August Stich, Würzburg
Dengue-Fieber

Dengue muss man kennen! Es ist eine der Krankheiten, die nach Superlativen greift: Wichtigste Arbovirose der Welt, tropische Viruserkrankung mit Griff nach Europa, Emerging Disease mit der schnellsten Ausbreitung unter allen Stechmücken-übertragenen Infektionskrankheiten, in Deutschland mehr importierte Fälle als Malaria, die ersten autochthonen Dengue-Infektionen bei uns nur noch eine Frage der Zeit… Wir brauchen also mehr Details!

Grundlagen

Das Dengue-Fieber ist eine Viruserkrankung, die von Moskitos auf den Menschen übertragen wird. Das Virus gehört in die Familie der Flaviviren, behüllte RNA-Viren, zu denen auch andere wichtige Krankheitserreger gehören: West-Nil-Fieber, Zika, die Japanische Enzephalitis, die heimische FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis), aber auch Gelbfieber und etwas entfernter verwandt die Hepatitis C.

Die klassischen Flaviviren werden von Vektoren auf den Menschen übertragen: Insekten oder Zecken. Zusammen zählen diese zu den Gliederfüßlern, den Arthropoden. Daher kommt der Begriff Arbovirosen. Das sind Viruserkrankungen, die von Arthropoden stammen (englisch: arthropode born viral infections). Gliederfüßler können auch Viren anderer Familien übertragen, so die Erreger des Chikungunya-Fiebers (ein Alpha-Virus aus der Familie der Togaviren) oder das hämorrhagische Krim-Kongo-Fieber (ein Bunyavirus). Arboviren und Flaviviren sind also nicht deckungsgleiche Begriffe.

Epidemiologie

Unter den Arbovirosen ist das Dengue-Fieber die wichtigste. Jährlich werden laut Schätzungen der WHO 100 Millionen1, anderen Autoren zufolge bis zu 400 Millionen Menschen infiziert2,3, das sind 5% der Weltbevölkerung. 500.000 durchleiden einen schweren Krankheitsverlauf, mehr als 20.000 sterben jedes Jahr, besonders kleine Kinder. Damit gehört das Dengue-Fieber zu den gefährlichsten Tropenkrankheiten. 75% aller Fälle werden aus Asien gemeldet4, stark betroffen sind aber auch Mittel- und Südamerika. In Subsahara-Afrika kommt es immer wieder zu Ausbrüchen, hier scheint Dengue aber von anderen fieberhaften Infektionskrankheiten, allen voran der Malaria, „überlagert“ zu werden. Aktuell breitet sich Dengue im Nordosten Australiens (Queensland) aus.

Serotypen

Abb. 1  Aedes albopictus nach einer missglückten Blutmahlzeit
Abb. 1 Aedes albopictus nach einer missglückten Blutmahlzeit

Bei den Erregern des Dengue-Fiebers kennt man vier Serotypen: DENV-1 bis DENV-4. Jede Infektion hinterlässt eine Immunität nur gegen den jeweiligen Serotyp, die gebildeten Antikörper sind nur für wenige Monate kreuzprotektiv. Man kann also Dengue mehrfach bekommen. Es gibt Hinweise, dass eine Zweitinfektion aufgrund immunologischer Phänomene sogar einen schweren klinischen Verlauf mit mehr Komplikationen hervorrufen kann.

Die Überträger des Dengue-Virus sind weibliche Stechmücken der Gattung Aedes (nach neuerer Nomenklatur jetzt Stegomyia), Tigermücken. Sie haben ihren Namen von dem schwarz-weißen Muster an ihrer Oberfläche (Abb. 1). Sie sind tagaktiv und in ihrem Stechverhalten sehr aggressiv. Der wichtigste Vertreter ist die Asiatische Tigermücke Ae. albopictus, gefolgt von der Gelbfiebermücke Ae. aegypti. Daneben gibt es je nach Lebensraum noch eine Reihe anderer Arten.

Klinisches Bild

Abb. 2  Klassischer Befund bei einem Reiserückkehrer mit Dengue-Fieber
Abb. 2 Klassischer Befund bei einem Reiserückkehrer mit Dengue-Fieber

Abb. 3  Dengue-hämorrhagisches Fieber bei einem vierjährigen Mädchen in Kambodscha
Abb. 3 Dengue-hämorrhagisches Fieber bei einem vierjährigen Mädchen in Kambodscha

Die Inkubationszeit des Dengue-Fiebers ist kurz, minimal drei und nie länger als 14 Tage. Nur ein Teil der Infizierten erkrankt schwer, viele merken gar nichts oder entwickeln nur milde, grippeähnliche Symptome. Bei den symptomatischen Patienten setzt bald Fieber ein, das bis über 40 °C ansteigen kann. Es entwickeln sich starke, oft quälende Kopf- und Gliederschmerzen. Daher stammt wahrscheinlich auch der Name: „Ki dinga pepo“ in Suaheli bedeutet krampfartige Schmerzen, die von bösen Geistern stammen. Viele Patienten entwickeln eine diffus gerötete Haut, manchmal entwickelt sich ein flaues makulöses Exanthem oder gar Petechien, die unbefallene Hautstellen aussparen (engl.: white islands on a red sea). Heftige Bauchschmerzen können hinzukommen, starker Durchfall wäre untypisch. Die Patienten sind in der Regel etwa fünf Tage lang richtig krank, bis das Fieber allmählich wieder abflaut (Abb. 2).

