Marcus Pfliegensdörfer Und Michael Schuhmacher, Köln
Crystal Meth bei MSM
In einer Sekundäranalyse der Daten des European MSM Internet Survey (EMIS) zum Drogenkonsum von MSM konnte gezeigt werden, dass in der deutschen Kontrollgruppe ein Prozent der Befragten über den Konsum von Chemsex-Drogen in den der Befragung vorangegangen vier Wochen berichteten (Link: http://www.emis-project.eu/sites/default/files/public/publications/emis-community2_german.pdf). Es existieren bezüglich der Prävalenz räumliche Unterschiede. So ist der Konsum im urbanen Raum deutlich höher und ist in den deutschsprachigen Städten Zürich (7,0%), Berlin (5,3%), Köln/Bonn (3,8%) und Wien (3,6%) am höchsten (Alternativer Drogen und Suchtbericht 2015).
Crystal Meth und Chemsex
Eine häufig auftauchende Substanz, die mit Chemsex in Verbindung gebracht wird, ist Crystal Meth
- Synonyme: Methamphetamin, Crystal, Tina, T, Ice
- kristalline Form
- wirkt geschnupft nach 10-20 Minuten für etwa 6-7 Stunden
- überwiegend intravenöser Konsum (slammen), auch nasal oder inhalierend
- erwünschte Wirkung: euphorisierend, aufputschend, Gefühl der Stärke, gesteigerte Lust auf Sex, vermindertes Schmerzempfinden
- unerwünschte Nebenwirkung: Aggressivität, Unruhe, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, erhöhter Blutdruck und Puls, Gewichtsverlust, depressive Verstimmung, akustische Halluzinationen, rascher körperlicher Verfall.
Slammen
Im Kontext von sexuellen Kontakten werden überwiegend stimulierende Drogen eingenommen, die typischerweise den Herzschlag beschleunigen, den Blutdruck erhöhen sowie euphorische Gefühle auslösen. Einige psychoaktiven Substanzen senken die Hemmschwelle und erleichtern sexuelle Kontakte. Manche Konsumenten verwenden Drogen, um die sexuelle Aktivität intensiver, länger und aufregender zu erleben (www.maennergesundheit.info).
Der für den intravenösen Konsum unter schwulen Männern neu verwendete Begriff des „slammen“ wird mit Absicht verwendet. Im Unterschied zu dem viele Jahre verwendeten Begriff „drücken“, soll dadurch deutlich gemacht werden, dass die Art des Konsums ein Ausdruck von Lebensgefühl ist, und nichts mit dem Thema Sucht zu tun hat. Zum anderen wird der immer wieder beschriebene körperliche Verfall oder auch beispielsweise das Ausfallen von Zähnen, ganz offensichtlich in der beschriebenen Konsumenten-Gruppe wenig, oder erst nach sehr viel längerem Konsum sichtbar. Der plakative Hinweis auf diese Symptomatik wird daher oft nicht geglaubt und führt in manchen Fällen auch dazu, dass die Hinweise des Beraters/Arztes grundsätzlich nicht ernst genommen werden (HIV Report 04/2014).
Konsumgruppe MSM
Die Erfahrungen aus der Beratung in der Aidshilfe Köln decken sich mit den Ergebnissen aus Studien: der Großteil der Konsumenten, die Beratung aufsuchen, sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. Laut der sogenannten „Lust und Rausch“ Studie befanden sich knapp 60% aller dafür befragten MSM in der genannten Alterspanne (http://www.hivreport.de/sites/default/files/ausgaben/2014_04_HIV%20report.pdf).
Foto:
©fotolia
Es handelt sich dabei um Männer, die im Berufsleben stehen und einen mittelständigen Lebensstil pflegen. Sie sind gut sozial und gesellschaftlich integriert. Der überwiegende Teil der Konsumenten aus der Beratung konsumiert Crystal Meth intravenös, am Wochenende, auf Sexpartys, mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern (http://www.projektinfo.de/pdfs/PI131.pdf).
Bei dem intravenösen Konsum von Substanzen wie zum Beispiel Crystal Meth wird die Spritze zum Objekt der Lust. Im Verlauf des Konsumverhaltens nimmt die Bedeutung des sexuellen Aktes ab. Das gemeinsame Konsumieren und Nutzen der Spritze wird dabei als Verschmelzung verstanden, Sexualität findet selten bis gar nicht mehr statt. Sexualität bleibt jedoch stets der Anlass!
