Jörg Gölz, Berlin
Integrierte Versorgung von Infektiologie, Psychiatrie, Suchtmedizin in Nepal

Verschiedene Hilfsorganisationen unterstützen Nepal beim Aufbau der medizinischen Versorgung. Ein großes Problem ist hier die HIV-Epidemie bei Drogengebrauchern. Deutsche Projekte zielen auf Harm Reduction mit integrierter Versorgung und Schulung der Ärzte.

Nepal war seit Jahrhunderten ein hinduistisches Königreich. Es wurde 1947 zwar umgeformt in eine konstitutionelle Monarchie, de facto regierte aber der König. In einem  Bürgerkrieg von 1997 bis 2006  zwischen Maoisten und Anhängern der Monarchie wurde das Königtum abgeschafft. Freie Wahlen führten zu einem Parlament und einer Regierung. Dennoch sind die politischen Verhältnisse  instabil, da  weder die Maoisten noch die Konservativen eine Mehrheit haben. Die große Zahl marxistischer Parteien ist nicht zu einer Koalitionsregierung fähig. Eine erste Verfassung für die „säkulare, demokratische Bundesrepublik Nepal“ wird in den nächsten Monaten verabschiedet, und damit auch ein Recht auf Gesundheitsversorgung etabliert.

Von Entwicklungshilfe abhängig

Abb. 1  Ulcera nach unsteriler Injektion
Abb. 1  Ulcera nach unsteriler Injektion

Abb. 2  Kompartmentsyndrom re Oberschenkel
Abb. 2  Kompartmentsyndrom re Oberschenkel

Wirtschaftlich ist das Land von internationalen Hilfsorganisationen abhängig. 60% des Staatshaushalts wird durch Zuwendungen von außen bestritten. Mit 470,- US Dollar Jahreseinkommen pro Kopf rangiert Nepal an 145. Stelle von 153 Entwicklungsländern. Die Hauptstadt Kathmandu ist voll mit weißen Geländewagen beschriftet mit den Kürzeln der  internationalen Organisationen.  Die Ministerien mit ständig wechselnder Besetzung und die Fülle der Hilfsorganisationen führen zu einer zähflüssigen Verwirklichung  aller  geplanten Projekte im Bereich Gesundheitspolitik, Energieversorgung und Aufbau der Infrastruktur. Die staatlichen Institutionen kämpfen um die Verteilung der Gelder, die Hilfsorganisationen versuchen teils unkoordiniert ihre Projekte zu verwirklichen und die nationalen NGOs kämpfen um Rücksicht auf Wünsche der Bevölkerung. Selbst auf dem kleinen Gebiet der Heroinabhängigkeit zeigt sich die Zersplitterung: Die Deutschen bauen eine  Methadonvergabe mit der Möglichkeit zu  antiretroviraler Behandlung auf, die Niederländer betreiben eine reine Buprenorphinambulanz und eine britische Organisation ist für die Abstinenztherapie zuständig.

HIV und Drogen

Nepal hat seit Jahren eine große HIV-Epidemie (45.000 Infizierte), die ganz wesentlich durch intravenösen Drogenkonsum gespeist wird. Von den 45.000-70.000 Opiatabhängigen sind 6.500  (23%) HIV-infiziert und 60% von ihnen haben eine chronische HCV-Infektion. Als dritte Gefahr droht die Zunahme der multiresistenten Tuberkulose in dieser Gruppe. Neben  Heroin aus Indien  wird vor allem die Kombination aus Buprenorphin und Antihistaminika injiziert, da beides billiger als Heroin in den Apotheken zu kaufen ist. Von daher ist eine Substitution mit Buprenorphin fragwürdig, da die Patienten dabei den Beikonsum von Tranquilizern gewohnt sind.

In den Jahren von 1994 bis 2002  gab es zwar schon einmal einen Ansatz zur schadensmindernden Methadonsubstitution, der aber durch die Kriegswirren und ärztliche Unregelmäßigkeiten unterging. Seit 2007 bemüht sich die GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) im Auftrag des BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit) erneut, eine integrierte Versorgung für HIV-Therapie und Substitution in Nepal aufzubauen.

