Frei Von Ansteckenden Erkrankungen?
Attest für HIV-Positive in der Pflege
Für die Ausbildung im Pflegebereich werden Bewerber_innen häufiger aufgefordert, ein Gesundheitszeugnis vorzulegen. Darin müssen Hausärzt_innen bestätigen, dass die Personen „frei von ansteckenden Erkrankungen“ sind. Können Ärzt_innen dies für Menschen mit HIV unterschreiben? HIV&more hat Rechtsanwalt Jacob Hösl aus Köln gefragt.
Rechtsanwalt Jacob Hösl
Köln
© wikimedia.org
RA
Jacob Hösl: Bei einer bestehenden HIV-Infektion fällt es Ärzt_innen
häufig schwer, pauschal zu attestieren, dass ihr_e Patient_in „frei
von ansteckenden Krankheiten“ ist, denn rein medizinisch betrachtet
liegt ja eine
Infektionskrankheit vor.
Eine solche Auskunft muss allerdings unter dem Blickwinkel des Arbeitsrechts und der ausgeübten oder angestrebten Tätigkeit gesehen werden. Die Fragestellenden möchten wissen, ob von den Auszubildenden ein Infektionsrisiko für Dritte ausgeht. Weitere Aspekte sind für die Ausbildung oder die Tätigkeit nicht relevant.
Wird eine solche Frage im Zusammenhang mit einer Ausbildung gestellt, so dürfen Ärzt_innen zulässigerweise hinzudenken „frei von ansteckenden Krankheiten, die die Ausübung der Tätigkeit (oder die Ausbildung) wegen Risiken für Dritte ausschließen.“
Auszubildende der Krankenpflege üben im Rahmen ihrer Ausbildung keine Tätigkeiten aus, die zu den sogenannten verletzungsträchtigen Tätigkeiten gehören. Rechtlich ist es also für Ärzt_innen unbedenklich, wenn trotz Vorliegen einer HIV-Infektion ein Attest zu unterschreiben, das Freiheit von ansteckenden Krankheiten ausweist. Eine Strafbarkeit für Ärzt_innen scheidet per se aus.
Ungeachtet der Frage, ob die Bescheinigung „richtig“ ist, setzt die Strafbarkeit voraus, dass ein solches Zeugnis über den Gesundheitszustand gegenüber Behörden oder einer Versicherung abgegeben wird (§ 278 StGB). Da dies bei Arbeitgeber_innen nicht der Fall ist, greift die Strafvorschrift nicht ein.
Auch
eine zivilrechtliche Haftung der Mediziner_innen ist ebenfalls nicht
denkbar. Zunächst setzt diese voraus, dass es zu einer Infektion
eine_r Patient_in durch eine HIV-positive Pflegekraft gekommen ist.
Schon dies ist bei realistischer Betrachtung auszuschließen.
Außerdem fehlt es für die zivilrechtliche Haftung an der Kausalität
zwischen Gesundheitszeugnis und Infektion. Entweder wäre es aufgrund
eines Verstoßes gegen Hygienevorschriften zu einer HIV-Infektion
gekommen oder es handelt sich um einen Unfall, d.h. ein nicht
planbares, unvorhersehbares Ereignis. Beides steht mit dem
Gesundheitszeugnis nicht in ursächlichen Zusammenhang. Das von
Ärzt_innen ausgestellte
Gesundheitszeugnis, das die
HIV-Infektion nicht ausweist, wird nicht kausale Ursache für die
Infektion eines Patienten sein. Auch sonstige Schadensersatzansprüche
bestehen nicht. Arbeitgeber_innen haben gegenüber der ausstellenden
Ärzt_in keinen Anspruch, da sie keinen wirtschaftlichen Schaden
haben. Die Pflegekraft steht mit ihrer Arbeitskraft zur Verfügung.
Trotzdem haben viele Ärzt_innen Vorbehalte, solche pauschalen Atteste auszustellen, wenn eine HIV-Infektion bei den Betreffenden vorliegt. In diesem Fall kann von einem gegebenenfalls von Arbeitgeber_innen vorformulierten Formular abgewichen werden, Ärzt_innen können eine eigene von ihnen vertretbare Formulierung verwenden.
Eine
weitere Möglichkeit haben Betroffene, indem sie sich von dem für
sie zuständigen Gesundheitsamt eine entsprechende
Eignungsbescheinigung ausstellen lassen. Die Gesundheitsämter prüfen
bei der ärztlichen Untersuchung zu Beginn der Ausbildung im
Krankenpflegebereich in der Regel nicht, ob eine HIV-Infektion
vorliegt oder nicht. Arbeitgebende vertrauen Bescheinigungen der
Gesundheitsämter meist mehr als solchen durch die behandelnden
Ärzt_innen. Wenn es trotzdem zu Problemen kommt, muss sich der
Betreffende individuell beraten lassen.