Mischkonsum
Vielfach spielt in diesem Zusammenhang der Mischkonsum eine Rolle. Unter dem Konsum stimulierender Drogen zusammen mit Alkohol werden oft deutlich erhöhte Promille-Werte gemessen, ohne dass die Reaktionsfähigkeit für den Konsumenten subjekt entsprechend auffällig verändert ist.
Zum Ende eines Wochenendes mit Konsum stimulierender Drogen in Verbindung mit Sex werden häufig beruhigende Medikamente eingenommen, um bis zum folgenden Montag schlafen und dann den gewöhnlichen Arbeitsrhythmus wieder aufnehmen zu können. Neben Medikamenten wird nicht selten dazu auch Cannabis konsumiert. Bei längerem Konsum werden vom behandelnden Arzt immer wieder verschreibungspflichtige Beruhigungs- und Schmerzmittel bis hin zu schweren Schlafmitteln eingefordert (und häufig auch verschrieben).
Gut informiert
Wie die Lust und Rausch Studie zeigt, informieren sich die Konsumenten von Sex- und Partydrogen über sexuell übertragbare Erkrankungen und lassen sich regelmäßig testen. Allerdings sind diese Männer weniger zufrieden mit der Umsetzung ihres Safer Sex-Wissens. In der Aidshilfe Köln kommen bisher überwiegend HIV-positive Männer zur Beratung. Übertragungsrisiken von HCV und anderen STI’s spielen dabei eine eben so große Rolle wie die Folgen von intravenösem Konsum und Safer Use Praktiken (Faszination Slamming: http://www.projektinfo.de/pdfs/PI145.pdf).
Fallbeispiel 1Vorstellung eines Klienten:
Das Partypack vom Berliner Projekt „Fixpunkt“ bietet Drogenkonsumenten nicht nur Röhrchen für ein „safer sniefen“, sondern auch Ohrenstöpsel gegen zu laute Musik sowie Kondome und Gleitmittel für Safer Sex
Herr
S. ist 41 Jahre alt. Er arbeitet als Call Center Agent im
Schichtdienst. Er ist seit 11 Jahren HIV positiv. Er lebt in einer
Beziehung zu einem Mann, mit dem er allerdings keinen Sex mehr hat.
Er konsumiert 2-3-mal im Monat Crystal Meth am Wochenende. In diesem
Zusammenhang trifft er sich mit anderen Männern, um seine sexuellen
Vorlieben auszuleben. Über die Sexualpraktiken möchte er mit der
Beratung nicht sprechen, da er sich schämt. Er konsumiert nasal als
auch intravenös. Über den Konsum und die damit verbundenen
Sexualpraktiken habe er sich nun zum dritten Mal mit HCV infiziert.
In seiner Psychotherapie, die er auf Grund von Depressionen vor einem
Jahr auf-
genommen hat, spricht er nicht über sein Konsum- und
Sexverhalten. Sein Arzt habe ihn in die Beratung geschickt, nachdem
es zu optischen Halluzinationen und Wahnvorstellungen in Folge des
Konsums kam.
Beratungs- und Behandlungsangebot
Suchtbehandlung muss sich am Alltag und der Lebenswelt der Nutzer/innen orientieren und Gender-Aspekte berücksichtigen. Die Lebenswelt und -bezüge der homo- und bisexuellen Community spielen jedoch in der klassischen Suchtberatung eine untergeordnete Rolle (Alternativer Drogen und Suchtbericht 2015). In der Praxis hat sich gezeigt, dass Beratungsangebote der Suchthilfe aus oben genannten Gründen für MSM, die sich ihrerseits nicht als „abhängig“ bezeichnen, nicht angenommen werden. Es bedarf eines niedrigschwelligen, begriffsneutralen und lebensweltakzeptierenden Ansatzes. Beratungs- und Präventionsangebote für die schwule Community vermeiden daher Titel, die „Sucht“ beinhalten und verwenden allgemein „Männer Gesundheit“, sprechen jedoch Themen wie Sexualität und Substanzkonsum an.
