Christian Kleine und August Stich, Würzburg
Malaria – Aktuelle Situation und neue Trends
Situation weltweit
Im
Weltmalariareport 2016 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die
Anzahl der im Jahr 2015 weltweit an Malaria-Erkrankten auf 212
Millionen geschätzt, davon ca. 429.000 Todesfälle1,
90% davon in Subsahara-Afrika, drei Viertel (76%) davon in nur 12
Ländern. Die meisten Todesfälle (ca. 303.000, 70%) betreffen
weiterhin Kinder unter 5 Jahren. Für fast alle tödlichen Verläufe
ist Plasmodium falciparum
verantwortlich (99%), der gefährlichste der fünf bekannten
humanpathogenen Plasmodienarten und Erreger der Malaria tropica.
Abb. 1 Schwere Malaria tropica mit zerebralen Komplikationen bei einem Kleinkind
©Photos August Stich
Im Vergleich zum Jahr 2000 ist die Sterblichkeit an Malaria bei unter 5-jährigen Kindern zwar um geschätzte 60% zurückgegangen, auch im kürzeren Verlauf seit 2010 um 29%, jedoch ist Malaria weiterhin einer der größten Killer bei unter 5-Jährigen (Abb. 1) und führt etwa alle 2 Minuten zum Tod eines Kindes. Von den Ländern in Afrika südlich der Sahara liegt Nigeria mit 26% aller durch Malaria verursachten Todesfälle auf Platz 1, gefolgt von der Demokratischen Republik Kongo (DRC) (10%), Mali, Tansania, Mosambik, Burkina Faso, Angola, Elfenbeinküste, Ghana, Uganda, Kenia und Niger (jeweils zwischen 3-5%). In der WHO-Südostasien-Region gesellt sich Indien hinzu, welches weltweit ca. 6% aller Malaria-Todesfälle zählt.
In den letzten 5 Jahren sind große Erfolge in der Bekämpfung der Malaria erzielt worden: So gelang es z.B. durch verbreitete Ausgabe von Malaria-Schnelltests bei fieberhaften Erkrankungen frühzeitig eine Malaria zu diagnostizieren. Auch die Zahl präventiver Behandlung von Schwangeren, von der WHO empfohlen, hat sich verfünffacht, was einen hohen Beitrag zur Senkung von Müttersterblichkeit, Kindersterblichkeit, Frühgeburten und Anämie leistet. Ebenso konnte die Ausgabe von Insektizid-imprägnierten Moskitonetzen an Haushalte in Endemiegebieten verdoppelt werden und auch die Entwicklung von Impfstoffen ist weit vorangekommen. In 2016 konnte Sri Lanka offiziell als malariafrei erklärt werden.
Doch fehlt weiterhin noch Millionen Menschen der Zugang zu all diesen Maßnahmen und er wird durch Bürgerkriege erschwert. In Ländern wie dem Südsudan, Teilen der DRC oder auch der Zentralafrikanischen Republik fehlt Vertriebenen der Zugang zum Gesundheitssystem und innerhalb von Flüchtlings-lagern kommt es zu größeren Malaria-Ausbrüchen. Zudem ist in solchen Ländern die Surveillance erschwert, so dass die Dunkelziffer an Malaria-Toten sehr wahrscheinlich weitaus höher liegt.
Plasmodium knowlesi
Neben den bekannten Erregern der Malaria, Plasmodium falciparum (Malaria Tropica), und den oft periodisches Fieber auslösenden Spezies Plasmodium vivax und Plasmodium ovale (Malaria Tertiana) sowie Plasmodium malariae (Malaria Quartana) wird auch seit ca. 13 Jahren eine weitere Plasmodienart zu den humanpathogenen Erregern gezählt: Plasmodium knowlesi war schon 1932 v.a. bei Langschwanzmakaken bekannt2, im Jahr 2004 traten jedoch auf Borneo (Malaysia) vermehrt Fälle bei Menschen auf.3 Das klinische Bild sowie die häufig hohe Parasitämie führt leicht zu Verwechslungen mit der Malaria tropica, die Morphologie von P. knowlesi in der mikroskopischen Untersuchung führt aufgrund sichtbarer „Bandformen” im Erythrozyten zu Verwechselungen mit P. malariae.4,5 Mittels PCR konnte inzwischen immer wieder P. knowlesi nachgewiesen werden, weswegen seither der Erreger als fünfter humanpathogener Malaria-Erreger zählt.6 Nachfolgende Untersuchungen haben gezeigt, dass die überwiegende Diagnose einer Malaria auf Borneo und dem malaysischen Festland P. knowlesi zuzuschreiben ist.7 Auch in weiteren Ländern Südostasiens, wie z.B. Thailand, den Philippinen und Singapur, konnte P. knowlesi bereits nachgewiesen werden.8,9,10
Die Diagnose ist für viele Labore nach wie vor schwierig, v.a. wenn mikroskopische Erfahrung nicht ausreichend vorhanden bzw. eine molekulargenetische Diagnostik (PCR) nicht verfügbar ist.11 Schnelltests haben bei P. knowlesi nur eine begrenzte Sensitivität und Spezifität.11,12 Dies hat insbesondere für importierte Malaria-Infektionen13 Relevanz: Wenn das klinische Bild sowie der Aufenthalt in einem Endemiegebiet bei Reiserückkehrern eine Knowlesi-Infektion vermuten lassen könnte, sollte nicht nur ein Schnelltest angefertigt werden, sondern bei Verdacht zwingend und schnell auch eine mikroskopische Untersuchung des Blutes des Patienten veranlasst werden. Dicker Tropfen und Ausstrich sind nach wie vor der Goldstandard in der Malaria-Diagnostik. Im Zweifel sollte immer ein tropenmedizinisch erfahrener Arzt konsultiert werden. Auch die Knowlesi-Malaria gilt als Notfall!7 Die Behandlung unterscheidet sich nicht von der der Falciparum-Malaria. Mittel der Wahl sind bei schweren Verläufen intravenöses Artesunate, bei leichten Verläufen Artemsinin-basierte Kombinationspräparate (ACTs).
