Stefan Reuter, Düsseldorf
PRO – PrEP: Gute Nachrichten machen Mut!

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Sex ohne Reue?

Optimismus ist angesagt, da sich verschiedene Strategien der Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) inzwischen als wirksam erwiesen haben. Die Vorzeichen stehen gut, um PrEP-Strategien weiter zu entwickeln, auch wenn bis zu einem breiten Einsatz noch ein gutes Stück Weg zurückgelegt werden muss. Am Ende dieses Weges wird es auf das Zusammenspiel verschiedener PrEP-Einzelmaßnahmen und ihre Fokussierung auf Risikogruppen ankommen, um sowohl das individuelle Risiko als auch die HIV-Epidemie im Ganzen nachhaltig zu beeinflussen.

In den letzten Jahren konnten erstmals nachhaltige Erfolge durch präventive Maßnahmen dokumentiert werden, denn im weltweiten Kontext waren Neuinfektionen im Zeitraum zwischen 2000 und 2008 zurückgegangen. Diese sehr gute Nachricht darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich weiterhin jährlich 2-3 Millionen Menschen mit HIV infizieren; im Jahr 2008 waren es 2,7 Millionen Neuinfektionen. Es besteht also eindeutig Steigerungsbedarf im Kampf der HIV-Prävention. Einerseits müssen etablierte, nachweislich wirksame Präventionsmaßnahmen ausgebaut werden, insbesondere der Kondomgebrauch und die männliche Zirkumzision. Zusätzlich muss ein umfassendes globales Präventionskonzept aber auch innovative Maßnahmen, einschließlich der medikamentösen Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) berücksichtigen.

Erste Ergebnisse geben dieser Strategie recht!

PrEP wirkt

Über viele Jahre erschien der PrEP Ansatz nicht umsetzbar, da von der eingesetzten Substanz eine rasche Wirksamkeit gegen HIV, ein einfaches Einnahmeschema, niedrige Nebenwirkungsraten und eine hohe Resistenzbarriere zu fordern sind. Mit Tenofovir (+Emtricitabin) wurde erstmals eine Substanz(kombination) gefunden, welche die meisten der genannten Eigenschaften in sich vereinte. Seit dem Jahr 2004 wurden nun bereits über 21.000 Probanden in PrEP-Studien eingeschlossen.

In der CAPRISA-Studie konnte der präventive Nutzen eines topischen Mikrobizids erstmals unter Beweis gestellt werden. Ein Tenofovir-Vaginalgel verminderte die HIV-Inzidenz bei diskordanten heterosexuellen Paaren um 39%. Diese Studie stellt einen Meilenstein in der Präventionsforschung dar (Abdool Karim-Q 2010).

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Abb. 1 iPREX-Studie. Gute Wirksamkeit bei guter Adhärenz

Die zweite PrEP-Studie, deren Daten erst kürzlich publiziert wurden, ist die multinationalen iPrEx-Studie (Grant 2010). Bei 2499 MSM wurde hier erstmals die Wirksamkeit einer oralen PrEP-Strategie geprüft. Die Einnahme von Tenofovir/Emtricitabin (Truvada®) führte zu einer 44% HIV-Risikoreduktion nach 2,5 Jahren. Diese signifikante präventive Wirkung trat auf, obwohl Spiegelmessungen suggerierten, dass zwischen einem Drittel und der Hälfte der Patienten die Tabletten nicht wie vorgesehen jeden Tag eingenommen hatten. Der nachweisbare präventive Effekt trotz schlechter Adhärenz seitens der Probanden belegt die hohe Effektivität dieser Strategie. Es besteht sogar noch Steigerungspotenzial durch Erhöhung der Adhärenz (Abb. 1).

Sicherheit ist wichtig

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Abb. 2 iPREX-Studie. HIV-Inzidenz in Abhängigkeit von ungeschütztem Analverkehr (URAI)

Die laufenden sowie künftigen PrEP-Studien untersuchen auch die Sicherheit der Medikamente bei den verschiedenen Risikogruppen. Sicherheitsaspekte umfassen das Risiko der Resistenzentwicklung, der Langzeitnebenwirkungen und mögliche Verhaltensänderungen (Promiskuität, STDs). Zum Aspekt der Verhaltensänderungen ergaben die bisherige Daten (CDC 4323) keinen Hinweis auf ein erhöhtes sexuelles Risikoverhalten bei MSM unter einer PrEP. In der iPrEx-Studie ergab sich bei den ersten Auswertungen kein Hinweis auf relevante Nebenwirkungen z.B. von Seiten der Niere oder des Knochens.

Noch nicht ausgereift

Zugegeben: Der Ansatz der PrEP ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausgereift, um eine Empfehlung für den breiten Einsatz geben zu können. Mit einer Schutzwirkung von 44% sind die iPrEx-Ergebnisse jedoch keinesfalls ernüchternd, sondern ermutigend, und PrEP wird das Armentarium der HIV-Prävention in Zukunft sicherlich bereichern.

Neue Modelle

Für die Region San Francisco wurde erst kürzlich eine „test-and-treat“-Strategie für Männer die Sex mit Männern haben (MSM) in einem Gedankenmodell näher beleuchtet (Charlebois-ED 2011). Eine „test-and-treat“-Strategie beinhaltet regelmäßige HIV-Testungen des Großteils einer Population und die zeitnahe Einleitung einer antiretroviralen Therapie bei positivem Testergebnis, um hierdurch letztendlich das Übertragungsrisiko zu reduzieren. In der Modellrechnung von Charlebois et al. wurde berücksichtigt, dass nicht alle HIV-Positiven sofort diagnostiziert werden, nicht alle sofort eine Therapie wünschen und dass die Therapie nicht optimal wirkt. Für Regionen mit einer besonders hohen HIV-Prävalenz ergaben Modellrechnungen am Beispiel der Region San Francisco eine deutliche Reduktion von Neuinfektionen durch eine solche „test-and-treat“-Strategie. Würden alle MSM in San Francisco einmal pro Jahr getestet und bei positivem Befund behandelt, wäre nach dem genannten Modell eine Reduktion der Neuinfektionen um 76% innerhalb von 5 Jahren erreichbar.

Es kommt auf die Kombination von Maßnahmen an

So verschiedenartig die Sexualpraktiken, so verschiedenartig sind auch die Ansichten und Vorlieben für oder gegen einzelne PrEP-Maßnahmen. Um eine möglichst große Gruppe von Risikopatienten zu erreichen, wird es daher künftig darauf ankommen, wirksame Ansätze so zu kombinieren, dass Pakete aus verschiedenen Schutzmaßnahmen geschnürt, und auf einzelne Risikogruppen zugeschnitten werden können. Medikamentöse Prävention kann HIV-Infektionen verhindern, dies haben inzwischen mehrere Studien gezeigt. Es wird jedoch darauf ankommen zu zeigen, dass PrEP-Strategien die HIV-Inzidenz und -Prävalenz ausreichend stark senken, um die hiermit verbundenen hohen Kosten zu rechtfertigen.

Grant-RM et al. MEJM 2010;363:2587-99
Abdool Karim-Q et al. Science 2010; 329:1168-74.
Charlebois-ED et al. Clin Infect Dis 2011;52:1046-9.



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