Good Practice Beispiel aus Köln
Ein Erklärungsmodell als Hilfestellung sei erlaubt:
HIV-positive, schwule Männer unter erfolgreicher HIV-Medikation…
- Müssen die HIV-Infektion nicht mehr verhindern
- Unter der Nachweisgrenze besteht keine Angst Sexualpartner mit HIV zu infizieren
- Lust und Rausch dienen u.a. als Ventil für jahrelangen Verzicht/Beschränkung sexuellem Verlangens
- Es besteht der Wunsch „Verpasstes“ nachzuholen
- Sexualität
soll „intensiv“ gelebt werden, sowohl in Bezug auf Häufigkeit
der Kontakte
als auch mit Blick auf das Ausleben von Sexualpraktiken - Die Infektion mit sexuell übertragbaren Erkrankungen wird mit Blick auf die einfachen Behandlungsmöglichkeiten in Kauf genommen -> Ausnahme Hepatitis C!
- HIV-negative Männer sind nicht selten neidisch auf diese neu gewonnenen Freiheiten! Dieses Gefühl HIV-negativer Männer, die häufig zeitstabil viele Jahre Safer Sex praktizieren, mag uns in der Zukunft im Zusammenhang mit Präventionsfragen nochmals beschäftigen.
Seit einigen Jahren besteht in Zusammenarbeit mit zwei niedergelassenen HIV Schwerpunktärzten und der Aidshilfe Köln ein niedrigschwelliges Beratungsangebot in den Arztpraxen – eine offene psychosoziale Sprechstunde. Die Ärzte haben die Möglichkeit Patienten bei entsprechendem Hilfebedarf auf kurzem Weg in die Beratung zu vermitteln.
Dieses Angebot wurde seit Februar 2015 auf Patienten ausgeweitet, die durch den Konsum von „Crystal Meth“ medizinisch (somatisch, psychisch) auffällig wurden und für die auf Grund psychosozialer Folgen ein Beratungsbedarf besteht. Das Einberufen von Arbeitskreisen zum Thema Crystal Meth unter der Teilnahme von (Sucht-)Beratungsstellen und niedergelassenen HIV Schwerpunktärzten und Kliniken aus Köln, Bonn, Düsseldorf, Aachen und Leverkusen machte einen Erfahrungsaustausch möglich. Kooperationsmöglichkeiten schaffen Verweisungskompetenzen und damit ein Hilfenetzwerk.
Bis heute konnten auf diese Weise etwa 40 Beratungsanfragen bearbeitet werden.
Über die daraus entstandenen Beratungsprozesse mit Klienten ergaben sich Kontakte zu Einrichtungen im Suchthilfesystem, die ein spezialisiertes Angebot für homosexuelle Männer mit Substanzkonsum in Verbindung mit Sexualität als notwendig erachteten. Mit der Salus Klinik - einer stationären Entwöhnungsklinik in Hürth bei Köln – wurde zunächst eine Kooperation vereinbart, die unter anderem folgendes beinhaltet: Die Aidshilfe Köln e.V. wird eingeladen über das Thema „schwule Lebenswelt und Konsumzusammenhänge“ zu referieren. Ziel ist es „Sexualität“ im therapeutischen Prozess nicht auszuklammern, sondern sie als zentralen Punkt in die Suchtbehandlung miteinzubeziehen.
Bislang lassen sich aus der Beratung folgende Gründe (Anlässe) zusammen fassen, die zur Aufnahme einer Behandlung geführt haben: gesundheitliche Verschlechterung (HCV Infektion, Schlaganfall, Psychosen), bei sozialrechtlichen Angelegenheiten (Krankengeldbezug bei andauernder Arbeitsunfähigkeit, Schulden), bei körperlichen Symptomen (Schlafstörungen, Gewichtsabnahme, Abszessen), bei Wesensänderungen (Aggressionen, erhöhte Reizbarkeit, Verlust von Tagesstruktur) oder bei partnerschaftlichen Problemen.
Fallbeispiel 2 – Auszug aus der (Sexual-) Beratung:
[…]Der Crystal Meth-Konsum findet mit einem festen Sexpartner am Wochenende statt. Herr W. arbeite im medizinischen Bereich und stehe auf der Arbeit unter Leistungsdruck. Teilweise arbeite er 50-60 Stunden pro Woche, um das Arbeitspensum zu schaffen. Er lebe seit etwa 10 Jahren in Köln, habe sich aber bisher kein soziales Netzwerk aufbauen können, weil der Job ihm hierzu keine Zeit ließe. Am Wochenende, wenn er frei habe, fühle er sich nutzlos und einsam. Dies empfinde er als schmerzhaft, da ihm deutlich wird, dass er neben seiner Arbeit weder Struktur noch Sinn in seinem Leben sehe. Er nutze am Wochenende Internet-Dating-Plattformen, um sich abzulenken. Darüber habe er seinen aktuellen Sexpartner kennengelernt, mit dem er sich seit einigen Wochen regelmäßig treffe. Der Sexualverkehr am Wochenende diene der Herstellung einer Freizeitstruktur und dem Spannungsabbau im Anschluss an eine Arbeitswoche.