Selten, aber klinisch sehr relevant, ist ein möglicher doppelgipfliger Verlauf. Nach einer ersten Fieberphase mit eher unspezifischen Symptomen kommt es zu einem erneuten, noch heftigeren Fieberanstieg mit der Entstehung von Komplikationen. Diese treten typischerweise bei einem Zweitinfekt auf und sind die Folge eines immunvermittelten Prozesses durch präformierte Antikörper (antibody dependent enhancement – ADE). Am gefürchtetsten sind Blutungskomplikationen und Schock durch eine virusbedingte Permeabilitätsstörung der Kapillaren (capillary leak) mit Ödemen und Einblutungen ins Gewebe: das Dengue-hämorrhagische Fieber (DHF), das in lebensbedrohliche Blutungen und die Entwicklung eines Kreislaufschocks (Dengue shock syndrome – DSS) übergehen kann. Dann kann die Letalität bei über 15% liegen (Abb. 3). Aber auch eine heftige Begleit-Hepatitis mit Anstieg der Transaminasen auf hoch dreistellige Werte oder eine Enzephalitis kommen vor.

Diagnose

Im orientierenden Labor sind typische Befunde Leukopenie, Thrombopenie und Erhöhung der LDH. Diese sind zwar unspezifisch, aber bei entsprechender Reiseanamnese und nach einem zwingend durchzuführenden Ausschluss einer Malaria sehr indikativ für eine Denguevirus-Infektion. Wichtige Differenzialdiagnosen sind bei dieser Laborkonstellation neben anderen tropischen Virusinfektionen die Leptospirose und das enterische Fieber, allen voran der Typhus abdominalis.

Auch wenn der klinische Verlauf in Verbindung mit einer entsprechenden Reiseanamnese die Verdachtsdiagnose Dengue nahelegt, muss man sich dennoch vergegenwärtigen, dass Dengue nie eine eindeutige Blickdiagnose ist und damit eine virologische Bestätigung erfordert.

Heute stehen für eine rasche Diagnosestellung Schnellteste zur Verfügung. Die modernen Testsysteme können neben IgM- und IgG-Antikörpern, die sich allerdings erst einige Tage nach Symptombeginn nachweisen lassen, auch den Direktnachweis eines viralen Proteins durchführen: das NS1-Antigen, das innerhalb aller Serotypen des Denguevirus stark konserviert ist. Theoretisch möglich ist auch der molekulargenetische Nachweis des Virus über eine RT-PCR. Eine Anzucht ist nur für wissenschaftliche Zwecke und zur Bestimmung des jeweiligen Serotyps erforderlich.

Behandlung

Es gibt noch kein antivirales Medikament, das man gegen Dengue einsetzen könnte. Das klinische Management beschränkt sich auf symptomatische Maßnahmen, deren beherzter Einsatz aber auch wichtig ist, um den Patienten den Verlauf der oft heftigen Erkrankung zu erleichtern.5 Antipyrese und Analgesie stehen im Vordergrund. Zum Einsatz kommen Paracetamol, Metamizol und gegebenenfalls Ibuprofen. Unbedingt zu vermeiden ist Acetylsalicylsäure (ASS, z.B. Aspirin®) wegen ihrer Hemmung der Thrombozytenaggregation. ASS ist generell für die „Tropenapotheke“ kontraindiziert, da auch viele andere Tropenkrankheiten zur Entwicklung von Thrombopenie und zu Blutungskomplikationen neigen.

Um dem Capillary leak gegenzusteuern, ist rasche Flüssigkeitszufuhr notwendig. Diese sollte, wenn eine ausreichende orale Rehydrierung nicht möglich ist, großzügig mit kristallinen Infusionslösungen erfolgen. Vom individuellen Zustand und Verlauf muss abhängig gemacht werden, ob die Behandlung stationär oder ambulant erfolgen sollte.

Für die Folgetage ist wichtig, dem Patienten eine genügend lange Rekonvaleszenz einzuräumen. Manche brauchen mehrere Wochen, um sich von einem Dengue-Fieber zu erholen. Auch wenn es kein „chronisches Dengue“ gibt, sind doch Fälle eines Chronic Fatigue Syndroms im Gefolge einer Dengue-Infektion beschrieben.6

Schutz vor Dengue

Patienten mit einer Denguevirus-Infektion sind nicht ansteckend (außer direkt über ihr Blut) und müssen nicht isoliert werden. Sie und ihre Umgebung sollten aber auch in Deutschland darauf achten, während des Höhepunktes der Erkrankung nicht von Moskitos gestochen zu werden, um in der Phase der Virämie keinen lokalen Ausbruch zu riskieren.

