Digital International Liver Congress 2020
Noch ein paar Highlights
Die WHO hat die Latte hoch angelegt: Bis 2030 soll die Hepatitis C aus der Welt verschwinden, doch bislang sind nur 11 von 45 „high income“ Ländern auf der Zielgeraden. 28 Länder werden das Ziel erst nach 2050 Jahre erreichen. In einigen Ländern wird die Hepatitis C-Therapie erst bei Vorliegen einer Fibrose behandelt. Deutschland gehört erfreulicherweise zu den erfolgreichen Ländern (Razavi H et al., THU365).
https://ilc-congress.eu/
Therapie=Prävention
Ein wichtiger Baustein bei der Elimination der Hepatitis C ist die Behandlung der für Neuinfektionen vulnerablen Gruppen: IV-Drogengebraucher, MSM und Gefangene. Einige Länder haben schon erfolgreiche Programme durchgeführt. In der australischen Studie SToP C beispielsweise konnte die HCV-Inzidenz im Gefängnis durch konsequente Therapie aller Infizierter innerhalb von knapp zwei Jahren halbiert werden (Dore G et al., LBP07). In Spanien konnte die Hepatitis C-Inzidenz durch ein nationales Programm mit konsequentem Screening und Therapie aller 50.000 Gefangenen von 0,47/1.000 Gefangenen im Jahr 2010 auf 0,29 im Jahr 2018 gesenkt werden. Gleichzeitig halbierte sich die Prävalenz von fortgeschrittenen Leberschäden und die HCV-assoziierte Mortalität war deutlich rückläufig (Cabezas J et al., AS040).
Akute Hepatitis C
Auch in der MSM-Community scheint die Inzidenz aufgrund der neuen Behandlungsoptionen rückläufig. So wurde in Frankfurt den letzten zehn Jahren (n=165) eine Halbierung der akuten Hepatitis C-Infektionen bei MSM beschrieben. 2009 wurden 25 Fälle, 2019 10 Fälle dokumentiert. Eine spontane Ausheilung der Hepatitis C wurde bei 13% der HIV/HCV-Koinfizierten (n=135) und bei 37% der HCV-Monoinfizierten beobachtet. Die SVR-Raten nach DAA-Therapie lagen bei 97% bzw. 100%. Die Rate von Reinfektionen war allerdings mit 18% nicht zu vernachlässigen (Graf C et al., THU367).
Ein ähnliches Bild zeigt sich in England. Nach einem Maximum der akuten Hepatitis C im Jahr 2015, dem Jahr der Einführung der modern HCV-Therapie, kam es zu einem drastischen Abfall der Hepatitis C-Neuinfektionen um 68%. In London und Brighton wurden 2013-2018 378 akute Hepatitis C-Infektionen bei 378 HIV-positiven MSM beobachtet (77% Neuinfektionen, 23% Re-Infektionen). Die Zeit von Diagnose bis Therapiebeginn verkürzte sich in diesem Zeitraum von 30 Monaten auf 4 Monate. Gleichzeitig stieg die Rate an Re-Infektionen von 26% 2013 auf 45% in 2018 (Garvey L et al., AS039).
DAA-Versagen
Nur wenig Patienten werden durch die moderne Hepatitis C-Therapie nicht geheilt. Wie geht man hier am besten weiter vor? Das hat die internationale SHARED Kollaboration anhand der Daten von 130 Patienten untersucht, bei denen eine Therapie mit G/P (Glecaprevir/Pibrentasvir) (n=90) oder SOF/VEL/VOX (Sofosbuvir/Velpatasvir/ Voxilaprevir) (n=40) versagt hatte. Die häufigsten Genotypen in dieser Kohorte waren GT 3a (54%) und 1a (34%).
Nach G/P-Versagen wurde bei diesen Genotypen bei 80% der Patienten NS5A-Resistenzmutationen (RAS) gefunden im Vergleich zu nur 10-20% bei Patienten mit GT 1b oder 2. Eine Retherapie nach G/P-Versagen mit SOV/VEL/VOX führte bei 53/56 (93%) zum Erfolg.
SOF/VEL/VOX-Versager waren deutlich stärker vorbehandelt und auch die Lebererkrankung war im Vergleich zu G/P-Versagern weiter fortgeschritten. 45% der Patienten hatten GT3a. Vor SOF/VEL/VOX-Therapie hatten 76% NS5A-RAS, wobei 60% davon die Y93-Variante aufwiesen. NS3-RAS waren mit 30% deutlich seltener. Nach einer Retherapie meist mit einer neuen Drei- bis Vierfach-Kombination (z.B. G/P+SOF+Ribavirin) erreichten in der noch laufenden Auswertung 8/11 (72%) die SVR. Neue RAS wurden bei den 3/11 Versagern nicht beobachtet (Abb. 1) (Salazar A et al., AS156).
Abb 1 SHARED-Kohorte: Keine neuen RAS nach Versagen von Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir
Seltene Genotypen
Die neuen DAA-Regime sind pangenotypisch. Wirken sie aber auch bei den sehr seltenen Genotypen/Subtypen? Eine Datensammlung mit 160 solcher Fälle stimmt zuversichtlich: Die SVR-Raten lagen wie bei den üblichen Genotypen bei über 90% – mit einer Ausnahme: Bei Genotyp 3b konnten nur 5/8 Patienten geheilt werden, was einer SVR-Rate von 63% entspricht (Isfordink C et al., THU397).