Nachdem der Arbeitsplatz umstrukturiert wurde, erhöhten sich der Leistungsdruck und die Verantwortung. Es sei Herrn W. zunehmend schwerer gefallen von der Arbeit zum Sexualverkehr übergehen zu können. Daher habe Herr W. angefangen mit seinem Sexualpartner Crystal Meth zu konsumieren. Der Konsum habe dazu geführt, den Kopf frei zu bekommen und sich sexualisiert zu fühlen. Er habe keine Probleme mehr ein erigiertes Glied zu bekommen und direkt nach der Arbeit mit seinem Sexpartner loslegen zu können. Er erlebe seine sexuelle Funktion als enorm gesteigert und könne mehrere Stunden mit seinem Partner Sex haben. Die Schwere und die Funktionsunfähigkeit, die er zuvor erlebt habe seien nicht mehr existent. Er fühle sich frei und allmächtig, was ihm ein starkes Selbstbild verschaffe. […]
Da der Konsum bei Crystal Meth Konsumenten (schwule Männer und MSM) stark mit Sexualität verbunden ist, ist in der Beratung das Gespräch über Sexualität notwendig. Patienten bzw. Klienten sollten bereits im Erstgespräch eingeladen werden, über ihre Sexualität zu sprechen. Es ist sinnvoll, eine Sexualanamnese durchzuführen. Eine Orientierung bietet dabei die Sexualanamnese nach dem Hamburger Modell (Gerlinde Galedary und Anette Rethemeier). Entscheidend ist es eine Sprache zu wählen, die weder medizinisch noch erotisierend ist, sondern sich an der jeweiligen Lebenswelt orientiert. Daneben haben sich in der Beratung und Behandlung von schwulen Männern mit Substanzkonsum und Sexualität Techniken der motivierenden Gesprächsführung bewährt.
Safer Use
Foto: ©fotolia
Wie sich ein Rauscherlebnis gestaltet, ist neben der Substanz selbst von weiteren Faktoren abhängig. So spielen Set (der physiologische/körperliche und psychologische Zustand einer Person zum Zeitpunkt des Konsums) und Setting (das psychische, soziale und kulturelle Umfeld) eine zentrale Rolle.
Viele Substanzen bewirken eine Intensivierung der gegenwärtigen Gefühlslage auf positive, aber auch negative Art und Weise. Natürlich beeinflusst auch die Dosis und die Qualität des Stoffs das Erleben des Rauschs. Eine geringe Dosis GHB kann beispielsweise die Lust auf und die Gefühle beim Sex steigern, ein bisschen zu viel kann eine Person in einen komatösen Schlaf versetzen. Psychoaktive Substanzen, die gleichzeitig oder in kurzen Abständen konsumiert werden, können zudem miteinander in Wechselwirkung treten. Wirkung und Risiken sind dann schwerer zu kalkulieren als bei Monokonsum.
Generell gilt: Der Konsum bei körperlicher und psychischer Gesundheit ist risikoärmer. Eine geringe Dosis unter Abwarten der Wirkung ist sicherer –„nachlegen“ kann man immer noch. Und es ist von Vorteil, wenn zumindest eine/r der Beteiligten Konsumerfahrungen hat. Wichtig ist auch, bei einem „Sextrip“ auf seine(n) Partner/innen Rücksicht zu nehmen und selbst zu wissen „Wie weit will ich gehen?“. Es ist empfehlenswert, vorher darüber zu sprechen und Grenzen festzulegen.
Safer Sex
Durch die aufputschende Wirkung einiger Drogen ist es möglich, dass der Sex erheblich länger als sonst dauert. So kann Speed(Amphetamin)-Konsum dazu führen, dass der Penis steif ist, es aber nicht zu einem Orgasmus kommt. In diesem Fall sollte das Kondom öfter gewechselt werden. Der Konsum von Speed, Crystal, LSD, Kokain und Ecstasy trocknet zudem die Schleimhäute schnell aus. Kondome können dadurch reißen und die Ansteckungsgefahr für HIV, Hepatitis B und C oder andere sexuell übertragbare Krankheiten steigt. Deshalb neben Kondome auch Gleitgel in Griffnähe haben und benutzen.
