PD Dr. Med. Christian Hoffmann, Hamburg
Opportunistische Infektionen - Teil 1
Pneumocystis-Pneumonie (PCP)

Die PCP bleibt auch im HAART-Zeitalter eine der häufigsten AIDS-Erkrankungen bei HIV-Patienten. Erreger dieser interstitiellen Pneumonie, an der heutzutage fast nur antiretroviral unbehandelte Patienten erkranken, sind Pneumocysten, eine ungewöhnliche Pilzart. Die den Menschen befallene Pneumocystis-Spezies (ursprünglich: P. carinii) wurde inzwischen nach dem tschechischen Parasitologen Otto Jirovec in P. jiroveci benannt. Die PCP ist auch heute noch eine sehr gefährliche Erkrankung, die nicht selten eine maschinelle Beatmung erfordert und dann noch immer eine hohe Letalität besitzt. Ältere Patienten haben ein besonders hohes Mortalitätsrisiko. Die früher häufigen Rezidive sind heute dank antiretroviraler Therapie und Prophylaxe selten geworden.

KLINIK

Die klassische Symptom-Trias der PCP besteht aus trockenem Reizhusten, subfebrilen Temperaturen und einer langsam progredienten Belastungsdyspnoe. Oft ist so schon die Abgrenzung bakterieller Pneumonien möglich. Sehr häufig ist ein begleitender Mundsoor. Vor allem bei Patienten, deren HIV-Infektion nicht bekannt ist, vergehen Wochen und manchmal sogar Monate, bis die Diagnose einer PCP gestellt wird.

Fallbeispiel: Husten

Ein 38-jähriger Patient stellt sich neu vor. Seit Wochen bestünde vor allem nachts Husten ohne Auswurf, gelegentlich auch Fieber. Anfänglich habe er dies als grippalen Infekt gedeutet und sogar mit dem Rauchen aufgehört, aber gerade in den letzten Wochen fühle er sich zunehmend schwächer, komme leicht außer Atem und habe mehrere Kilo an Gewicht verloren. Diverse vom Hausarzt verordneten Antibiotika (Präparate nicht erinnerlich) hätten keinen Effekt gehabt. Nun habe der Hausarzt einen HIV-Test durchgeführt, der überraschenderweise positiv ausgefallen wäre.

DIAGNOSTIK

Diagnostik bei PCP-Verdacht:
Blutbild, Krea, HN, Elektrolyte, LDH, yGT, OT, PT, CRP, Q, PTT
Arterielle Blutgasanalyse
CD4-Zellen, HI-Viruslast
Körperliche Untersuchung (Mundsoor? Tachypnoe?)
Röntgen-Thorax
High-Resolution CT Thorax
Bronchoskopie mit BAL

Beim klinischen Verdacht sollte nach der körperlichen Untersuchung (Atemfrequenz? Unauffällige Auskultation? Mundsoor?) unverzüglich ein Röntgen-Thorax sowie, wenn möglich, ein HR-CT der Lunge veranlasst werden. Im Röntgenbild findet sich oft ein relativ charakteristisches Bild mit schmetterlingsförmiger (sich beidseits von hilär ausbreitend), interstitieller Zeichnungsvermehrung. In den Frühstadien sind Mittel- und Unterfelder betont. Die unscharfen, diffusen Veränderungen sind im HR-CT besser zu sehen als im Röntgen-Thorax. Das CT erlaubt außerdem eine relativ sichere Abgrenzung von anderen pulmonalen Infektionen. Fast immer besteht schon früh eine respiratorische Partialinsuffizienz, die durch eine Blutgasanalyse objektiviert werden sollte. Diese erlaubt eine gute Einschätzung der Schwere der Erkrankung, was therapeutische Relevanz hat (siehe unten). Die LDH ist meist erhöht und reflektiert ebenfalls, wenn auch unscharf, die Schwere der PCP. Das CRP ist dagegen oft normal oder nur geringgradig erhöht, sofern nicht begleitende Infektionen bestehen. Sputumproben helfen oft nicht weiter, so dass für die sichere Diagnose meist eine bronchoalveoläre Lavage (BAL) erforderlich ist. Das BAL-Material sollte unbedingt an erfahrene Labore geschickt werden, da Pneumocysten leicht übersehen werden. Zu beachten ist, dass sich die respiratorische Situation durch die BAL zumindest passager verschlechtern kann.

