GERD FÄTKENHEUER, KÖLN
START-Studie
In der START-Studie soll zum ersten Mal mit einer kontrollierten, randomisierten Untersuchung der Frage nachgegangen werden, ob ein frühzeitiger Einsatz der antiretroviralen Therapie der jetzigen Praxis einer späteren Einleitung der ART hinsichtlich klinischer Ereignisse überlegen ist. Die Studie wird von der INSIGHT-Gruppe durchgeführt werden, die Finanzierung erfolgt hauptsächlich durch die amerikanischen National Health Institutes (NIH).
In den letzten Jahren haben sich die Empfehlungen zur Einleitung einer antiretroviralen Therapie (ART) insbesondere durch neuere immunologische Erkenntnisse und durch Ergebnisse der SMART-Studie hin zu einem früheren Einsatz geändert. In den europäischen sowie internationalen Richtlinien wird eine Art bei einer CD4-Zahl unter 350 Zellen/µl empfohlen. Bei asymptomatischen Patienten mit einer CD4-Zellzahl von mehr als 350/µl soll eine individuelle Abwägung erfolgen. Neben der Erwartung eines günstigeren klinischen Verlaufes für die Patienten hat auch die Verfügbarkeit einfacherer und besser verträglicher Therapieregime entscheidend zu den Änderungen der Empfehlungen beigetragen.
STUDIENDESIGN
In die START-Studie sollen asymptomatische HIV-infizierte Patienten mit einer CD4-Zellzahl von mehr als 500 Zellen/µl eingeschlossen werden. Eine antiretrovirale Vortherapie (auch z.B. im Rahmen einer Transmissionsprophylaxe während der Schwangerschaft) stellt ein Ausschlusskriterium dar. Es erfolgt dann eine Randomisierung in 2 Gruppen:
1. Sofortiger Therapiebeginn
2. Verzögerter Therapiebeginn bis zu einem Abfall der CD4-Zellen auf <350/µl oder bis zum Auftreten von klinischen Symptomen (siehe Abbildung).
Die Art der antiretroviralen Therapie ist nicht festgelegt, es müssen jedoch solche Regime verwendet werden, die in den jeweils aktuellen Leitlinien empfohlen werden. Als Endpunkte gelten alle AIDS-definierenden Ereignisse nach der CDC-Definition mit der Ausnahme einer Oesophagus-Candidiasis und von Herpes simplex-Infektionen.
Weiterhin sind die folgenden nicht AIDS-definierenden Erkrankungen Endpunkte:
- Kardiovaskuläre Ereignisse
- Chronische terminale Niereninsuffizienz
- Dekompensierte Leberzirrhose
- Nicht AIDS-definierende Malignome
- Tod aus jeglicher Ursache
Da die Häufigkeit insbesondere der nicht AIDS-definierenden Ereignisse bei Patienten mit mehr als 500 Helferzellen/µl derzeit nicht sicher abgeschätzt werden kann, wird die Studie in zwei Phasen durchgeführt werden. In einer Pilotphase wird zunächst die Machbarkeit der Studie überprüft werden. Hierzu sollen weltweit 900 Patienten in 70 Zentren in die Studie eingeschlossen werden. Danach wird im Sinne eines adaptiven Designs die endgültige Studiengröße berechnet werden. Derzeit geht man davon aus, dass insgesamt 4.000 Patienten eingeschlossen werden müssen und dass die mittlere Beobachtungszeit 4,5 Jahre betragen soll.
START IN DEUTSCHLAND
Bis Mitte 2008 sollen die ersten Patienten in die START-Studie eingeschlossen werden. In der Pilotphase werden fünf deutsche Zentren beteiligt sein, die vom INSIGHT-Steering-Committee und vom NIH aufgrund von früherer Beteiligung in INSIGHT-Studien ausgewählt wurden.
Mit dem Ziel, mehr deutsche Zentren in die Studie zu involvieren und die Bedeutung deutscher Studienzentren im internationalen Kontext zu stärken, wurde ein Antrag zur Förderung der START-Studie beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gestellt. Dieser Antrag wurde im September 2007 positiv beschieden, der endgültige Bescheid wird im März 2008 erwartet. Deutschland ist damit bisher das einzige Land, das eine Förderung zusätzlich zum NIH zugesagt hat. Es ist geplant, weitere interessierte Zentren schnellstmöglich in die Studie einzubeziehen, sobald alle Voraussetzungen hierzu erfüllt sind.
Der INSIGHT-Gruppe ist es gelungen, dass mehrere pharmazeutische Firmen die notwendige Medikation für die Länder zur Verfügung stellen, in denen eine Verschreibung nicht ohne weiteres möglich ist. Damit ist auch sichergestellt, dass deutsche Zentren durch die Verschreibung von Medikamenten innerhalb der Studie nicht in Probleme kommen.
PERSPEKTIVEN
Die START-Studie wird sicherlich die wichtigste strategische Studie der nächsten Jahre im Bereich der HIV-Infektion. Sie soll eine Antwort auf eine der derzeit wichtigsten Fragen in der Behandlung der Erkrankung geben. Daneben wird sie die Möglichkeit bieten, eine Vielzahl von weiteren Fragen zu untersuchen. Für deutsche Zentren wird hier eine optimale Möglichkeit bestehen, sich gut in der internationalen klinischen Forschung zu positionieren.