Aufputschende Substanzen steigern zudem die Leistungsfähigkeit, beschleunigen Puls und Atmung und steigern die Körpertemperatur. Auch Sex stimuliert Herz und Kreislauf. Es besteht die Gefahr, dass man sich überanstrengt, den Kreislauf überbelastet bzw. den Körper überhitzt. Deshalb: Pausen einlegen, auf die Signale des Körpers achten (rasender Puls, heiße Haut etc.) und ausreichend trinken (kein Alkohol!).
Wechselwirkungen mit HIV-Medikamenten
Zwischen illegalen Substanzen und jeder Art von Dauermedikation können Wechselwirkungen bestehen. Dies bezieht sich auch auf die gängigen HIV-Medikamente. Aus Angst vor solchen Wechselwirkungen lassen Konsumenten bei einem Party- und Sexwochenende gelegentlich die HIV Medikamente weg. Grundsätzlich gelten HIV-Medikamente als gut verträglich und wechselwirkungsarm, allenfalls wird berichtet, dass die HIV-Medikamente die Wirkung der illegalen Substanzen erhöhen. Genaue Daten zu Wechselwirkungen gibt es allerdings nicht.
Da die meisten Drogen illegale Substanzen sind, ist es nicht möglich, entsprechende Studien durchzuführen. Häufig bleibt zudem unklar, welche Stoffe in welchen Konzentrationen die jeweiligen Drogen enthalten. Man ist also auf Einzelfallberichte und theoretische Schlussfolgerungen angewiesen.
Hinsichtlich ihres Wechselwirkungspotentials lassen sich HIV Medikamente in drei Kategorien aufteilen:
Wenig Wechselwirkungen: Retrovir®, Combivir®, Epivir®, Viread®, Emtriva®, Truvada®, Ziagen®, Kivexa®, Trizivir®, Edurant®, Eviplera®, Isentress®, Tivicay®, Celsentri®.
Medikamente, die im Einzelfall die Wirksamkeit von Drogen abschwächen und deshalb zu erhöhten Dosierungen mit mehr Nebenwirkungen verleiten können: Sustiva®, Atripla®, Viramune®, Intelence®
Medikamente, die abbauende Enzyme in der Leber blockieren und deshalb zu einer Verstärkung/Verlängerung der Drogenwirkung führen können: Norvir®, Tybost®, Kaletra®, Rezolsta®, Evotaz®, Stribild®, Prezista®, Reyataz®.
Gerade bei den lang wirksamen Amphetaminen wie zum Beispiel Crystal Meth ist die Möglichkeit von Wechselwirkungen gegeben. Empfohlen wird eine geringere Einstiegs-Dosierung!
Hilfreiche Informationen gibt es unter folgenden Link:
Marcus
Pfliegensdörfer und
Michael Schuhmacher
Aidshilfe
Köln e.V.
Beethovenstraße 1 · 50674 Köln
E-Mail:
info@aidshilfe-koeln.de
Literaturverzeichnis
• Bochow, M./ Lenuweit, S. /Sekuler, T. /Schmidt, A. J. (2012): Schwule Männer und HIV/AIDS. Lebensstile, Sex, Schutz- und Risikoverhalten, Berlin.
• Bourne, A. /Reid, D. /Hickson, F. /Torres Rueda, S. /Weatherburn, P. (2014a): The Chemsex study: drug use in sexual settings among gay & bisexual men in Lambeth, Southwark & Lewisham, London.
• Bourne, A. /Reid, D. /Hickson, F. /Torres Rueda, S. /Weatherburn, P. (2014b): Die Chemsex-Studie: Drogenkonsum in sexuellen Umfeldern unter schwulen und bisexuellen Männern in Lambeth, Southwark & Lewisham. Deutsche Zusammenfassung der Kurzfassung, in: HIVreport Nr. 3/2014, online verfügbar unter: http://www.hivreport.de/sites/default/files/ausgaben/2014_03_HIV%20report.pdf;
• Die Bundesdrogenbeauftrage der Bundesregierung (2014): Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung 2014, online verfügbar unter: http://www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateiendba/Presse/Downloads/Drogen-_und_Suchtbericht_2014_Gesamt_WEB_07.pdf;
• Dirks, H./Esser, S./Specka, M./Scherbaum, N. (2012): Suchtmittelkonsum bei homo- und bisexuellen Männern, in: Sucht 58:4, 237–246. HIV Report 03/2014.
