HIV-positive
Kinder in Deutschland:
Behandlungsverbesserung
durch Forschung
im Kompetenznetz HIV/AIDS
Hintergrund: HIV-positive Kinder und Schwangere in Deutschland
In Deutschland leben geschätzt ca. 400-500 HIV-positive und ca. 5.500 HIV und HIV-Therapie exponierte Kinder und Jugendliche. Die meisten von ihnen werden in einem der pädiatrischen HIV-Zentren behandelt, die gemeinsam die PAAD bilden: Pädiatrische Arbeitsgemeinschaft AIDS e.V., kurz „PAAD“ (www.kinder-aids.de), eine Sektion der Dt. AIDS Gesellschaft.
11.500 Frauen in Deutschland sind HIV-positiv, der überwiegende Teil im sog. gebärfähigen Alter. Aufgrund der deutlich verbesserten Lebensperspektive und der geringen Übertragungswahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion von der Mutter auf ihr Kind entscheiden sich infizierte Frauen zunehmend für eine Schwangerschaft.
Das Robert Koch-Institut schätzt, dass etwa 200-250 Schwangerschaften von HIV-infizierten Frauen pro Jahr in Deutschland ausgetragen werden. Für die Schwangeren-Kohorte werden in 10 gynäkologischen Zentren, die in der Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe der DAIG zusammengeschlossen sind, deutschlandweit Daten erhoben.
Die Daten der Kinder- und Schwangeren-Kohorte: ideale Forschungsmöglichkeiten
Klinische und soziodemographische Daten von aktuell 644 Kindern und Jugendlichen werden entsprechend deren Einwilligung in der Kinder-Kohorte, in enger Zusammenarbeit mit der PAAD, pseudonomisiert dokumentiert. Diese Dokumentation ist notwendig, da in Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern im pädiatrischen Bereich bisher deutlich weniger klinische-, sozial- und grundlagenwissenschaftliche Forschung – und auch im Vergleich zu Forschung HIV-infizierter Erwachsener – durchgeführt wird und wurde.
Im Rahmen der Kinder- und Schwangeren-Kohorte besteht die Möglichkeit, auch Blutproben der PatientInnen zu asservieren und der Forschung zur Verfügung zu stellen. Durch die Dokumentation der Daten unter einem Pseudonym ist, im Unterschied zu anonymen Schwangerschaftsregistern, eine longitudinale Betrachtung der Patientinnen möglich. Die Verknüpfung mit den Daten des eigenen exponierten bzw. infizierten Kindes in der Kinder-Kohorte des Kompetenznetzes HIV/AIDS ist gegeben. Aktuell sind 72 Patientinnen mit 93 Schwangerschaften dokumentiert. Das mittlere Alter der Schwangeren lag bei 31 Jahren (min 19 - max. 45 Jahre). Bei 51% dieser Frauen wurde im Rahmen der Schwangerschaft eine HIV-Infektion neu diagnostiziert. Der HIV-Status des Kindsvaters war bei 17% positiv, aber bei rund 49% nicht bekannt.
Welche Daten werden dokumentiert?
Abb. 1 HIV-infizierte Kinder und Jugendliche der Kinder-Kohorte des Kompetenznetzes HIV/AIDS, nach Altersgruppe und Geschlecht
Abb. 2 Anzahl der in der Kompetenznetz-Schwangeren-Kohorte dokumentierten Geburten HIV-infizierter Mütter, dargestellt nach Geburtsjahr
Folgende Daten werden u.a. für die Kinder- und Schwangeren-Kohorte dokumentiert: Soziodemographie, Anamnese der Mutter, gynäkologische und HIV Anamnese, Entbindung, Geburtsanamnese, Schwangerschaftsverlauf (Komplikationen in der Schwangerschaf und bei der Geburt), Klinische Befunde und Laborbefunde sowie Therapie (ART und andere).
