Anna Moog, München
Die neuen
STIKO-Empfehlungen
MMR für Erwachsene
Die STIKO erinnert daran, dass nach 1970 geborene Erwachsene, die in der Kindheit nicht oder nur einmal gegen Masern geimpft worden sind oder deren Impfstatus unbekannt ist, eine einmalige Masern-Impfung vorzugsweise mit einem Masern-Mumps-Röteln-Impfstoff erhalten sollten. Bei vorliegender HIV-Infektion gilt zu beachten, dass es sich bei der Masern-Mumps-Röteln-Impfung um eine Lebendimpfung handelt, die nur ab einer CD4-Zellzahl über 200/µl möglich ist! Bei Patienten mit schwerem Immundefekt ist es daher umso wichtiger, Haushaltskontaktpersonen, die Partner und Familienmitglieder zu impfen.
Zudem hat die STIKO eine Erweiterung der beruflichen Indikation der Mumps-Impfung beschlossen. Die Empfehlung wurde ausgeweitet auf Personen, die in Gesundheitsdienstberufen in der unmittelbaren Patientenversorgung, in Gemeinschaftseinrichtungen oder Ausbildungseinrichtungen für junge Erwachsene tätig sind. Damit wurde der epidemiologischen Entwicklung der letzten Jahre Rechnung getragen. Während früher überwiegend Kinder im Alter unter 10 Jahren erkrankten, sind heute vor allem Jugendliche und junge Erwachsene betroffen. Im Rahmen der Erkrankung können eine Reihe von Komplikationen auftreten (ZNS-Beteiligung, Pankreatitis, Orchitis beim Mann).
Hier gilt es wie bei der Empfehlung zur Masernimpfung, den Impfschutz von uns Ärzten und den Klinik- bzw. Praxismitarbeitern zu überprüfen. Oft findet man gerade bei gefährdetem Personal erhebliche Impflücken. Im Kontakt mit Immunsupprimierten gilt ohnehin, dass die betreuenden Ärzte geimpft sind, um im Erkrankungsfall nicht Patienten anzustecken.
Nachholimpfungen
Jeder Arztbesuch sollte genutzt werden, dem Impfpass zu überprüfen und gegebenenfalls den Impfschutz zu vervollständigen
Die neuen Hinweise zu Nachholimpfungen finden sich in tabellarischer Form in Altersgruppen eingeteilt und sollen Ärzten im Praxisalltag eine Hilfestellung geben, welche Impfungen bei unvollständig geimpften Patienten erforderlich sind, um den altersentsprechend empfohlenen Impfschutz zu erreichen. Die STIKO erläutert zum Beispiel das Vorgehen bei fehlender Impfdokumentation: bei unbekanntem Impfstatus, das heißt bei fehlender oder unvollständiger Dokumentation von Impfungen, ist im Interesse der zu schützenden Person von fehlenden Impfungen auszugehen. Anamnestische Angaben zu bisherigen Impfungen oder durchgemachten Krankheiten (z.B. Masern, Mumps, Röteln) sind mit Ausnahme von Varizellen oft unzuverlässig und sollten bei der Planung von Nachholimpfungen nicht berücksichtigt werden. Von im Zweifel zusätzlich verabreichten Impfdosen geht in der Regel kein erhöhtes Risiko aus. „Überimpfen“ ist nicht gefährlich.
„Serologische Titerbestimmungen“ sind nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Ausnahmen sind die Überprüfung des Impferfolges bei Patienten mit Immundefizienz (siehe Hinweise der STIKO im Epidemiologischen Bulletin 39/2005) sowie zum Nachweis des Schutzes gegen Hepatitis B bei Personen mit erhöhtem Expositionsrisiko. Empfohlen werden Titerkontrollen außerdem zum Nachweis eines Varizellen-Schutzes bei Frauen mit Kinderwunsch und unklarer Varizellen-Anamnese. Sollte bei HIV-Positiven eine Varizellenimpfung erwogen werden, ist zu beachten, dass eine ausreichend gute Immunlage vorliegt (CD4 Zellzahl > 500/µl).