Fallbeispiel: Aufnahmebefund

Schlanker Patient (68 kg/179 cm) mit deutlichem Mundsoor und ansonsten unauffälligem Untersuchungsbefund. RR 120/75 mmHg, Puls 88/min, Grenzwertige Tachypnoe mit ca. 16 Atemzügen/min. BGA: pH 7,39 (Norm 7,35 - 7,45), pO2 69 mmHg (>75 mmHg), O2-Sättigung 93% (>95%), pCO2 36 (35-45 mmHg). Auffällige Werte im übrigen Labor: Hb 10,7 g/dl, CRP mit 10 mg/l mäßig erhöht, ebenso LDH 340 U/l (Norm < 250). CD4-Zellen 15/ul (2%), Viruslast 340.000 Kopien/ml.

THERAPIE: WO UND WIE LANGE?

Die Akuttherapie dauert 21 Tage. Sie sollte bei klinischem Verdacht zügig begonnen werden. Bei klassischer Symptom-Trias, niedrigen CD4-Zellen und fehlender Prophylaxe muss nicht auf die BAL gewartet werden, da Pneumocysten auch noch einige Tage nach Therapiebeginn nachgewiesen werden können.

Da sich viele Patienten unter der Therapie in den ersten Tagen klinisch verschlechtern und manche erst nach Einleitung der Behandlung beatmungspflichtig werden, sollten alle Patienten mit PCP-Verdacht umgehend stationär aufgenommen werden. Nur in leichten Fällen (BGA: PO2 >70 mmHg) kann ein ambulanter Therapieversuch mit oraler Medikation unternommen werden.

MEDIKAMENTE

Mittel der Wahl ist Cotrimoxazol intravenös in sehr hoher Dosierung (15-20 mg/kg Trimethroprim und 75-100 mg/kg Sulfamethoxazol pro Tag) - die orale Gabe empfiehlt sich nur bei leichten Fällen. Wegen einer möglichen klinischen Verschlechterung sollte in den ersten Tagen immer adjuvant 2 x 20-40 mg/d Prednison gegeben werden. Bei schwerer PCP halbiert sich dadurch das Mortalitätsrisiko, zudem werden deutlich weniger Patienten beatmungspflichtig. Eine klinische Verschlechterung während der ersten Therapie-Woche ist trotzdem nicht ungewöhnlich. Die Initialtherapie sollte daher frühestens nach einer Woche und erst nach Ausschluss von Koinfektionen mit zum Beispiel CMV überdacht werden.

Unter den hohen Cotrimoxazol-Dosen werden zwei- bis dreimal wöchentlich das Blutbild, Elektrolyte, Nierenwerte und Transaminasen kontrolliert. Wesentliches Problem neben der Myelotoxizität sowie Leber- und Nierenproblemen ist vor allem ein meist in der zweiten Therapiewoche auftretendes Arzneimittelexanthem, das oft von Drug-Fever begleitet wird. Man kann bei einem solchen Exanthem versuchen, einen oder zwei Tage zu pausieren, um dann unter Antihistaminika und Steroiden mit der halben Dosis weiterzumachen. Andernfalls muss Cotrimoxazol beendet und durch die Alternativtherapien ersetzt werden.

Alle Alternativen zum Cotrimoxazol sind weniger wirksam. Bei Unverträglichkeit oder bekannter Sulfonamid-Allergie wird als zweite Wahl Pentamidin intravenös empfohlen. Diese Therapie ist jedoch sehr toxisch, weshalb wir sie seit Jahren nicht mehr benutzt haben. In sehr leichten Fällen kann eine inhalative Therapie mit täglichen Inhalationen von Pentamidin (täglich 300-600 mg über drei Wochen) versucht werden. Allerdings sind die Erfahrungen nicht immer positiv, und die US-Guidelines raten von der inhalativen Akuttherapie sogar ab. Statt Pentamidin ist auch eine Therapie mit Atovaquon-Suspension oder aber mit einer Kombination aus Clindamycin und Primaquin möglich. Letztere hat einer unlängst veröffentlichten Metaanalyse zufolge in der Second-Line-Therapie der PCP die besten Erfolgsaussichten. Daten liegen allerdings nur für leichte bis mittelschwere PCP-Fälle vor. Primaquin ist zudem in Deutschland nicht mehr zugelassen, der Bezug über internationale Apotheken ist jedoch möglich.

