Heilung nicht für alle

Deutsche AIDS-Hilfe LogoIn Deutschland kann prinzipiell jeder Mensch mit chronischer HCV-Infektion eine zeitgemäße Therapie erhalten – doch es gibt  Zugangsbarrieren. Bei vielen Ärzten herrscht Verunsicherung.

© fotolia, pict rider
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Als Pamela Anderson mit 28 Jahren positiv auf Hepatitis C getestet wurde, sagten ihr die Ärzte, sie hätte noch zehn Jahre zu leben. Zwanzig Jahre später, im Jahr 2015, war sie geheilt. Dank einer Therapie mit Pillen für 700 Euro – das Stück. „Ich bete dafür, dass alle Menschen, die mit dem Virus leben, sich die Behandlung leisten können“, schrieb die ehemalige Baywatch-Nixe auf Instagram.

Anfang 2014 kam das erste der direkt gegen das Hepatitis-C-Virus wirksamen Präparate (Direct-Acting Antivirals, DAAs) in Europa auf den Markt. Mittlerweile ermöglichen diese DAAs in über 90 Prozent aller Fälle eine Heilung.

Doch sie sind eben teuer. In den USA werden Patient_innen mit staatlichen Krankenversicherungen darum oft erst mit diesen Medikamenten behandelt, wenn das Virus die Leber bereits geschädigt hat. In Italien muss Fibrosegrad 3 erreicht sein, in der Schweiz, Österreich und Großbritannien Fibrosegrad 2, wobei zusätzlich eine jährliche Behandlungsobergrenze festgesetzt wurde.

Längst noch nicht alle behandelt

In Deutschland dagegen haben alle chronisch Infizierten Anspruch auf die Therapie. Die Krankenkassen schufen einen Sonderposten – je 1,4 Milliarden Euro für 2015 und 2016, aber nur noch 500 Millionen Euro für 2017.

Das wirft Fragen auf: Gibt es weniger Infizierte? Gehen die durchschnittlichen Therapiekosten zurück? Werden Patientengruppen über Umwege von der Medikation ausgeschlossen? Wer bleibt außen vor und warum?

Tatsächlich sanken die Kosten der Medikamente etwas – durch Rabattverträge und Konkurrenz zwischen verschiedenen Produkten. Allerdings sanken auch die Behandlungszahlen. Wurden 2015 insgesamt gut 20.000 Patient_innen mit den neuen Medikamenten therapiert, waren es 2016 nur noch 12.000 bis 13.000.

Eine solche „Wellenbewegung“ scheint normal: Zunächst stellen Ärzt_innen Behandlungen zurück, weil sie auf innovative Medikamente warten. Sind diese Mittel zugelassen, gibt es einen ersten Ansturm und dann einen Rückgang, wenn die Zurückgestellten durchbehandelt sind.

Der Ansturm auf die „Wunderpillen“ nach ihrer Zulassung seit Anfang 2014 fiel allerdings sehr viel geringer aus als nach der vorherigen Innovation, der Einführung von Telaprevir und Boceprevir. Dabei verbessern die heutigen Medikamente die Behandlungsmöglichkeiten durch den Wegfall von Interferon und die hohe Erfolgsquote viel tiefgreifender.

Es sind auch noch lange nicht alle behandelt: Das Robert Koch-Institut (RKI) schätzte 2016 die Zahl der chronisch Hepatitis-C-Infizierten auf rund 267.000, die Zahl der Menschen mit diagnostizierter Infektion für das Jahr 2012 auf rund 160.000. Der Gemeinsame Bundesausschuss ging 2014 von 100.000 diagnostizierten Hepatitis-C-Infektionen aus. Weniger als 40.000 Menschen haben bis Ende 2016 von den neuen Therapien profitiert.

Keine Therapie für Drogenkonsumierende?

Keine Angst vor HIV, HBV, HCV in der Zahnarztpraxis

Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) haben die Schulungspräsentation „HIV, HBV, HCV: Informationen für die zahnärztliche Praxis“ veröffentlicht.

Die Präsentation bietet umfassende Informationen zur Epidemiologie, Behandlung und Medikation sowie zu Hygiene, Datenschutz und Risikoeinschätzung bei der zahnärztlichen Behandlung von Menschen mit HIV und Hepatitis B und C.

Ziel ist es, Unsicherheiten und Ängste bei der Versorgung von Menschen mit Infektionserkrankungen zu nehmen und so einen diskriminierungsfreien Umgang zu gewährleisten. Die Informationen machen deutlich: Besondere Sicherheitsvorkehrungen sind weder erforderlich noch angebracht.

Die Präsentation kann für Fortbildungen, Qualitätszirkel und interne Praxisfortbildungen genutzt werden. Sie ist erhältlich bei
jana.knoop@dah.aidshilfe.de

Gleichnamige Broschüre: http://bit.ly/2uviNLz

Schulungsvideo für Praxispersonal: http://bit.ly/2l7DuZx


Beratungs-Chat gestartet

Der Startschuss ist gefallen: Seit Juni erhalten schwule und bisexuelle Männer Beratung im Live-Chat der Deutschen AIDS-Hilfe – direkt, anonym und kostenlos.