Tetanus allein obsolet
Erstmals werden auch altersabhängige Empfehlungen für die Durchführung von Nachholimpfungen formuliert. Erwachsene zum Beispiel sollten bei unzureichendem Impfschutz gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten oder Polio entsprechende Nachholimpfungen erhalten. Bei einer anstehenden Tetanus-Auffrischimpfung sollte der Kombinationsimpfstoff gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis verwendet werden. Hintergrund für diese Empfehlung ist die Häufung von Keuchhusten-Fällen bei Erwachsenen. Dies wird bei unfall- oder verletzungsbedingten Tetanus-Impfungen meistens noch nicht ausreichend berücksichtigt. Auch in diesem Fall sollte der Kombinationsimpfstoff eingesetzt werden.
Meningokokken-Meningitis
Eine Änderung betrifft die 4-valenten Konjugatimpfstoffe gegen Meningokokken der Typen A, C, W-135 und Y (Nimenrix® oder Menveo®). Diese werden von der STIKO für Personen mit erhöhtem Risiko für schwere Meningokokken-Erkrankungen (angeborene und erworbene B- und T-Zelldefekte, Z.n. Splenektomie und für Reisende in Länder mit hohem Infektionsrisiko wie Teile Afrikas, vor einer Pilgerreise nach Mekka/Hadj) empfohlen. Die STIKO hat in ihren Empfehlungen die Erweiterung der Zulassung dieser Impfstoffe auf Kinder ab 1 Jahr berücksichtigt, statt bisher ab 11 Jahren. Die Empfehlung der routinemäßigen Impfung aller Kinder im zweiten Lebensjahr mit einem Konjugatimpfstoff gegen Meningokokken C bleibt unverändert bestehen.
Pneumokokken
Die STIKO hat zur Kenntnis genommen, dass die Zulassung für den 13-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoff Prevenar 13® erweitert wurde. Bisher war nur der 23-valente Pneumokokken-Polysaccharidimpfstoff Pneumovax® für Erwachsene zugelassen. Prevenar 13® soll eine bessere Immunogenität haben, ohne gleichzeitig die bekannte „Hyporesponsiveness“ der Polysacheridimpfstoffe nach wiederholter Impfung aufzuweisen.
Ob sich die beobachtete bessere Immunogenität bei gleichzeitig schmalerem Serotypenspektrum auf die Schutzwirkung auswirkt, kann aufgrund der vorliegenden Daten nicht beurteilt werden. Die STIKO sieht deshalb derzeit keine ausreichende Evidenzgrundlage für eine Änderung ihrer geltenden Empfehlung zur Impfung der über 60-jährigen. Bei Personen, bei denen die wiederholte Impfung gegen Pneumokokken indiziert ist (Patienten mit Immundefizienz oder chronischer Nierenkrankheit), ist es möglicherweise sinnvoll, sowohl mit Pneumovax 23® als auch mit Prevenar 13® zu impfen. Allerdings liegen auch für diese Indikation keine ausreichenden Daten vor. Sofern ein solches Vorgehen in Betracht gezogen wird, sollte bei bisher ungeimpften Personen die Impfung mit dem Konjugatimpfstoff zuerst erfolgen. Eine nach 5 Jahren anstehende Wiederholungsimpfung bei bereits geimpften Personen kann dann mit PCV13 erfolgen. Die Kostenerstattung ist allerdings erst mit der jeweiligen Krankenkasse individuell zu klären!
Impfkalender im Internet
Ein umfassendes Informationsangebot und einen leichteren Zugriff auf die Internetseiten bietet das neue Internetangebot www.stiko.de. Zur Unterstützung der Beratungstätigkeit der Ärzte wurde der aktuelle STIKO-Impfkalender sowie die Einwilligungserklärung in die Masern-, Mumps-, Röteln- und Varizellenimpfung in 15 Sprachen übersetzt. Diese Dokumente wurden auf den Internetseiten des RKI publiziert und sind unter www.rki.de/impfen abrufbar.