Prep-Surv
PrEP-Surveillance in Deutschland: Ergebnisse zu Nebenwirkungen sowie STI-PrEP & STI-PEP in HIV-Schwerpunktzentren
Tab. 1 Anteil der PrEP-Nutzenden in den Zentren mit Nebenwirkungen, die zu PrEP-Unterbrechung / PrEP-Abbruch führten, retrospektive Befragung mit Stand zweites Quartal 2023, Median, Min.-Max.-Werte
Im Rahmen des Projekts PrEP-Surv wurden die HIV-Schwerpunktzentren in der halbjährlichen Befragung dieses Mal auch zu Nebenwirkungen und Meningokokken-B-Impfung bei PrEP-Nutzenden sowie zur Doxycyclin-basierten STI-PrEP und STI-PEP befragt. Die Daten zeigen, dass schwerere Nebenwirkungen sehr selten sind und sie geben ein eher kritisches Meinungsbild der Zentren in Bezug auf STI-PrEP und STI-PEP wieder.
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Projekts „Surveillance der Versorgung mit der HIV-Präexpositionsprophylaxe innerhalb der GKV in Deutschland“ (PrEP-Surv) werden halbjährliche Befragungen zu Gebrauch und Versorgung mit der HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) in HIV-Schwerpunktzentren (nachfolgend Zentren) durchgeführt.1 Die Zentren wurden aus dem Netzwerk der Deutschen Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin e. V. (dagnä) rekrutiert. Mehr zum Hintergrund und Gesamtkonzept der Studie findet sich im Epidemiologischen Bulletin 7/2023 sowie auf folgenden Internetseiten: www.rki.de/eve-prep und www.rki.de/hiv-prepsurv.
In dieser Befragungsrunde haben die teilnehmenden Zentren Fragen zu folgenden Themen beantwortet:
- Anzahl der Personen in der HIV-Schwerpunktversorgung,
- Einschätzung der Zentren zum Anteil der PrEP-Nutzenden mit Nebenwirkungen, mit Nierenfunktionsstörung und mit gastrointestinalen Unverträglichkeiten, Anteil der PrEP-Nutzenden mit Meningokokken-B-Impfung
- Meinungsbild zur Doxycyclin basierten Antibiotika-Präexpositionsprophylaxe (Doxy-PrEP) und Antibiotika-Postexpositionsprophylaxe (Doxy-PEP)
Die Gesamtergebnisse sind im ausführlichen Originalartikel im Epidemiologischen Bulletin 13/2024 erschienen. Im vorliegenden Artikel werden die Ergebnisse zum Anteil der PrEP-Nutzenden mit Nebenwirkungen, Meningokokken-B-Impfung sowie dem Meinungsbild zur Doxy-PrEP und Doxy-PEP gezeigt.
Nebenwirkungen bei PrEP-Nutzenden
Tabelle 1 zeigt die Einschätzung der Zentren zum Anteil an PrEP-Nutzenden mit Nebenwirkungen, gastrointestinalen Unverträglichkeiten und Nierenfunktionsstörungen, die zu PrEP-Unterbrechung/PrEP-Abbruch führten. Der Anteil an PrEP-Nutzenden mit Nebenwirkungen, die zu PrEP-Unterbrechung/PrEP-Abbruch führten lag bei 2%. Die Hälfte davon waren PrEP-Nutzende mit gastrointestinalen Unverträglichkeiten und rund ein Drittel waren PrEP-Nutzende mit Nierenfunktionsstörung.
Bewertung
Nebenwirkungen, die zu PrEP-Unterbrechung/PrEP-Abbruch führten kamen mit einem Anteil von 2% sehr selten vor. Noch seltener führten gastrointestinale Unverträglichkeiten oder Nierenfunktionsstörungen zu PrEP-Unterbrechung/PrEP-Abbruch. Ein ähnlicher Anteil von Nebenwirkungen (~3%) als Grund für PrEP-Unterbrechungen oder PrEP-Abbruch fand sich in Voruntersuchungen in EvE-PrEP.2 Dies ist bemerkenswert, da sich in vorherigen Untersuchungen und Diskussionen im Community-Beirat zeigte, dass bei vorliegender Indikation die Angst vor Nebenwirkungen einer der häufigsten Gründe für die Nicht-Einleitung der PrEP war.3 Insofern sollten Zielgruppen spezifische Ansprache und Aufklärung zur PrEP die Angst vor Nebenwirkungen berücksichtigen.
Prophylaktische Antibiotikatherapie: Doxy-PrEP und Doxy-PEP
Die Frage: „Wie sehen Sie die Antibiotika-Präexpositionsprophylaxe (STI-PrEP)? Mit STI-PrEP ist die vorbeugende Einnahme von 100 mg Doxycyclin vor Risikokontakten gemeint.“ wurde von 20 Zentren (69%) mit „Ich sehe die Antibiotika-PrEP kritisch, bin aber nicht völlig dagegen“ beantwortet, gefolgt von sechs Zentren (21%) mit der Angabe „Ich lehne Antibiotika PrEP strikt ab und halte sie für gefährlich.“ Keines der Zentren gab „Ich befürworte Antibiotika-PrEP“ an (Abb. 1).
