Tenofovir-Alafenamid
Noch nicht generisch aber schon Festbetrag?

Der G-BA-Beschluss zur Festbetragsregelung für Fixdosiskombinationen in der ART.

Schon lange vor dem leidenschaftlich diskutierten Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) im Jahre 2011, welches die Preisverhandlungen für neu eingeführte Arzneimittel regelt, wurde mit dem Gesundheitsreformgesetz Ende 1999 die Festbetragsregelung eingeführt.

Diese ist so geregelt, dass in einem ersten Schritt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gemäß §35 SGB-V Festbeträge für Gruppen von Arzneimitteln verfügen kann. In diesen Gruppen sind aber nicht nur Arzneimittel mit identischen Wirkstoffen zusammengefasst, sondern zusätzlich auch solche mit

  • pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen mit
    • chemisch verwandten Stoffen
    • und mit
    • therapeutisch vergleichbarer Wirkung, insbesondere Arzneimittelkombinationen.

Auf dieser Rechtsgrundlage hat der G-BA im Februar 2020 die Einführung einer Festbetragsgruppe „Kombinationen zweier Nukleos(t)id-Analoga, Gruppe 1, in Stufe 3“ beschlossen. Sie umfasst – einschließlich aller verfügbaren Generika und Parallelimporte – die Wirkstoffkombinationen

  • ABC/3TC
  • TDF/FTC
  • TAF/FTC.

Was bedeutet das?

 AdobeStock · gustavofrazao
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TAF/FTC fällt damit ab 2020 unter eine Festbetragsregelung, obwohl das darin enthaltene TAF (Tenofoviralafenamid) zur Behandlung der HIV-Infektion erst 2016 von der EMA zugelassen wurde. Festbeträge sind Höchstpreise für bestimmte Arzneimittel: Übersteigt der Preis des Arzneimittels den Festbetrag, haben die gesetzlich Versicherten nur noch die Wahl zwischen Zuzahlung oder der Versorgung mit einem anderen, therapeutisch gleichwertigen Arzneimittel ohne Zuzahlung. Vor diesem Hintergrund gleichen die Hersteller häufig – aber nicht immer – die Preise ihrer Arzneimittel dem Festbetrag an.

Und wie geht es nun weiter?

Zunächst gibt es nur den GBA-Beschluss vom 20. Februar 2020. Der zweite Schritt der Festbetragsregelung steht noch aus, nämlich die Festlegung des Festbetrags durch den GKV-Spitzenverband für diese neue Arzneimittelgruppe bestehend aus den Fixkombinationen ABC/3TC, TDF/FTC und TAF/FTC. Dessen Preisfindung unterliegt festen Regeln und macht daher das Ergebnis der für September oder Oktober erwarteten Festbetragsfestlegung in etwa vorhersehbar.

Der Festpreis wird im unteren Preisdrittel der Produkte angesetzt und soll sicherstellen, dass mindestens ein Fünftel der Verordnungen in der Festbetragsgruppe nicht teurer als der Festbetrag sind, damit eine ausreichende Zahl von als wirtschaftlich geltenden Arzneimitteln auf dem Markt verfügbar ist. Nur dann, wenn eine Festbetragsgruppe ausschließlich patentgeschützte Arzneimittel enthält, würde der Festbetrag auf einem höheren Preisniveau – als gewichteter Durchschnittspreis – ermittelt. Dies ist aber für Nukleos(t)id-Analoga Kombinationen nicht der Fall und insofern besteht eine besonders große preisliche Fallhöhe für die beiden TAF/FTC-Fixkombinationspräparate. Für diese wird der Festbetrag ebenso gelten, wie für generische TDF/FTC-Fixkombinationen, an deren Preisniveau sich der künftige Festbetrag ausrichten wird und die bisher teilweise weniger als ein Zehntel des Preises für TAF/FTC kosten.

© AdobeStock · HyejinKang
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Was sagt der Hersteller von TAF/FTC dazu?

Gilead hat sich inzwischen öffentlich geäußert (lt. Pressemeldung vom 2.6.2020), dass man seit der Markteinführung von Descovy® weitreichende Zugeständnisse beim Preis gemacht habe und eine weitere Senkung des Apothekenverkaufspreises von Descovy® durch Gilead nun nicht mehr möglich sei.

Man sei sich dabei der Verantwortung bewusst und wolle Mehrkosten für die Patienten vermeiden. Gilead biete demnach derzeit allen gesetzlichen Krankenkassen Verträge zur Übernahme der Mehrkosten an, durch die Descovy® zum Festbetrag, d.h. weiterhin ohne Mehrkosten für Patienten verfügbar sein soll. Allerdings sei noch nicht absehbar, ob tatsächlich alle Kassen die Vertragsangebote zur Übernahme der Mehrkosten annehmen.

Gilead empfiehlt Gilead

In einer Mitteilung von Gilead vom Juni wird ausgeführt: „Zumindest für einen Teil der Descovy®-Patienten werden deswegen vermutlich zukünftig Mehrkosten anfallen. Es gibt jedoch viele gut verträgliche, hoch wirksame und auch Descovy®-basierte Behandlungsalternativen. Inwiefern diese für Patienten in Frage kommen, ist individuell von den behandelnden Medizinern zu überprüfen“.

Vorhersehbare Konflikte

Schon bisher verlief manche Umstellung selbst von einem bisher patentgeschützten antiretroviralen Medikament auf ein inhaltsgleiches Generikum nicht immer ganz ohne Friktionen. Bei einer Umstellung innerhalb einer Festbetragsgruppe aus drei Nukleos(t)id-Analoga-Kombinationen, die aus fünf verschiedenen antiretroviralen Substanzen komponiert sind, besteht tatsächlich längst nicht in allen Fällen eine freie Austauschbarkeit. Die Medikamente haben unterschiedliche Kontraindikationen und sind daher schon bei der Initialtherapie nicht völlig frei wählbar. Im oft jahrzehntelangen Therapieverlauf schränken individuelle Unverträglichkeiten oder eine Resistenzentwicklung des HI-Virus die Freiheitsgrade weiter ein. Für Patient_innen und deren behandelnden Ärzt_innen kann sich daraus ein Dilemma ergeben, falls die individuell beste oder sogar einzig vernünftige ART-Kombination künftig für den Patienten nur noch zuzahlungspflichtig verfügbar sein würde.

Man würde es bedauern müssen, wenn die von einer HIV-Infektion Betroffenen und die Ärzteschaft mit diesen Konflikten alleine gelassen werden sollten.


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