Fallbeispiel: Behandlung

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Abb. 1: Röntgen-Thorax mit PCP (BAL Nachweis) vor Behandlungsbeginn und nach 1 Woche Therapie mit Cotrimoxazol. Deutlicher Rückgang der retikulären Zeichnungsvermehrung

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Abb. 2: CT Thorax, PCP (BAL Nachweis)

In dem am Tag der Erstvorstellung notfallmäßig durchgeführten CT Thorax zeigen sich diskrete interstitielle Infiltrate. Eine empfohlene Bronchoskopie/BAL sowie die stationäre Aufnahme lehnt der Patient ab. Angesichts der dennoch hohen Wahrscheinlichkeit einer PCP wird entschieden, ambulant eine probatorische PCP-Therapie einzuleiten.

Der Patient erhält eine orale Therapie aus Cotrimoxazol (3 x 2 Tabletten zu 960 mg), zusätzlich für die ersten 5 Tage Prednison (2 x 40 mg) sowie aufgrund des Mundsoors für 7 Tage zusätzlich 100 mg Fluconazol täglich.

Es werden wöchentlich zwei Vorstellungen zur Blutentnahme sowie zunächst tägliche telefonische Kontakte vereinbart. Hiermit ist der Patient einverstanden.

WANN MIT ART BEGINNEN?

Während in Deutschland bei den heutzutage fast immer ART-naiven PCP-Patienten meistens gewartet wird, bis die PCP auskuriert ist, werden in anderen Ländern ART und PCP-Therapie oft gleichzeitig gegeben. Mindestens eine retrospektive Studie zeigte ein verbessertes Überleben bei Patienten, die noch während der Hospitalisierung mit ART begonnen hatten. Gegen ein solches Vorgehen sprechen allerdings mögliche kumulative Toxizitäten und Allergien, die zum Absetzen sowohl der PCP- als auch der ART führen können - die amerikanische Leitlinien von 2004 empfehlen daher, bis zum Ende der PCP-Akuttherapie zu warten. Angesichts der immer besser werdenden ART ist dieses Konzept allerdings zunehmend zu hinterfragen. Ein Pneumocystis-bedingtes Immunrekonstitutionssyndrom ist im Vergleich zu anderen OIs sehr selten.

Fallbeispiel: Verlauf

Therapie der PCP (Tagesdosierungen) - Akuttherapie immer drei Wochen!
Schwere/mittelschwere PCP
  • Cotrimoxazol 3 x 5-6 Amp. à 480 mg i.v. plus
  • Prednisolon 2 - 2 - 0 Tbl. à 20 mg (5-10 Tage)
Leichte PCP
  • Cotrimoxazol 3 x 2-3 Tbl. à 960 mg
Alternativen
  • Pentamidin 200-300 mg i.v. 5 Tage (4 mg/kg), dann halbe Dosis
  • Pentamidin tägliche Inhalation mit 3-600 mg (kontrovers, nur in sehr leichten Fällen)
  • Atovaquon Suspension 2 x 750-1.500 mg oral
  • Clindamycin 3-4 x 600 mg i.v. plus Primaquin 1 Tbl. à 30 mg

Klinisch geht es dem Patienten nach 4-5 Tagen besser. Prednison wird nach 5, Fluconazol nach 7 Tagen abgesetzt. Am 11. Tag entwickelt der Patient ein feinfleckiges, juckendes Arzneimittelexanthem am gesamten Körper. Zusätzlich fällt ein Anstieg der Transaminasen (OT 270 U/l) auf, so dass Cotrimoxazol gestoppt und nach einer Pause von 2 Tagen eine Therapie mit Atovaquon für weitere 10 Tage eingeleitet wird. Hierunter kommt es zu einem Rückgang des Exanthems und einer Normalisierung der Transaminasen, allerdings zu einer deutlichen Leukozytopenie. Nach Vollendung von insgesamt 21 Tagen Akuttherapie wird bei inzwischen unauffälligem Kontroll-CT schließlich mit einer antiretroviralen Therapie aus TDF+FTC+LPV/r begonnen. Als Rezidiv-Prophylaxe erhält der Patient zunächst vierzehntägige Pentamidin-Inhalationen. Bei guter Virussuppression sind die CD4-Zellen sechs Monate später auf 240/µl angestiegen, so dass die Prophylaxen beendet werden konnten.