Die Berater informieren täglich von 17 bis 20 Uhr über HIV und Geschlechtskrankheiten, über Schutzmöglichkeiten, Test-Angebote und Sofortmaßnahmen nach einem Risikokontakt (PEP). Auch Fragen zu Drogenkonsum oder zum Leben mit HIV kann man im Live-Chat stellen.

www.health-support.de

Das liegt auch an Zugangsbarrieren. Das Magen-Darm-Zentrum (MDZ) Köln hat sich zum Beispiel entschlossen, Menschen, die intravenös Heroin, Chrystal Meth oder Crack konsumieren, nicht zu behandeln. „In einschlägigen Schwerpunktpraxen kann ihnen besser geholfen werden“, sagt Dr. Anna Schmidt. Und fügt hinzu: „Wenn Ärzte sagen, ich persönlich therapiere Drogengebraucher nicht, weil sie die Medikamente nicht regelmäßig einnehmen und sich sowieso schnell wieder anstecken, kann ich das auch verstehen.“

Marco Jesse, Leiter der Drogenselbsthilfe­organisation Vision in Köln, hat kein Verständnis für solche Vorbehalte: „Schätzungsweise ein Drittel bis die Hälfte aller intravenös Drogengebrauchenden ist in Substitutionstherapie. Das heißt, sie sind engmaschig ärztlich versorgt und stabil.“ Doch nur den wenigsten werde eine Therapie angeboten.

Dabei sind Drogengebraucher_innen von Hepatitis C am stärksten betroffen, bis zu 70 Prozent haben HCV – die DRUCK-Studie des Robert Koch-Instituts hat die hohe Prävalenz eindrucksvoll belegt. 2015 entfielen auf die Gruppe der Drogenkonsument_innen drei Viertel aller Erstdiagnosen.

Für Zurückhaltung bei der Behandlung gibt es derweil keine Gründe mehr. Das war einmal anders: So konnten sich zum Beispiel die Nebenwirkungen von Interferon manchmal wie Entzugserscheinungen anfühlen und bei Substituierten zu Rückfällen führen. Heute spielen solche Kontraindikationen keine Rolle mehr.

„Für Drogenabhängige gelten jetzt die gleichen Regeln wie für alle, die sich auf anderem Weg infizieren. Aber sie werden weiter von der Behandlung ausgeschlossen“, betont Jesse.

Die RKI-Epidemiologin Ruth Zimmermann unterstreicht den Sinn der Behandlung bei Substituierten: „Sie haben eine stabilere Lebenssituation, gehen regelmäßig zum Arzt. Neue Daten zeigen, dass sie ihre Medikamente genauso zuverlässig einnehmen wie alle anderen Patientengruppen.“

Dr. Bohr aus der Praxis am Kaiserdamm in Berlin verbindet die Therapie von Infektionskrankheiten und Suchtproblemen. Nach eigenen Angaben hat er 90 Prozent seiner Substitutionspatient_innen mit Hepatitis C erfolgreich geheilt. Er weist allerdings auf finanzielle Risiken hin: Die individuell angezeigte Therapie mit den wenigsten Nebenwirkungen sei oft teurer. Die Leitlinien können dabei nicht alle individuellen Fällen absichern. „Als Arzt bin ich verpflichtet, dem Patienten die beste Therapie zu geben. Aber im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots trage ich dann ein Risiko, dass die Kassen 40.000 Euro zurück haben wollen.“

Das Resultat: Verunsicherung. Das gilt vor allem in ländlichen Gebieten, wo Ärzte nur selten Hepatitis-C-Patient_innen haben. In der Stadt können verunsicherte Ärzte die Patienten zur Not in eine andere Praxis schicken. Doch auf dem Land muss man dann oft weit fahren. „Einige Infizierte haben kein Geld, für eine Behandlung regelmäßig 50 Kilometer in den nächsten Ort zu fahren“, erzählt Dr. Bohr.

Noch viel Luft nach oben

Ein weiteres Hindernis für den Zugang zur Hepatitis-C-Therapie: Rund die Hälfte der Infizierten weiß nichts von der Infektion. „Das können zum Beispiel auch Menschen sein, die in den 60er- oder 70ern mal mit Drogen experimentiert haben. Inzwischen führen sie längst ein ganz normales Leben mit Kind und Kegel. Dass sie Hepatitis C haben könnten, fällt erst auf, wenn die Leber stark geschädigt ist“, berichtet Dr. Bohr.

Bei Hepatitis C gibt es also weiterhin viel zu tun. Man muss mehr testen. Stigmatisierte Gruppen dürfen nicht weiter von der Therapie ausgeschlossen werden. Und für Ärzt_innen muss sichergestellt werden, dass sie kein Existenzrisiko eingehen. Dr. Ruth Zimmermann vom Robert Koch-Institut formuliert es so: „Es ist noch reichlich Luft nach oben.“


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