Sabine Valentin, München
Ehrenamtliches Engagement in Ghana
Neun Wochen in afrikanischer Klinik

Nicht nur reden, auch mal etwas tun, das war mein Wunsch und darum bin ich als freiwillige Helferin nach Afrika gereist. Auf dem Land in Ghana konnte ich Wissen weitergeben, aber auch viele interessante Eindrücke mitnehmen.

Willkommen in Langbinsi

Nach einer abenteuerlichen, 15-stündigen Busreise von der Hauptstadt Accra im Süden komme ich am Heiligen Abend in Langbinsi, einem Dorf ganz im Norden Ghanas, an. Ich gehe die „dirty road“ entlang, die demnächst asphaltiert werden soll. Auf der Straße laufen Ziegen, Schweine und Hühner umher; dazwischen Motorräder und Fahrräder. Überall liegt Müll – Abfall wird einfach auf die Straße geworfen. Wer mehr wert auf seine Umwelt legt, verbrennt seinen Müll. Hier bin ich, will neun Wochen lang Teil dieses Lebens sein und mich für eine bessere Versorgung von HIV/Aids stark machen. Und als Mitarbeiterin im wissenschaftlichen Außendienst bei Janssen im Bereich Virologie bringe ich Fachwissen im Bereich HIV mit.

Abb. 1  Medikamentenausgabe in der Presbyterian Clinic, Langbinsi
Abb. 1  Medikamentenausgabe in der Presbyterian Clinic, Langbinsi

Das „Afrika-Fieber“ hatte mich schon lange erwischt und mein Wunsch war es, mich sozial zu engagieren. Mut hat mir der Erlebnisbericht unseres weltweiten Forschungsleiters gemacht, der selbst in den 80er Jahren als Arzt in Kenia gearbeitet hat. Er betonte, wie sehr ihn die Zeit in Afrika geprägt hat, wie wichtig es ist, neben wirksamen Medikamenten vor allem die Aufklärung in Entwicklungsländern voran zu bringen.

Langbinsi hat 5.000 Einwohner, die nächsten District Städte liegen ca. 30 km (ohne befestigte Straßen) und die Hauptstadt Accra ist eine Tagesreise entfernt. Hier in Langbinsi leben zum Großteil Muslime, doch meine Gastgeber sind Christen. Sie empfangen mich freundlich und nehmen mich mit zum Weihnachtsgottesdienst: Drei Stunden lang wird getanzt und gesungen, es gibt einige Prediger und einen Pastor – manchmal reden alle durch- einander. Ein Mann spielt Schlagzeug.

Und was kann man in Langbinsi tun? Nicht wirklich viel. Die Attraktion ist alle drei Tage der Markt. Man kann dort Nüsse, Öl, Tomaten, Gewürze, Nudeln, Tomatenpaste sowie Kleidung und Stoffe kaufen. Fernsehen gibt es nicht, aber einen DVD Player. Richard, mein „Gastvater” (31 Jahre) kauft sich gerne Actionfilme und Lamisi, meine „Gastmutter” (25 Jahre) Liebesfilme von irgendwelchen Königshäusern aus Nigeria. Das Leben hier ist ganz anders als zu Hause: ruhiger, aber auf keinen Fall langweilig.

Medizinische Grundversorgung

HIV and AIDS Estimates aus dem USAID Bericht für Ghana
total Population* 24,3 million (mid-2010)
Estimated Population Living with HIV/Aids** 260.000 (end 2007)
Adult HIV Prevalence** 1,9% (end 2007)
HIV Prevalence In Most-at-Risk Populations*** Sex Workers: Stationary sex workers 52% (Accra) (2006) And mobile sex workers 37% (Accra) (206), MSM: 25% (2006)
Percentage of HIV-Infected People Receiving Antiretroviral Therapy**** 15% (end 2007)

Wenige Tage später startet mein Einsatz in der Presbyterian Clinic Langbinsi, in der mein Gastvater der Projektverantwortliche ist. Als ausgebildeter Krankenpfleger hat er von der Presbyterian Church eine Weiterbildung als Physician Assistant bekommen. Dafür muss er fünf Jahre auf dem Land für die Presbyterian Church, dem drittgrößten Anbieter im Gesundheitsmarkt, arbeiten. Dadurch soll die Versorgung in ländlichen Gegenden, in denen Ärzte- und Krankenschwestermangel herrscht, verbessert werden.

