Wohnen und Pflege für ältere LSBTI
Mit den Themen Pflege und Wohnen im Alter sind bei vielen LSBTI (Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter) Sorgen und Ängste verbunden, die auf Erfahrungen von Ausgrenzung und Diskriminierung basieren. Die schlimmste Vorstellung ist für viele der schätzungsweise zwei Millionen LSBTI im Alter über 60 in Deutschland, dass man pflegebedürftig wird, irgendwann seine Wohnung aufgeben muss und irgendwo untergebracht wird, wo man auf Menschen stößt, die einen aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Identität ablehnen. In einigen Großstädten gibt es bereits spezialisierte, altersgerechte Wohn- und Pflegeprojekte für LSBTI oder sind in Planung.
Lebensort Vielfalt-Bewohner Pete
© D.Spiekermann-Klaas
Wie die meisten anderen Menschen auch, wollen ältere LSBTI so lange wie möglich in der Wohnung wohnen bleiben, die sie aktuell bewohnen und in der sie meist schon seit langer Zeit wohnen. Wenn sie pflegebedürftig werden, wünschen sie sich deshalb zunächst einen ambulanten Pflegedienst, für den es selbstverständlich ist, dass die Menschen, die gepflegt werden, auch LSBTI sein können. Aber selbst in einer Metropole wie Berlin gibt es bis heute leider nur sehr wenige Pflegedienste, auf die das zutrifft.
Wenn wiederum wegen stärkerer Gebrechlichkeit und fehlender sozialer Kontakte eine Versorgung in einer stationären Einrichtung notwendig wird, würden die meisten älteren Lesben und Schwule ein herkömmliches Heim einer für LSBTI spezialisierten Einrichtung vorziehen – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie dort selbstverständlich schwul, lesbisch, trans oder inter leben könnten. Die große Mehrheit der herkömmlichen Alten- und Pflegeheime bzw. stationären Pflegedienste ist aber kaum oder gar nicht auf LSBTI Bewohner*innen vorbereitet. Es fehlen z.B. Maßnahmen wie Fortbildungen und Informationsmaterialien für Mitarbeitende oder Ansprechpersonen für LSBTI-Bewohner*innen.
Lebensort Vielfalt
Hier setzt ein neues Projekt der Schwulenberatung Berlin an: Das Qualitätssiegel Lebensort Vielfalt. Es handelt sich um eine bundesweit angelegte Qualifizierungsoffensive für alle Pflegeeinrichtungen des Landes. Sie wird drei Jahre lang vom Bundesministerium für Familie Senioren Frauen und Jugend finanziert. Interessierte Einrichtungen können zunächst über einen sogenannten Diversity-Check selber einschätzen, ob es einen Qualifizierungsbedarf gibt. Mitarbeitende der Schwulenberatung Berlin helfen dann über Beratungen und Fortbildungen dem betreffenden Haus, sich auf die Bedürfnisse von LSBTI-Bewohner*innen einzustellen. Dazu gehört unter anderem natürlich auch, auf Menschen mit einer HIV-Infektion gut vorbereitet zu sein.
In Frankfurt wiederum existieren bereits zwei Pflegeheime, die mit dem niederländischen Äquivalent des Lebensort Vielfalt-Siegels zertifiziert wurden, dem sog. Rosa Schlüssel. Auch in München bewegt sich etwas: Modellhaft bereitet sich dort der Pflege-Konzern Münchenstift bereits seit 2014 speziell auf schwule und lesbische Heimbewohner*innen vor. In Köln wurde vor einigen Jahren die Villa Anders eröffnet, die wenigstens teilweise auch altengerechte Wohnungen für LSBTI vermietet. In München gibt es schon längere Zeit die „rosa Alternativen“, eine schwule Wohngemeinschaft mit Pflegeservice nach Bedarf.
In Berlin existiert seit 2012 der Lebensort Vielfalt mit 24 barrierefreien und zum Teil rollstuhlgerechten Wohnungen, die vorwiegend älteren schwulen Männern reserviert bleiben, wo aber auch Wohnungen an Frauen und jüngere Schwule vermietet werden.
Große Nachfrage
Aufgrund der großen Nachfrage nach Wohnungen im Lebensort Vielfalt eröffnet im April 2018 ein Lebensort Vielfalt am Ostkreuz im Berliner Bezirk Friedrichshain. Ein weiteres Mehrgenerationenhaus für LSBTI soll in Berlin im Jahr 2020 in der Nähe des S-Bahnhofs Südkreuz entstehen. Noch ist nicht endgültig entschieden, ob die Schwulenberatung Berlin oder der lesbische Beratungsverein Rat und Tat (RuT) den Zuschlag für das begehrte Grundstück auf der sogenannten Schöneberger Linse am Südkreuz erhält und dort ihr Konzept verwirklichen darf.