichen Industrieländern bei 50 bis 52 Jahren. Beim Eintritt der Menopause vor dem 45. Lebensjahr spricht man von einer frühen, vor dem 40. Lebensjahr von einer vorzeitigen Menopause. Zahlreiche Faktoren können Einfluss auf das Alter beim Eintreten der Menopause nehmen, beispielsweise Ethnizität, Bildungsstand, sozioökonomischer Status, Rauchen, Drogengebrauch oder auch der Body Mass Index (BMI). Kommt dann die HIV-Infektion als mögliche Einflussgröße hinzu, ist es schwierig, in diesem multifaktoriellen Geschehen ihre Bedeutung auszumachen. Mehrere Studien konnten hinsichtlich des Alters beim Eintritt der Menopause keinen signifikanten Unterschied zwischen HIV-positiven und HIV-negativen Frauen feststellen. In der Women Interagency HIV Study (WIHS) beispielsweise lag das Alter für HIV-positive Frauen bei 47,7 und für HIV-negative bei 48,0 Jahren [Cejtin et al.]. Es gibt allerdings auch Untersuchungen, die einen früheren Eintritt der Menopause bei HIV-positiven Frauen nahelegen. Schoembaum et al. konnten zudem zeigen, dass Frauen mit HIV ein 73% höheres Risiko für eine vorzeitige Menopause hatten. Pommerol et al. fanden in ihrem Studienkollektiv bei 12% der HIV-positiven Frauen eine vorzeitige Menopause. Bei Frauen in der U.S. Amerikanischen Allgemeinbevölkerung liegt die Prävalenz dafür bei lediglich 1,1-6,3%. Auch die Höhe der CD4-Zellen als mögliche Einflussgröße auf das Alter beim Eintritt der Menopause wurde von Schoembaum, Pommerol sowie Fantry et al. untersucht. Während die ersten beiden Studiengruppen einen Einfluss zeigen konnten – je höher die CD4-Zellzahl umso geringer das Risiko für eine vorzeitige Menopause – sahen Fantry et al. keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Immunstatus und Alter der Frauen beim Eintritt der Menopause. Für Deutschland fehlen bislang entsprechende Daten.

Mehr als fliegende Hitze

Midlife Crisis

In der Perimenopause, also den sogenannten Wechseljahren, treten bei etwa 85% aller Frauen Symptome auf, am häufigsten Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen [McKinlay et al.]. Avis et al. konnten zeigen, dass dabei die vasomotorischen Symptome durchschnittlich 7,4 Jahre andauern und auch noch etwa 4,5 Jahre nach dem Ausbleiben der letzten Regelblutung persistieren können. Ob die durch die Hormonumstellung verursachten Symptome bei perimenopausalen HIV-positiven Frauen häufiger auftreten und/oder stärker ausgeprägt sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Ferreira et al. kamen zu dem Ergebnis, dass die HIV-Infektion zu überdurchschnittlich häufigen Beschwerden in den Wechseljahren führt. Looby et al. fanden bei HIV-positiven Frauen in den USA heftigere vasomotorische Symptome als dies in der HIV-negativen Vergleichsgruppe der Fall war. Insgesamt wurden allerdings nur 66 Frauen untersucht. Andere Studiengruppen sahen weder häufiger noch ausgeprägter klimakterische Symptome bei HIV-positiven im Vergleich zu HIV-negativen Frauen.

Immunstatus relevant?

Auch eine Korrelation zwischen Immunstatus und Symptomen der Hormonumstellung ließ sich nicht eindeutig herstellen. Es ist allerdings fraglich, ob HIV-positive Frauen und/oder ihre Ärztinnen und Ärzte die Symptome der Peri- und Postmenopause überhaupt als solche erkennen oder ob sie diese nicht vielmehr der HIV-Infektion bzw. der antiretroviralen Therapie zuordnen. Im klinischen Alltag sollte das Thema Menopause spätestens bei Frauen jenseits der Vierzig daher von Ärztinnen und Ärzten aktiv angesprochen werden.

Für und wider Hormonersatztherapie

Saliva Diagnostik

Auf dem Europäischen AIDS-Kongress in Mailand hat Janice Rymer in ihrem Vortrag zum Management der Menopause HIV-positiver Frauen ein Plädoyer für den frühzeitigen Einsatz der Hormonersatztherapie (HRT) gehalten. Dadurch könnte den Spätfolgen der Menopause wie Osteoporose, kardiovaskulären Erkrankungen, kognitiven Störungen, dem Risiko für Demenz und Parkinson, psychischen Beeinträchtigungen und dem Nachlassen der Sexualfunktion erfolgreich entgegengewirkt werden. Interaktionen der HRT mit der HIV-Therapie sind bei Protease- und NNRTI-haltigen Regimen zwar möglich, beeinträchtigen jedoch nicht den Erfolg der ART, sondern könnten im Einzelfall lediglich zu einer Reduktion der wirksamen Hormondosis führen. Anders als bei Interaktionen von hormonellen Kontrazeptiva mit der ART, sind bei der HRT allerdings keine gravierenden Folgen zu befürchten. HIV-Schwerpunktärztinnen und -ärzte sollten also rechtzeitig Kontakt mit den Gynäkologinnen und Gynäkologen ihrer peri- und postmenopausalen Patientinnen aufnehmen, um interdisziplinär und gemeinsam mit den betroffenen Frauen therapeutische Optionen zu erörtern.

Positive Transitions Through the Menopause: PRIME Study

Es fehlen große prospektive Studien zur Untersuchung der Menopause HIV-positiver Frauen. In England waren im Jahr 2014 etwa 8.700 Frauen mit HIV im Alter zwischen 45 und 56 Jahren ans Gesundheitssystem angebunden. 1.500 von ihnen sollen jetzt in eine Studie eingeschlossen werden, die den Verlauf der Menopause untersucht. Die sogenannte PRIME-Study (Positive Transitions Through the Menopause) wird vom National Institute of Health Research (NIHR) unterstützt und hat folgende Zielgrößen:

  • Prävalenz (stratifiziert nach Altersgruppen) und Symptome der Menopause
  • Faktoren, die mit einer frühen Menopause und starken Symptomen assoziiert sind
  • Assoziation zwischen menopausalem Status, Symptomen und mentaler Gesundheit, sexuellen Funktionen, Lebensqualität, Adhärenz bezüglich der ART, Wahrnehmen der HIV-Betreuung sowie Kondomgebrauch
  • Möglicher Einfluss der Menopause auf HIV-Betreuung und Wohlbefinden
  • Abbildung des aktuellen Managements von menopausalen Symptomen und Identifizierung des klinischen Bedarfs

Es ist geplant, die Studienteilnehmerinnen über einen mehrjährigen Zeitraum zu beobachten und langfristig eine Kohorte zu etablieren, die frauenspezifische Fragen zum Älterwerden mit HIV beantworten soll. Die Studienergebnisse könnten auch zu Empfehlungen für ein standardisiertes Management älter werdender HIV-Patientinnen beitragen. Derzeit müssen Entscheidungen dazu noch auf individueller Basis getroffen werden.

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