Links:
Projektinformation September/Oktober 2015
- Clubdrug Studie:
https://clubdrugstudie.wordpress.com/
- Safer Use: www.iwwit.de
- Selbsthilfe: www.breaking-meth.de
ex
and Drugs and Qualität
QUADROS
entwickelt Angebote für schwule Männer weiter
Der Drogengebrauch schwuler und anderer Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), ist für die Prävention ein wichtiges Thema, denn Drogen können das Schutzverhalten beeinträchtigen. Das gilt ganz besonders für Crystal Meth (Bereitschaft zu riskanten Praktiken, gemeinsame Nutzung von Spritzen), wobei der Konsum dieser Droge prozentual nur eine sehr kleine Gruppe betrifft.
Das bundesweite Projekt QUADROS (Qualitätsentwicklung in der Beratung und Prävention im Kontext von Drogen und Sexualität bei schwulen Männern) setzt sich darum mit dem Themenkomplex Drogengebrauch und Sexualität auseinander. Finanziert vom Bundesministerium für Gesundheit, vernetzt es Präventionsangebote in ganz Deutschland und führt deren Erfahrungen zusammen.
Diskriminierung beeinflusst Drogenkonsum
Nach einer britischen Studie (Bourne 2014) setzen manche schwule Männer sehr bewusst und relativ kontrolliert Drogen ein, etwa um länger feiern zu können und intensivere Gefühle beim Sex zu haben. Ein anderer möglicher Grund ist aber zugleich das Gefühl, nicht attraktiv genug zu sein, um den Anforderungen in den schwulen Szenen zu genügen. Nicht zuletzt werden Drogen auch genommen, weil sie eine Sexualität erst ermöglichen, die allgemein als falsch, unnatürlich und schmutzig gilt.
Wissenschaftliche Arbeiten verweisen in diesem Zusammenhang häufig auf das Konzept der „Syndemie-Produktion“ (Stall/Friedman/Catania 2008). Demnach können sich die permanente Auseinandersetzung mit der heteronormativen Umwelt und die gesellschaftlich verwurzelte Diskriminierung negativ auf die Gesundheitsprofile von sexuellen Minderheiten auswirken. Das Konzept geht von einer Wechselwirkung zwischen (internalisierter) Homonegativität, psychischem Wohlbefinden, riskantem Drogengebrauch und dem sexuellen Schutzverhalten aus.
Jochen Drewes und Martin Kruspe empfehlen in „Schwule Männer und HIV/Aids 2013“ (2015) eine „ganzheitliche Betrachtung der Gesundheit schwuler und anderer MSM“. Deshalb sei ein weiterer Ausbau von Beratungs- und Betreuungsangeboten für schwule Männer und Angehörige anderer sexueller Minderheiten dringend erforderlich. Drogenberatungseinrichtungen haben in der Regel nicht das erforderliche Kontextwissen für den Umgang mit dieser Teilzielgruppe.
An der Schnittstelle von Drogengebrauch und Sexualität
Hier beginnt QUADROS: Die teilnehmenden Organisationen beschäftigen sich – wissenschaftlich begleitet – mit den Beweggründen des Drogengebrauchs schwuler Männer in Verbindung mit Sexualität und Ausgehverhalten. Ziel ist die Weiterentwicklung der Beratungs- und Verweisungskompetenzen in diesem komplexen Feld der Prävention.
Weiterhin soll eine Dokumentation der Versorgungslage in den jeweiligen Modellregionen erstellt und Versorgungslücken benannt werden. Auf regionaler Ebene sollen Brücken gebaut und Kooperationen zwischen dem bestehenden Drogenhilfesystem und Projekten der HIV-/STI-Prävention bei schwulen und anderen MSM gestärkt werden.
Beteiligt sind die regionalen Präventionsprojekte für MSM in München, Nürnberg, Köln, Frankfurt, Hamburg, Leipzig und Berlin. Das Modellprojekt läuft bis Februar 2016, eventuell kann es für eine Implementierungsphase verlängert werden.
Dr. Dirk Sander, Deutsche AIDS-Hilfe
Literaturquellen
beim Autor:
dirk.sander@dah.aidshilfe.de