Streiflicht: Ausblick Auf Den Start Des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes
Antibiotische Sequenztherapie ohne orale Phase?
Zwischen ambulanter und stationärer Versorgung gibt es viel Reibung und Informationsverluste. Ursache des Informationsverlustes ist – entgegen der landläufigen Meinung – nicht immer der hohe Krankenstand im Sekretariat oder die Überlastung des Assistenzarztes beim Briefe schreiben. Die Informationsweitergabe könnte ja auch gezielt unterbunden worden sein aufgrund des ethisch höchststehenden Grundsatzes des Datenschutzes. Nach diesem Grundsatz müsste der Patient bei der Aufnahme ins Krankenhaus zunächst einmal befragt werden, ob er sein gutes Recht geltend machen will und die Weitergabe seiner medizinischen Daten an den einweisenden Arzt und den Hausarzt unterbinden will. Gerade in der Notaufnahme, wenn man sich krank und schwach fühlt, erscheint es vielen vielleicht sicherer, nicht auch noch leichtfertig auf ein Grundrecht zu verzichten. Im wahren Leben scheitern die Dinge aber weit öfter schon an weniger grundsätzlichen Problemen.
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Dach ohne Säulen
Da klingt es geradezu wie eine Verheißung, dass das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstärkungsgesetz) am 10. Juli 2015 im Bundesrat die letzte parlamentarische Hürde genommen hat und am 23. Juli 2015 in Kraft getreten ist. Die Legislative musste, wie so oft in jüngerer Zeit, unter einem selbst gesetzten Zeitdruck neues Recht schaffen. Deshalb ist mit dem GKV-Versorgungstärkungsgesetz zunächst schon einmal das Dach fertig geworden, bevor man jetzt an Konzept und Bau des Fundaments und der vom Dach zu schützenden Räume heran geht.
Im
Gesetz wurde beispielsweise die rechtliche Möglichkeit geschaffen,
im Krankenhaus sogenannte Entlassrezepte auszustellen: Es müssen
künftig also vom Krankenhaus keine Medikamente zur Überbrückung
bis zur Rezeptierung seitens des Hausarztes aus der Stationsapotheke
(und ohne Refinanzierung durch die Fallpauschalen) mehr abgegeben
werden. Aber halt: Zur Zeit
ist dies noch nicht möglich. Die entsprechenden Richtlinien dazu
„sollen bis Ende des Jahres 2015 erst noch formuliert werden“.
Der Patient muss also am selben Tag zum Hausarzt, um sich von diesem
die Rezepte ausstellen zu lassen. Ausnahmen sind laut § 14
Apothekengesetz nur möglich, wenn „im unmittelbaren Anschluss an
die Behandlung ein Wochenende oder ein Feiertag folgt“ oder „eine
Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3
des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vorliegt“. Nur dann können
die zur Überbrückung benötig-ten Arzneimittel für längstens drei
Tage abgegeben werden.
Von Lückenlos keine Spur
Da bleiben nun Lücken in der frisch gesetzlich gestärkten Versorgung: Selbst wer schon am Vormittag aus der stationären Behandlung auscheckt und in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus seinen Wohnort, seine Apotheke und seinen Hausarzt hat, könnte am Ende des Tages doch noch ohne Medikamente dastehen. Nicht nur am Mittwoch, an dem oft sowohl Arztpraxen als auch Apotheken nur stark verkürzte Dienstzeiten haben. Wer weit weg wohnt, hat ohnehin kaum eine Chance einem „Drug-Holiday“ auszuweichen. Das ist für Patienten mit antibiotischer Sequenztherapie bitter und noch bitterer für Patienten, die teuere „Spezialmedikamente“ brauchen. Im HIV-Bereich half manchmal die HIV-Ambulanz der Klinik aus. Man holte sich seine Rezepte bei Entlassung dort. Das half dem Patienten und freute meist auch den Hausarzt, weil teure Rezepte im vier- bis fünfstelligen Eurobereich pro Patient ihm nicht selten den Angstschweiß auf die Stirn treiben.
Hürdenlauf zum Rezept
Dem ist nun ein wirksamer Riegel vorgeschoben worden: Ambulante Versorgungsstrukturen im Krankenhaus dürfen dem Patienten nicht am Tag der Entlassung Rezepte ausstellen, sondern erst frühestens am darauffolgenden Tag. Da sich bis heute viele Hausärzte weigern, ihren Patienten teuere HIV- oder HCV-Medikamente zu rezeptieren, und das auch aus guten Gründen, wird unseren Patienten mindestens bis Ende 2015 hohe Mobilität und Flexibilität abverlangt. In einigen ländlichen Regionen wohnen Patienten mehrere Fahrtstunden entfernt von Schwerpunktärzten. Frisch entlassene Patienten sind oft noch geschwächt oder nicht reisefähig.
Viele haben kein soziales Umfeld, welches für sie die administrativ erhöhten Barrieren zum Zugang zur Versorgung erklimmt.
Survival oft he fittest statt Versorgungsstärkung.
So geht Symbolpolitik!
Das findet jedenfalls
Ihr
HAART-Breaker