PROPHYLAXE

Patienten mit weniger als 200 CD4-Zellen/µl (oder <14%) sind gefährdet und brauchen deshalb eine Prophylaxe, idealerweise mit Cotrimoxazol. Die tägliche Gabe ist möglicherweise etwas wirksamer als die dreimal wöchentliche. Bei moderater Allergie auf Cotrimoxazol ist eine Desensibilisierung möglich - vor allem bei schlechter Immunrekonstitution sollte sie durchaus versucht werden. Zwar sind Dapson und Pentamidin-Inhalation fast gleich effektiv, doch verhindert Cotrimoxazol besser bakterielle Infektionen oder auch eine Toxoplasmose. Mit der Suspension für Kinder kann zur Desensibilisierung innerhalb von sechs Tagen langsam von 12,5%, 25%, 37,5%, 50% und 75% auf 100% der Dosis der 480 mg Tablette gesteigert werden. In einer Studie an fast 200 Patienten kam es so zu keiner schweren Allergie. Rund drei Viertel aller Patienten können sich so an Cotrimoxazol wieder "gewöhnen".

Prophylaxe (<200 CD4-Zellen/µl, nach PCP-Episode)
Mittel der Wahl
  • Cotrimoxazol 1 x 1 Tbl. à 480 mg/Tag oder 3 x 1 Tbl. à 960 mg/Wo
Alternativen
  • Pentamidin-Inhalation mit 300 mg 1-2 x /Monat
  • Dapson 1 x 2 Tbl. à 50 mg/Tag
  • Dapson 1 x 1 Tbl. à 50 mg/Tag plus Pyrimethamin 1 x 2 Tbl. à 25 mg/Woche plus Folinat 1 x 2 Tbl. à 15 mg/Woche
  • Atovaquon Suspension 2 x 750 mg oral

Monatliche Pentamidin-Inhalationen sind eine gut verträgliche Alternative. Gelegentlich besteht Husten, selten kann ein Asthma-Anfall, sehr selten ein Pneumothorax entstehen. Inhaliert werden sollte mit einem geeigneten Inhalationssystem (z.B. Respirgard II®, kein Pariboy®!) und nach Gabe eines b-Sympathomimetikums. Die früher übliche Loading-Dosis (3 x 300 mg in den ersten 5 Tagen) wird heute nicht mehr überall angewendet. Bei Patienten mit Lungenerkrankungen sind Inhalationen wahrscheinlich weniger wirksam.

Alle weiteren Optionen sind problematisch. Dapson wird gastrointestinal oft schlecht vertragen, ist relativ myelotoxisch und führt überdies häufig zu LDH-Erhöhungen. Wesentlicher Nachteil von Atovaquon, das in zwei Multicenterstudien ähnlich effektiv wie Cotrimoxazol, Dapson und Pentamidin war, ist der hohe Preis (rund 1.000 Euro/Monat).

WANN PROPHYLAXE ABSETZEN?

Bei guter Immunrekonstitution (über drei Monate mehr als 200 CD4-Zellen/µl) können PCP-Prophylaxen meist gefahrlos abgesetzt werden. Nur vereinzelt wurden PCP-Fälle nach Absetzen der Prophylaxe bei mehr als 200 CD4-Zellen/µl beschrieben. Durch das Absetzen werden nicht nur Nebenwirkungen und Kosten reduziert, sondern auch Resistenzen verhindert: Der Anteil Cotrimoxazol-resistenter Bakterien unter HIV-Patienten steigt stetig. Auch Pneumocystis-Resistenzen werden zunehmend beschrieben, die klinische Bedeutung wird allerdings kontrovers diskutiert.

Priv.-Doz. Dr. med. Christian Hoffmann
Infektionsmedizinisches Centrum
Grindelallee 35
20146 Hamburg
Telefon 040-413242-0
E-Mail: hoffmann@ich-hamburg.de
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