Die Frage: „Wie sehen Sie die Antibiotika-Postexpositionsprophylaxe (STI-PEP) bei Verdacht? Mit STI-PEP ist die Einnahme von 200 mg Doxycyclin innerhalb von 72 Stunden nach sexuellen Risikokontakten gemeint.“ Wurde von 24 Zentren (83%) mit „Ich sehe die Antibiotika-PEP kritisch, bin aber nicht völlig dagegen“ beantwortet, gefolgt von zwei Zentren (7%) mit der Angabe „Ich lehne Antibiotika PEP strikt ab und halte sie für gefährlich.“ Zwei Zentren (7%) gaben an „Ich befürworte Antibiotika-PEP.“ (Abb. 2).
Abb. 1 Meinung der Zentren (N=29) zur Antibiotika-Präexpositionsprophylaxe (Doxy-PrEP)
Abb. 2 Meinung der Zentren (N=29) zur Antibiotika-Postexpositions- prophylaxe (Doxy-PEP) bei Verdach
Abb. 3 Antworten der Zentren (N=29) auf die Frage „Führen Sie in Ihrem Zentrum die Antibiotika-PrEP (Doxy-PrEP) bzw. Antibiotika-PEP (Doxy-PEP) durch?“
Zusätzlich wurden die Zentren befragt, ob Sie eine Doxy-PrEP bzw. Doxy-PEP durchführen (Abb. 3). Der größte Teil der Zentren gab bei der Doxy-PrEP „Nein“ an (66%), wohingegen für die Doxy-PEP die Mehrheit angab (62%), diese gelegentlich oder in Ausnahmefällen durchzuführen. Keines der Zentren gab an, die Doxy-PrEP oder Doxy-PEP immer oder regelmäßig durchzuführen.
Bewertung
Zusammengefasst wird die Antibiotika-PrEP mit Doxycyclin-Einnahme vor Risikokontakten von den meisten Zentren kritisch gesehen (69%) und von den meisten Zentren auch nicht durchgeführt (66%). Einige Zentren gaben sogar an die Doxy-PrEP strikt abzulehnen und für gefährlich zu halten (21%). Der Rest war unsicher oder hatte keine Meinung dazu. Keines der Zentren befürwortete die Doxy-PrEP. Rund ein Drittel, gab an die Doxy-PrEP durchzuführen, dies aber nur gelegentlich oder in Ausnahmefällen.
Doxy-PEP wurde etwas weniger kritisch gesehen und etwas häufiger durchgeführt. Aber auch hier gaben 83% der Zentren an die Doxy-PEP zumindest kritisch zu sehen. Jeweils zwei Zentren erklärten die Doxy-PEP strikt abzulehnen oder umgedreht zu befürworten. Durchgeführt wurde die Doxy-PEP bei knapp zwei Drittel der Zentren, allerdings nur gelegentlich oder in Ausnahmefällen. Etwas mehr als ein Drittel führte keine Doxy-PEP durch. Keines der Zentren gab an die Doxy-PrEP oder Doxy-PEP immer oder regelmäßig durchzuführen. Neue Erkenntnisse aus Studien wie DoxyPEP4 und DOXYVAC5 könnten durchaus eine Rolle bei der Bewertung der Doxy-PEP spielen.
Insgesamt gesehen, sind STI-PrEP und STI-PEP ohne Erregernachweis aber durchaus problematisch.6 Übermäßiger Off-Label-Gebrauch von Antibiotika kann möglicherweise zu Resistenzentwicklungen führen. Aus medizinischer Sicht ist diese Praxis daher durchaus kritisch zu betrachten. Auch die Deutsche STI Gesellschaft spricht sich in einer Stellungnahme gegen eine breite Anwendung und Implementierung und für eine Anwendung nur in ausgewählten Einzelfällen aus.7
Anteil der PrEP-Nutzenden mit Meningokokken-B-Impfung
Tab. 2 Anteil PrEP-Nutzende mit Meningokokken-B-Impfung, retrospektive Befragung, Median, Min.–Max.-Werte der Zentren
Tabelle 2 zeigt den Anteil der PrEP-Nutzenden mit Meningokokken-B-Impfung. Ein hoher Anteil mit bis zu 85% wurde in Nordrhein-Westfalen angegeben, gefolgt von Berlin mit 60%.