Die Presbyterian Clinic Langbinsi ist keine Klinik im europäischen Sinne, eher eine Gesundheitsstation für die medizinische Grundversorgung in der Gegend. Die Menschen müssen sehr lange bis nach Langbinsi laufen, wenn sie medizinische Hilfe benötigen, doch die Patientenzahlen steigen Jahr für Jahr. Häufigste Diagnose ist Malaria, gefolgt von Durchfällen, Fiebererkrankungen, Erkältungen, sexuell übertragenen Krankheiten und Pilzinfektionen. Die Klinik ist gut mit Medikamenten ausgestattet und es gibt sogar einen Krankenwagen.

Viele verschiedene Sprachen

Abb. 2  Hauptstraße Langbinis, Hinweisschild auf die Ambulanz
Abb. 2  Hauptstraße Langbinis, Hinweisschild auf die Ambulanz

In der ersten Woche nehme ich vor allem Patienten auf, messe Fieber, Blutdruck und Gewicht. Das geht auch ohne große Worte, denn die Sprache ist ein echtes Problem: Die Amtssprache in Ghana ist Englisch. In den Städten können die Menschen sehr gut Englisch, auch die Klinikmitarbeiter sprechen Englisch – die Patienten sprechen jedoch nur ihre einheimische Sprache.

Viele Menschen in Ghana wissen nicht, wann sie geboren sind. Eine ältere Dame – ich schätze sie auf um die 70 Jahre – kommt zu mir an die Anmeldung. In ihrer Akte fehlt das Geburtsdatum. Als ich sie nach ihrem Alter frage, antwortet sie, sie sei 30. Herrlich, oder? Und es gibt keine Papiere, die die Wahrheit enthüllen!

Später hospitiere ich bei der einzigen Hebamme der Klinik. Diese Frau hilft jeden Monat 30-70 Frauen bei der Entbindung! Gleich in meiner ersten Woche darf ich bei vier Geburten dabei sein.

Es gibt in Ghana über 70 verschiedene Volksgruppen. Jede hat ihre eigene Tradition, Kultur, Kleidung und jede spricht eine andere Sprache. Kommt eine Krankenschwester nicht aus der gleichen Gegend wie der Patient, braucht man einen Übersetzer oder man kommuniziert mit Händen und Füßen. Ich gebe mir große Mühe, die wichtigsten Begriffe in der gängigsten Sprache Mampruli zu lernen. Aber die Aussprache ist sehr schwierig und die Patienten lachen vergnügt, wenn ich nur ihre Namen aufrufe.

Mit Aufklärung gegen Krankheiten

Donnerstag ist Wiege- und Impftag in der Klinik. So kommen sehr viele Frauen an diesem Tag zusammen. Wir nutzen das, um über HIV aufzuklären. Jeden Morgen gebe ich darüber hinaus HIV/AIDS-, Hepatitis- und Malaria-Aufklärungsunterricht zur Prävention – immer zusammen mit einem Übersetzer. Die Patienten kommen nicht extra deshalb, aber sie sitzen sowieso gerade im Wartebereich unter freiem Himmel. Allen werdenden Müttern wird ein freiwilliger und kostenloser HIV-Test angeboten. Wird eine Infektion festgestellt, werden die Patienten in größere autorisierte Zentren überwiesen.

Um einer Stigmatisierung der Erkrankten entgegen zu wirken, betone ich, dass die meisten Alltagssituationen wie Hände schütteln, gemeinsame Toilette benutzen und Moskitostiche, kein Risiko darstellen. Auf meine Frage „Wie kann man sich vor HIV schützen?“ höre ich mehr als einmal die Antwort: „Mit beten!“. Unter großem Gelächter meines Publikums  zeige ich an einem Holz-Penis, wie man ein Kondom benutzt. Was mich besonders freut: Eine Angestellte in der Klinik hat angekündigt, den Unterricht zu übernehmen, wenn ich nicht mehr da bin.