Deutsche Projekte

Ein deutscher Kollege hat von Januar 2009 bis Mai 2010 den Aufbau von drei  Methadonambulanzen in Kathmandu und Pokhara längere Zeit begleitet. Dies geschah in Form eines Pilotprojekts gesponsort von UNODC (United Nations Office on Drugs and Crime) und GIZ. Die UNODC, die bisher vor allem weltweit Drogenhandel und Anbau bekämpft hat, ist jetzt dazu übergegangen, finanzielle Mittel für Harm Reduction bereitzustellen. Gelder aus dem „War  on Drugs“ werden also erstmals zur Behandlung Drogenabhängiger ausgegeben. Am Ende dieser Aufbauphase übernahm die GIZ  die Initiative zur Aufstockung auf weitere neun Methadonambulanzen in den einzelnen Landesteilen und die Qualifikation von Ärzten und Sozialarbeitern für diese Arbeit. 2011 haben dann 12 langjährig erfahrene Kollegen aus Deutschland ein Curriculum verfasst, in dem die Grundsätze für Substitution, psychiatrische Therapie und Therapie der HIV-Infektion und der Tuberkulose festgehalten wurden. Dabei wurden die nepalesischen Verhältnisse berücksichtigt.

Ausbildung der Ärzte

Abb. 3  Amputation nach nekrotisierender Fasciitis · Wasting Syndrom bei AIDS
Abb. 3  Amputation nach nekrotisierender Fasciitis · Wasting Syndrom bei AIDS

Die antiretrovirale Therapie besteht zum Beispiel aus den Optionen die 1999 in der BRD verfügbar waren: Dies sind 5 NRTI, 2 NNRTI und 1 PI. Die Behandlung der Hepatitis C mit pegyliertem Interferon und Ribavirin ist aus Kostengründen noch nicht zu verwirklichen. Auch fehlen noch wichtige Medikamente zur Behandlung der multiresistenten Tuberkulose. Dieses Curriculum ist jetzt vom National Center for AIDS and STD Control im nepalesischen Gesundheitsministerium als Qualifikationsvoraussetzung für die nepalesischen Ärzte genehmigt worden.  Sie sollen in Zukunft eine weitere Generation von Spezialisten ausbilden. Drei deutsche Kollegen haben in der letzten Aprilwoche 2012 anhand dieses Curriculums die ersten acht nepalesischen Kollegen zu dieser integrierten Behandlungsform qualifiziert. Sie werden die Ärzte in den geplanten neun Methadonambulanzen ausbilden. Damit ist die vierjährige deutsche Aufbauarbeit jetzt in die Verantwortung nepalesischer Ärzte gelegt. Die Methadonambulanzen werden von regionalen Krankenhäusern betrieben, so dass HIV- und Tbc-Behandlung, psychiatrische Therapie und Methadonvergabe eng miteinander verbunden sind. Die psychosoziale Betreuung der Klienten wird von regionalen NGO’s übernommen. Meist sind deren Mitarbeiter Ex-User. Zwei deutsche Autoren verfassen zur Zeit eine Richtlinie für die psychosoziale Betreuung der Substituierten eng angelehnt an die nepalesischen Versorgungs- und Familienverhältnisse.

Die Hauptaufgabe bleibt noch zu tun: Zur Zeit werden erst 360 Patienten substituiert und nur ein kleiner Teil davon erhält eine antiretrovirale Therapie. Aber so haben wir in der BRD vor 25 Jahren auch angefangen und gehören inzwischen zu den Nationen, die eine nahezu vollständige Erfassung und Versorgung HIV-infizierter Drogenkonsumenten aufgebaut hat. Die Folge davon ist eine der niedrigsten Neuinfektionsraten unter Drogenkonsumenten weltweit.

 

 



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