Generell gilt als das erste Gebot des Schutzes vor Dengue die Expositionsprophylaxe: geeignete Kleidung, die möglichst viele Körperstellen bedeckt, und der Einsatz von Repellentien. Die besten beruhen auf der Basis von ausreichend hoch konzentriertem DEET oder Icaridin. Sie müssen unter den Bedingungen der Tropen (hohe Temperaturen, starkes Schwitzen) immer wieder erneut flächenhaft angewandt werden. Das Auftragen eines Sonnenschutzes sollte ca. 30 Minuten vor dem der Repellentien erfolgen. Moskitonetze sind bei den tagaktiven Vektoren vor allem für Kleinkinder während ihres Mittagsschlafes wichtig.

Impfung

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Entwicklung einer wirksamen und nebenwirkungsarmen Vakzine gegen Dengue als sehr schwierig erwiesen. Nun scheint aber mit Qdenga® (TAK-003 der Firma Takeda) ein Durchbruch gelungen zu sein. Der Impfstoff ist seit Dezember 2022 von der Europäischen Kontrollbehörde EMEA für Personen ab vier Jahren zugelassen7 und seit März 2023 in Deutschland verfügbar.

Qdenga® ist eine tetravalente Lebendvakzine und muss in zwei Dosen im Abstand von drei Monaten subkutan appliziert werden. Für alle Lebendimpfungen stellen Schwangerschaft und Immunschwächekrankheiten eine Kontraindikation dar. Dies gilt auch für Qdenga®. Bei einer gut eingestellten HIV-Erkrankung mit einer ausreichend hohen Zahl an Helferzellen ist die Impfung möglich, allerdings liegen hierzu wie auch zu Langzeitbeobachtungen und der Notwendigkeit eventueller Auffrischungsimpfungen noch wenig Daten vor.

Zu anderen Lebendimpfungen (z.B. Gelbfieber) sollte ein Abstand von mindestens vier Wochen eingehalten werden. Qdenga® ist somit keine „Last minute-Impfung“, sondern erfordert eine entsprechende Vorbereitung und Aufklärung. Die Schutzwirkung vor Infektion wird mit ca. 60%, vor schweren Verläufen und Hospitalisierung mit über 80% angegeben.8 Langzeiterfahrungen zu Wirkung und Nebenwirkungen liegen noch nicht in ausreichendem Maße vor, so dass viele Experten noch zurückhaltend sind, was einen breiten Einsatz der Impfung angeht. Die aktuelle Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit (DTG) empfiehlt die Impfung für Reisen in endemische Regionen für Personen mit einem geplanten Langzeitaufenthalt, Vorerkrankungen, Frauen, die in einem Dengue-endemischen Land eine Schwangerschaft austragen wollen, und solchen, die bereits eine Dengue-Infektion durchgemacht haben.9

Blick in die Zukunft

Es liegt noch ein langer Weg vor uns, bis eine wirksame Impfung den Menschen zur Verfügung stehen wird, die sie am notwendigsten brauchen, den Kindern in den Armutsregionen der endemischen Gebiete. Gleichzeitig werden sich die Vektoren in nächster Zeit weltweit rasch ausbreiten und damit auch eine Verbreitung von Dengue-Infektionen provozieren. Heute schon ist die Hälfte der Weltbevölkerung potentiell exponiert. Aedes-Moskitos sind Profiteure des Klimawandels und des internationalen Warenverkehrs, da ihre Eier beispielsweise mit Altreifen überall hin transportiert werden können. Dengue kommt nach Europa. In den vergangenen Jahren wurden in den warmen Monaten des Jahres Dutzende von autochthonen Fällen aus Portugal, Frankreich und Italien, vereinzelt auch aus Spanien und Kroatien gemeldet. Deutschland ist bisher noch verschont, wenngleich wir alljährlich weit mehr als 1.000 importierte Fälle registrieren.10 Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung ist das Auftreten von Dengue in den Monaten des deutschen Sommers nur noch eine Frage der Zeit.


1 WHO: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/dengue-and-severe-dengue).

2 Samir Bhatt, Peter W. Gething, Oliver J. Brady u. a.: The global distribution and burden of dengue. In: Nature. Nr. 496, 25. April 2013, S. 504–507, doi:10.1038/nature12060

3 Wilder-Smith A, Ooi EE, Horstick O, Wills B. Dengue. Lancet. 2019;393(10169):350-63.

4 http://whqlibdoc.who.int/publications/2009/9789241547871_eng.pdf

5 T. Scott, R. Velayudhan: Handbook for clinical management of dengue – WHO and Special Programme for Research and Training in Tropical Diseases (TDR) report. World Health Organization, Genf 2012, ISBN 978-92-4150471-3

6 Shirin Kalimuddin et al. Chronic sequelae complicate convalescence from both dengue and acute viral respiratory illness. PLoS Negl Trop Dis.. 2022 Aug 18;16(8)

7 EMA - QDENGA 2022 siehe: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/qdenga

8 Fachinformation Qdenga® Dezember 2022

9 https://www.dtg.org/images/Startseite-Download-Box/Qdenga-Aufklaerungsbogen_DTG-StAR_0323.pdf

10 RKI Infektionsepidemiologisches Jahrbuch für 2021, Berlin 2022

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