Von den 644 dokumentierten Kindern sind 220 HIV-positiv; 424 Kinder waren HIV- und ART-exponiert, sind aber HIV-negativ. Sie wurden von spezialisierten HIV Pädiatern über ca. 24 Monate regelmäßig untersucht, um Erkrankungen direkt zu erfassen und diese direkt behandeln zu können und nach Möglichkeit, auf der Basis der gemachten Erfahrungen, bei anderen Kindern zu vermeiden. Ebenfalls werden die ART und eventuelle Nebenwirkungen erfasst.
Des Weiteren werden in der Datenbank der Kinder- und Schwangeren-Kohorte Daten der Mutter über mögliche Koinfektionen mit Hepatitis B und C dokumentiert, um die zusätzliche Exposition des Kindes und ggf. entsprechende prophylaktische Maßnahmen analysieren zu können. Innerhalb der Kohorten-Daten waren rund 10% der Mütter während der Schwangerschaft mit Hepatitis B und/oder C koinfiziert.
Auch zur HIV-Transmission verfügt das Kompetenznetz über wichtige Daten. Bei einer nicht leitliniengerechten Behandlung von Mutter und Kind beträgt die HIV-Transmissionsrate ca. 25%, im Gegensatz zu weniger als 1% bei entsprechender Behandlung. Im Kompetenznetz HIV/AIDS sind fast 100 solcher Fälle dokumentiert, welche eine wichtige Basis für eine Charakterisierung und Entwicklung von entsprechenden Präventionsmaßnahmen darstellen.
Relevante Daten für die Forschung
Abb. 3 Verteilung der ersten dokumentierten ART HIV-infizierter Kinder nach Klassen
Die Daten der Kinder- und Schwangeren Kohorte bilden insgesamt annähernd die Hälfte der für Deutschland geschätzten HIV-infizierten Kinder und Jugendliche ab. Die Kohorte ist damit bereits jetzt schon, auch im internationalen Vergleich, eine zentrale Grundlage für die weitere, evidenzbasierte Therapie-Optimierung für diese Patientengruppe.
Zu folgenden Forschungsthemen können die Daten der Kinder- und Schwangeren Kohorte u.a. neue Erkenntnisse leisten:
- Langzeittoxizität der antiretroviralen Therapie
- Optimierung der vertikalen Transmissionsprophylaxe und der Post-Expositionsprophylaxe
- Analyse der somatischen Entwicklung (Gewicht, Größe, Kopfumfang bei HIV-exponierten Kindern in Abhängigkeit von Ethnizität, Geschlecht, ART-Exposition, etc.)
Die Kompetenznetzdaten zeigen zudem langjährige Verläufe der eingesetzten ART, Labordaten und Begleiterkrankungen, bei Kindern und Jugendlichen teilweise bis weit ins Adoleszentenalter.
Internationale Einbindung
Die Kinder- und Schwangeren-Kohorte ist international erfolgreich etabliert. Im Rahmen des europäischen Kohortenverbundes EPPICC (European Pregnancy and Paediatric HIV Cohort Collaboration) werden Daten international zusammengeführt. Weiterhin ist die Kinderkohorte über den europäischen Kohortenverbund COHERE (Collaboration of Observational HIV Epidemiological Research Europe) in das europäische Network of Excellence – EuroCoord – eingebunden. Die Kinderkohorte des Kompetenznetzes gehört zu den größten Kohorten in Europa und liefert wertvolle Daten im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit.
Die deutsche KompNet Kinder-Kohorte nimmt aktuell an einer großen europäischen Studie (MITOC - Mitochondrial Toxicity in Children and NRTI Exposure) teil, mit der Fragestellung möglicher neurologischer Schäden durch die Exposition der ART über die Mutter.
Finanzierung weiter schwierig
Obgleich der medizinische Nutzen der Datenerhebung im Rahmen der Kinder- und Schwangeren-Kohorte erkannt wird, ist die Finanzierung der Kohorte nach Auslaufen der bundesstaatlichen Förderung im Jahr 2011 problematisch. Die Firmen Abbott und BMS unterstützen die Kohorte im Kompetenznetz HIV/AIDS, weitere Sponsoren werden gesucht.
Daten-Anfragen für Forschungszwecke können an die Geschäftsstelle des Kompetenznetzes HIV/AIDS gerichtet werden.