Bewertung
Es wird diskutiert und untersucht inwiefern eine Meningokokken-B-Impfung als Nebeneffekt durch Kreuzprotektion auch einen gewissen Schutz vor Gonorrhoe bieten kann.8 Studien aus den USA und Australien legten eine Schutzwirkung des 4-Komponenten Meningokokken-B-Impfstoffs im Bereich von 30% bis 40% nahe.9-12 Verschiedene randomisierte Impfstoffstudien u.a. die sogenannte DOXY-VAC-Studie untersuchen neben der Doxycyclin PEP auch den Schutz durch Meningokokken-B-Impfung gegen Gonorrhoe. Vorläufige Ergebnisse schienen zunächst einen protektiven Effekt der Impfung zu bestätigen.13 Die kürzlich auf der CROI 2024 präsentierten finalen Ergebnisse der DOXYVAC-Studie konnten den Schutzeffekt der Meningokokken-B-Impfung hingegen nicht eindeutig bestätigen.14
Der Anteil der PrEP-Nutzenden mit Meningokokken-B-Impfung in den befragten HIV-Schwerpunktzentren lag im Mittel bei 10%, im Median bei 5%. Hinsichtlich zunehmender Resistenzentwicklung bei Gonokokken könnte ein Nutzen der Impfung selbst bei limitierter individueller Schutzwirkung durchaus Relevanz haben.15 Nach den neusten Auswertungen der DOXYVAC-Studie bleibt aber abzuwarten inwiefern die Impfung überhaupt einen Schutz vor Gonorrhoe bietet.16
1 Schmidt D, Schikowski T, Friebe M, Kollan C, Bremer V, Bartmeyer B, et al. Surveillance der Versorgung mit der HIV-Präexpositionsprophylaxe in Deutschland – Ergebnisse der halbjährlichen Befragung in HIV-Schwerpunkteinrichtungen. Epidemiologisches Bulletin. 2023;7/2023.
2 Schmidt D, Kollan C, Bartmeyer B, Bremer V, Schikowski T, Friebe M, et al. Low incidence of HIV infection and decreasing incidence of sexually transmitted infections among PrEP users in 2020 in Germany. Infection. 2022:1-14.
3 Schmidt D, Schikowski T, Friebe M, Kollan C, Bartmeyer B, Bremer V, et al. PrEP-Evaluation EvE-PrEP – Ergebnisse einer Befragung zum PrEP-Versorgungsgeschehen in HIV-Schwerpunktzentren des dagnä-Netzwerks. Epidemiologisches Bulletin. 2021;44/2021:3-12.
4 Luetkemeyer AF, Donnell D, Dombrowski JC, Cohen S, Grabow C, Brown CE, et al. Postexposure doxycycline to prevent bacterial sexually transmitted infections. New England Journal of Medicine. 2023;388(14):1296-306.
5 Molina J, Bercot B, Assoumou L, Michele I, Rubenstein E, Pialoux G, editors. ANRS 174 DOXYVAC: an open-label randomized trial to prevent STIs in MSM on PrEP. Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI); 2023.
6 AWMF S2k Leitlinie Registernummer 059 – 006. Sexuell übertragbare Infektionen (STI) – Beratung, Diagnostik und Therapie. https://register.awmf.org/assets/guidelines/059-006l_S2k_Sexuell-uebertragbare-Infektionen-Beratung-Diagnostik-Therapie-STI_2019-09.pdf.
7 Stellungnahme der Deutschen STI Gesellschaft: Antibiotische STI-Prophylaxe mit Doxycyclin („Doxy-PEP“, „Doxy-PrEP“). Version 1.0, 26.06.2023.
8 Seybold U. Meningokokken-Impfung gegen Tripper? HIV & more 2023;3.
9 Abara WE, Bernstein KT, Lewis FM, Schillinger JA, Feemster K, Pathela P, et al. Effectiveness of a serogroup B outer membrane vesicle meningococcal vaccine against gonorrhoea: a retrospective observational study. The Lancet Infectious Diseases. 2022;22(7):1021-9.
10 Wang B, Giles L, Andraweera P, McMillan M, Almond S, Beazley R, et al. Effectiveness and impact of the 4CMenB vaccine against invasive serogroup B meningococcal disease and gonorrhoea in an infant, child, and adolescent programme: an observational cohort and case-control study. The Lancet Infectious Diseases. 2022;22(7):1011-20.
11 Wang B, Giles L, Andraweera P, McMillan M, Almond S, Beazley R, et al. 4CMenB sustained vaccine effectiveness against invasive meningococcal B disease and gonorrhoea at three years post program implementation. Journal of Infection. 2023.
12 Raccagni AR, Galli L, Spagnuolo V, Bruzzesi E, Muccini C, Bossolasco S, et al. Meningococcus B Vaccination Effectiveness against Neisseria gonorrhoeae Infection in People Living with HIV: A Case-control Study. Sexually Transmitted Diseases. 2023;50(5):247-51.
13 Molina J, Bercot B, Assoumou L, Michele I, Rubenstein E, Pialoux G, editors. ANRS 174 DOXYVAC: an open-label randomized trial to prevent STIs in MSM on PrEP. 30th Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI); 2023.
14 Schwarz TF. Meningokokken-B-Impfung bietet auch einen Schutz vor Gonorrhö. Pädiatrie. 2022;34(6):16-.
15 Molina J-M, Bercot B, Assoumou L, al. e. Final Results of ANRS 174 DOXYVAC: A Randomized trial to Prevent STIs in MSM on PrEP Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI)2024.
1Robert Koch-Institut, Abt. 3 Infektionsepidemiologie 2Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin e. V. (dagnä)