HIV und Schwangerschaft
20 Jahre „Schlangenbad“ – Fachtagung feiert Jubiläum
Dazu trafen sich rund 110 Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen und Organisationen am 24. und 25. Januar im Parkhotel Oberursel. Auf dem Programm standen anlässlich des Jubiläums auch Rückblicke, die die Entwicklung der PMTCT im Verlauf der letzten zwanzig Jahre aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchteten. Insgesamt wurde dabei ein positives Resümee gezogen. So wird der Kinderwunsch von Menschen mit HIV heute nicht mehr hinterfragt und auch seine Umsetzung ist – anders als vor zwanzig Jahren – inzwischen unproblematisch. Paare mit unterschiedlichem HIV-Status können dank des präventiven Effekts der HIV-Therapie ohne Übertragungsrisiko auf natürlichem Weg ein Kind zeugen. Die Unterstützung der Reproduktionsmedizin wird nur noch dann benötigt, wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Schwangere mit HIV können heute anders als vor zwanzig Jahren auf natürlichem Weg entbinden, wenn ihre HIV-Therapie erfolgreich ist. Die Neugeborenen HIV-positiver Mütter müssen nicht mehr zwingend eine medikamentöse Postexpositionsprophylaxe erhalten und auch der noch empfohlene Stillverzicht steht inzwischen auf dem Prüfstand. So haben beispielsweise die Schweiz und Großbritannien ihre Leitlinien bereits dahingehend geändert, dass Frauen mit HIV, die ihre Kinder stillen möchten, interdisziplinär betreut werden sollten. Die Deutsch-Österreichische Leitlinie steht in diesem Jahr zur Aktualisierung an. Dabei wird das Stillen neben der ART der Schwangeren und der Neo-PEP sicher eines der Hauptthemen sein. Die überarbeitete Leitlinie soll im September 2020 verabschiedet werden.
Prof. Dr. Cristina Mussini aus Modena © Fotos: Annette Haberl
Stillstudie zeigt erste Daten für Deutschland
In Oberursel wurden auch erste Daten der Stillstudie HELENE vorgestellt. Durch die vom HIVCENTER in Frankfurt durchgeführte Studie konnten deutschlandweit erstmals retrospektiv die Stillfälle HIV-positiver Mütter aufgearbeitet werden. Die Auswertung wurde auch als Vortrag auf dem HIV & Women´s Workshop in Boston angenommen. HELENE soll zukünftig von IRENE abgelöst werden. Diese Studie wird prospektiv die Stillfälle in Deutschland standardisiert erfassen.
Viele internationale Referent*innen
Bei der Fachtagung HIV und Schwangerschaft waren im Laufe der Jahre internationale Referent*innen aus 16 Ländern zu Gast. In diesem Jahr stellte Prof. Justyna Kowalska aus Warschau Schwangerschaftsdaten aus der EuroSIDA Kohorte in Oberursel vor und Prof. Christina Mussini aus Modena referierte zum Einsatz von Integraseinhibitoren in der Schwangerschaft. Einen Rückblick auf zwanzig Jahre HIV-PMTCT gab Dr. Tessa Goetgebuer aus Brüssel und Prof. Kees aus Amsterdam veranschaulichte diese Retrospektive durch eine Posterausstellung. Im Laufe der Jahre hat sich die zunächst rein national ausgerichtete Fachtagung zu einer international anerkannten Veranstaltung entwickelt.
Fachtagung HIV und Schwangerschaft 2020: Gruppenbild
© Foto: Max Helmes
Fester Bestandteil der Schwangerschaftstagung ist immer auch ein Update des Robert Koch-Instituts zu den aktuellen Zahlen der HIV-Mutter-Kind-Übertragungen in Deutschland. Erstmals wurde im Jahr 2019 kein neuer Fall in Deutschland gemeldet. Dr. Ulrich Marcus wies in seinem Beitrag zwar darauf hin, dass es noch zu nachträglichen Meldungen kommen könnte, dennoch gab es spontan Beifall als die Zahl null bei den vertikalen Transmissionen genannt wurde.
Die Fachtagung HIV und Schwangerschaft steht seit der ersten Veranstaltung unter der Schirmherrschaft der Deutschen AIDS-Gesellschaft, der DAIG-Sektion All Around Women Special, der DAGNÄ und dem Kompetenznetz HIV/AIDS. Unterstützt wurde die 20. Veranstaltung von den Firmen Gilead, Hormosan Pharma, Janssen, MSD, TAD und ViiV Healthcare.
Termin 2021 Tagung HIV und Schwangerschaft
Die nächste Tagung HIV und Schwangerschaft soll am 29./30. Januar 2021 stattfinden.
HIV & Women´s Workshop zeichnet Arbeit zum Stillen aus
Lila Haberl mit Preisträgerinnenurkunde
Auf dem 10. International HIV & Women´s Workshop, der am 6./7. März 2020 in Boston stattgefunden hat, wurde die Medizinstudentin Lila Haberl für ihren Beitrag zum Stillen mit einem Young Investigator Award ausgezeichnet. Sie hatte bundesweit Stillfälle HIV-positiver Mütter retrospektiv ausgewertet und die Ergebnisse als Abstract unter dem Titel „Not recommended but done – Breastfeeding with HIV in Germany“ zum HIV Women´s Workshop eingereicht. Ihr Vortrag dort überzeugte die Jury, die ihr am Ende des Kongresses dafür einen Young Investigator Award überreichte. Der Preis beinhaltet eine Einladung zum nächsten HIV & Women´s Workshop, der direkt vor der CROI im März 2021 in Chicago stattfinden wird.
Die
Stillstudie HELENE (HIV
AND BREASTFEEDING – RESTROSPECTIVE
ANALYSIS
OF CASES
IN
GERMANY),
an der sich bislang bundesweit 14 Zentren beteiligt haben, findet
unter der Federführung des HIVCenter‘s
des Universitätsklinikums Frankfurt statt. Im Rahmen von HELENE
wurden erstmalig die Stillfälle HIV-positiver Mütter in Deutschland
aufgearbeitet. Erwartet wurden zu Beginn der Studie etwa 15
Stillfälle, in Boston konnten jetzt die Daten von 40 Fällen
vorgestellt werden. Die Auswertung machte deutlich, dass das Thema
Stillen in der Betreuung HIV-positiver Schwangerer zunehmende
Bedeutung erfährt und frühzeitig adressiert werden sollte, um ein
optimales Setting für Mutter und Kind erreichen zu können. Bislang
wird Müttern mit HIV in Deutschland noch vom Stillen abgeraten. Die
entsprechende DAIG-Leitlinie steht in diesem Jahr zur Aktualisierung
an.
Prof. Dr. Catherine Hankins überreicht den Young Investigator Award an Lila Haberl