Der Kondom-Absatz steigt durch die Aufklärungsarbeit. Ein junger Mann aus einem entfernten Dorf hat sogar gleich 100 Kondome gekauft, da er ein gutes Geschäft gewittert hat, wenn er über HIV in seinem Dorf aufklärt und dann gleich Kondome dazu verkaufen kann. Es wurde auch im so genannten Consulting-Room eingebrochen, um Kondome zu stehlen. Die Testbereitschaft hat sich ebenfalls erhöht.

Abb. 3 a und b  HIV Prävention, Demonstration KondombenutzungHIV Prävention, Demonstration Kondombenutzung

Abb. 3 a und b  HIV Prävention, Demonstration Kondombenutzung

HIV in Ghana

Der Regierung in Ghana war schon frühzeitig klar, dass es wichtig ist, die Bevölkerung zu sensibilisieren, Aufklärungskampagnen zu starten und die medizinische Versorgung für bereits Erkrankte bereit zu stellen, um HIV/Aids nachhaltig zu bekämpfen. Seit 1992 werden Daten zu HIV Infektionen in Ghana generiert.  2002 wurde ein PMTCT (prevention of mother-to-child transmission) ins Leben gerufen. Ein Ziel der Initiative ist, die Übertragungsrate von Mutter zu Kind möglichst auf null zu senken. Jede schwangere Frau wurde kostenlos auf HIV getestet. War der Test positiv, musste die Betroffene zur Bestätigung der Diagnose in eine District Clinic, die auch die medikamentöse Behandlung übernimmt. Im Land verteilt gibt es  150 antiretrovirale Therapiezentren.

Die HIV Prävalenz ist in den zehn Regionen Ghanas sehr unterschiedlich verteilt – in der nördlichen Region liegt bei 1,2% – im Osten bei 4,7%. Bei Syphilis ist die Spreizung noch höher von 1,1% in Upper East zu 18,4% in der Central Region! Seit 2001 entfallen 15% der jährlichen Gesundheitsausgaben der Regierung für HIV/Aids Aktivitäten. Im Jahr 2007 erhielten 12,6% der HIV positiven Mütter antiretrovirale Medikamente. 2009 waren es schon 28%. Außerdem gibt es ein nationales AIDS/STI Control Programm, welches vom Gesundheitsministerium initiiert wurde.

Insgesamt hat sich durch staatliche Mittel und internationale Gesundheitsorganisationen die Volksgesundheit in Ghana seit den frühen 90er Jahren stark verbessert. Seit einigen Jahren gibt es eine Krankenversicherung in Ghana. Diese kann sich ziemlich jeder leisten für jährlich 7,50 Euro pro Erwachsenem und 2,50 Euro pro Kind. Sie wird u.a. durch die Mehrwertsteuer finanziert.

Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter vier Jahren sank von 158/1.000 Geburten in 1988 auf 96,5/1.000 Geburten in 2003 – ebenso sinkt die Müttersterblichkeit. 80% der Kinder sind gegen Polio, Masern, Gelbfieber und Diphterie geimpft.

Erfahrung fürs Leben

Ich bin froh diese Erfahrung gemacht zu haben, Ghana und seine Bewohner aus einer anderen Perspektive kennengelernt zu haben. Die Herzlichkeit, Gastfreundschaft, die Lebensfreude und der Lebensmut der ghanaischen Bevölkerung begeisterten mich während meines Einsatzes jeden Tag aufs Neue! Ghana ist ein Vorzeigeland in Afrika, jedoch hat es nach wie vor den Status eines Entwicklungslandes und 38% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze.

Es gibt viel persönliches Engagement – nicht zuletzt in meiner Gastfamilie, das die positiven Entwicklungen weiter antreibt. Ich werde das auf jeden Fall weiter verfolgen und wo immer möglich unterstützen. Wer interessiert ist und sich für die Initiativen mit einsetzen möchte, kann sich gerne an mich wenden.



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