Hepatitis B
Abb 2 Stop-NUC: Retreatment and Time to HBsAg Loss
Eine wichtige klinische Frage bei der Behandlung der chronischen Hepatitis B lautet: Kann man die Therapie absetzen? Dieser Frage ist die deutsche STOP-NUC-Studie nachgegangen. Bei 166 Patienten, die über vier Jahre unter Polymerasehemmern virologisch supprimiert waren, wurde das Medikament entweder abgesetzt oder weiter behandelt. Im Lauf der nächsten zwei Jahre kam es bei 8/79 (10%) nach Absetzen der Therapie zum HBsAg-Verlust bzw. zur HBsAg-Serokonversion, aber bei keinem Patienten, der weiter behandelt wurde (Abb. 2). Prädiktiv für den HBsAg-Verlust war ein Abfall des HBsAg-Spiegels <1.000 IU/ml. Ein Drittel der Patienten entwickelte nach dem Absetzen der Therapie Flares, aber keine relevanten Nebenwirkungen und auch nach zwei Jahren hatten 68% der Patienten weiterhin keine Indikation zur Wiederaufnahme der Medikation (van Bömmel F et al., LBO06).
TDF Vergleich ETV
Neue Arbeiten bestätigen das Ergebnis früherer Studien: Nach Absetzen von TDF kommt es rascher zum virologischen Relaps als beim Absetzen von ETV (Entecavir) (Hall S et al., AS095; Tuefferd M et al., LBP-027, van Bömmel F et al., LBO006). Die klinische Relevanz dieses Befundes ist allerdings unklar. Ebenso unklar ist, ob das HCC-Risiko unter den beiden Polymerasehemmern unterschiedlich ist. Eine neue koreanische Datenanalyse zeigt ein geringeres Risiko eines HCC-Rezidivs nach Hepatektomie unter TDF (Choi J et al., AS094).
Neue Medikamente
HIV-Positive haben kein erhöhtes Risiko nach Hepatitis C-Therapie
Ohne Behandlung haben Menschen mit HIV und Hepatitis C ein höheres Risiko einer relevanten Lebererkrankung als HCV-Monoinfizierte. Nach einer Hepatitis C-Therapie nicht mehr. Einer Analyse der französischen HEPATHER-Kohorte (n=2.049 HCV Mono, 592 HIV/HCV) zufolge entwickelten im Lauf von knapp 3 Jahren nach der HCV-Therapie 17 der Koinfizierten und 66 der Monoinfizierten eine Komplikation der Lebererkrankung. Auch die Leber-assoziierte Mortalität war nicht erhöht (Chalouni M et al., AS153).
Die Pipeline an Hepatitis B-Medikamenten mit neuartigen Wirkmechanismen ist prall gefüllt (Abb. 3). Unter anderem zwei neue Substanzen, die in die Proteintranskription der cccDNA eingreifen, scheinen in einer frühen Phase der Entwicklung erfolgsversprechend zu sein: das RNAI JNJ-3989 und das Antisens Oligonukleotid ISIS 505358/GSK3228836 (Bepirovirsen). In Phase-1/2-Studien an therapie-naiven und vorbehandelten Patienten kam es zu einem Abfall von HBs-Antigen. Ziel ist hier die funktionelle Heilung (Gane E et al., GS10; Yuen M-F et al., AS067).
Bei den Kapsidinhibitoren (Core Assembly Modulator, CAM) führte der HBV-Core-Protein-Inhibitor ABI-H0731 (Vebicorvir) in Kombination mit einem Nuke bei virologisch supprimierten HBeAg-negativen Patienten zu einem eindrucksvollen Abfall der residualen HBV-Replikation (Fung S et al., AS070). Der TLR8-Agonist Selgantolimod, ein oraler Immunmodulator, über 24 Wochen führte bei 5% der Patienten zum HBsAg-Verlust und könnte damit ein wichtiger Kombinationspartner für andere Substanzen sein (Gane E et al., AS068).
Abb 3 Wirkmechanismen neuer Hepatitis B-Medikamente
Verbreitung Hepatitis Delta
Hepatitis
D
Bulevirtid:
Lang anhaltende Wirksamkeit
Bulevirtid (früher Myrcludex) ist der erste Entry-Inhibitor, der die Eintrittspforte des Hepatitis B-Virus, nämlich den NTCP-Rezeptor auf der Leberzelle blockiert. Damit stört die Substanz den Lebenszyklus von HBV und verhindert gleichzeitig die HDV-Replikation. In Deutschland ist Bulevirtid bereits als Hepcludex® zugelassen in Kombination mit pegyliertem Interferon oder Tenofovir als 2 mg-Dosis zur täglichen subkutanen Injektion. In einer neuen Untersuchung wurde Bulevirtid in einer Dosierung von 10 mg mit TDF oder in der Dosierung von 5 mg mit pegyliertem Interferon eingesetzt (n=30). Nach einem Jahr wurde die Medikation abgesetzt bzw. nur mit TDF weiter behandelt. Sechs Monate später war HDV bei 5/15 Patienten (33%) unter TDF allein sowie bei 1/15 nach 10 mg und Interferon immer noch nicht nachweisbar. Allerdings hatten 2/15 Patienten in der Interferon-Gruppe HBsAg verloren und keiner in der TDF-Gruppe. Daraus schließen die Autoren, dass die 10 mg-Dosierung eine vielversprechende Strategie für eine Erhaltungstherapie bei Hepatitis-D-Patienten ist. Eine Erhöhung der Dosis in Kombination mit Inferferon sei nicht sinnvoll, da der starke synergistische Effekt bereits in niedriger Dosierung voll ausgeprägt sei (Wedemeyer H et al., AS072).