Artemisinin-Kombinations-Therapie (ACT)
Abb. 2 Artemisia annua
Eine weitere Errungenschaft – mittlerweile bereits seit vielen Jahren erfolgreich angewandt und eine der Säulen in der Bekämpfung der Malaria – ist die Entdeckung der Wirksamkeit von Artemisia annua (Abb. 2), dem einjährigen Beifußgewächs, gegen Plasmodien. Seit den 1950er-Jahren hat sich v.a. bei P. falciparum gegen das früher verwendete Chloroquin, in Deutschland auch unter dem Handelsnamen Resochin® bekannt, eine Resistenz entwickelt, die sich sukzessive weltweit ausgebreitet hatte. Chloroquin findet daher in der Behandlung der Malaria tropica keine Anwendung mehr und ist zumeist wirkungslos. Anfang der 1970er-Jahre gelang es der chinesischen Forscherin Tu Youyou, aus Artemisia annua ein synthetisches Derivat herzustellen (Dihydroartemisinin) womit wieder ein neuer Wirkstoff zur Behandlung der Malaria auf den Markt kam.14
Das besondere an Artemisinin-Derivaten ist die rasche Reduktion der Parasitenanzahl sowie die Wirksamkeit, auch die im Lebenszyklus von Plasmodien frühen Ringformen abzutöten. Auch die gute Verträglichkeit des Medikamentes und kurze Behandlungsdauer sind von Vorteil. Um erneuten Resistenzen vorzubeugen wird das Artemisinin-Derivat mit einem weiteren Antimalaria-Medikament kombiniert, welches eine längere Halbwertszeit besitzt. Bei schwerer Malaria wird aufgrund der schnellen Wirksamkeit ebenfalls ein injizierbares Artemisin-Inderivat (Artesunate) angewendet und sobald Besserung eintritt, auf orale ACTs gewechselt. Die WHO empfiehlt daher auch als Erstrangtherapie zur Behandlung der Malaria tropica die Verwendung von Artemisinin-Derivaten, dies ist weltweit in die nationalen Leitlinien der meisten Länder übernommen worden. Zusätzlich zu den im ersten Abschnitt beschriebenen Maßnahmen hat die weltweite Verwendung und Verfügbarkeit von ACT die Anzahl an Neuerkrankungen und Todesfällen erheblich reduzieren können, wofür Tu Youyou 2015 den Medizinnobelpreis erhalten hat.
Gefährlich: Artemisia-Tee
Der
bahnbrechende Erfolgszug der Artemisinin-Derivate hat auch etliche
Kuriositäten und negative Entwicklungen zu Tage befördert. Im
Internet finden sich zahlreiche Angebote von
Nahrungsergänzungsmitteln, die Artemisia beinhalten, oft zur
Prophylaxe und Stärkung des Immunsystems gegenüber Malaria. Auch
gibt es das Angebot von Teezubereitungen auf Basis getrockneter
Artemisia-Blätter. Die Wasserlöslichkeit des Wirkstoffes ist
allerdings sehr begrenzt, Teezubereitungen bieten daher keinen
verlässlichen Schutz als Malaria-Prophylaxe, zumal sich
Artemisinin-
Derivate nicht zur Prophylaxe der Malaria eignen.
Hinzu kommt – unabhängig vom subtherapeutischen Wirkstoffgehalt15
– dass eine Teezubereitung eine Monotherapie/-prophylaxe darstellt
und somit die Ausbildung von Resistenzen fördert.
In der medizinischen Reiseberatung trifft man – gerade in Zeiten der Lifestyle-Ernährungstrends – immer wieder auf Menschen, die nach eigenständiger Internetrecherche die Frage nach der Wirksamkeit solcher Teezubereitungen stellen. Gleichzeitig sehen wir in unserer Tropenmedizinischen Sprechstunde Patienten mit Malaria, die sich durch vermeintlich prophylaktischen Artemisiatee-Konsum haben beirren lassen und trotzdem an Malaria erkrankt sind. Von der Einnahme von Artemisia-haltigen Supplements oder Konsum von Tees zur Malariaprophylaxe ist ganz klar abzuraten, auch die WHO und tropenmedizinische Fachgesellschaften raten einhellig von dieser Praxis ab.
Späthämolyse nach IV-Therapie
20 HIV & more 3/2017 Fortbildung Abb. 3 Blutausstrich einer schweren Malaria tropica, Giemsafärbung, Vergrößerung 1.000x. Intraerythrozytäre Ringformen von Plasmodium falciparum , Parasitämie ca. 30%
Wie erwähnt, wird bei schwerer Malaria tropica (Abb. 3) ebenfalls bereits vielfach das injizierbare Atemisinin-Derivat Artesunate angewendet. In groß angelegten Studien in Südostasien und Afrika war Artesunate dem ebenfalls injizierbaren Chinin überlegen und konnte die Mortalität bei an Malaria tropica erkrankten Kindern und Erwachsenen deutlich senken.16,17 Auch in Europa wird Artesunate zunehmend verwendet, in 2006 noch zu 27% gegenüber 2013 mit bereits 60%.18 Seit der Anwendung in Europa und anderen westlichen Nationen konnte bei ca. 20-30% der Patienten eine Späthämolyse beobachtet werden, die ca. 2-6 Wochen nach Gabe von Artesunate auftritt.
Aufgrund der schnellen Wirksamkeit und der raschen Reduktion der Parasitenanzahl sowie der Eigenschaft, auch die frühen Ringformen in den parasitierten Erythrozyten abzutöten, ohne dass es zur Zerstörung der Erythrozyten kommt, nehmen diese ehemals parasitierten Erythrozyten weiter am Blutkreislauf teil, sind aber markiert („pitted“) und haben eine kürzere Lebensdauer. Die markierten Erythrozyten werden dann mit einer Latenz von ca. 2-6 Wochen von der Milz abgebaut, was dann (vor allem bei initial hoher Parasitämie) zu einem plötzlichen Abfall des Hämoglobins führt und sich als Späthämolyse zeigt. Dieses Phänomen scheint aktuell die plausibelste Erklärung der Späthämolyse zu sein, ist aber noch Gegenstand der Forschung und noch nicht ganz verstanden. Alle Patienten, die Artesunate erhalten haben, sollten nach 10 und 14 Tagen auf Zeichen einer Späthämolyse kontrolliert werden. Nur in seltenen Fällen wird aber eine Bluttransfusion notwendig sein.
Resistenzen bei ACT
Der Siegeszug der ACT ist jedoch bedroht. Nachdem sich von Südostasien ausgehend eine Resistenz gegenüber Chloroquin ausgebildet hat, wird seit einigen Jahren eine zunehmende Resistenz gegen Artemisinin-Derivate beobachtet, auch dies vor allem in Südost-asien.19 Dies zeigt sich z.B. beim Dihydroartemisinin durch verlängerte Behandlungsdauer und den nicht sonst üblichen raschen Abfall der Parasitämie. Auch die Partnersubstanzen der ACTs zeigen bereits Resistenzen, wie z.B. das Piperaquine. In einigen Regionen sind bereits 3-4 verschiedene ACTs betroffen, v.a. an der Grenze Thailand/Kambodscha. Das ist alarmierend, da befürchtet wird, dass sich die Resistenz in Richtung Afrika ausbreitet, wo viele Menschenleben von diesem wichtigen Medikament abhängig sind. Die ganzen Erfolge in der Reduktion der Todesfälle der letzten Jahre wären somit zunichte. Die WHO strebt daher an, die Malaria in den betreffenden Gebieten in Südostasien mit voller Anstrengung auszurotten, um einer Gefahr der weltweiten Ausbreitung von Artemisinin-Resistenzen vorzubeugen.20
Fazit
Abb. 4 Schwere Fieberattacken sind das Leitsymptom der Malaria
Durch verstärkte Präventionsmaßnahmen und Behandlungsprogramme in den Malaria-Endemiegebieten konnte die Zahl der Erkrankten und Todesfälle deutlich reduziert werden. In einigen Ländern ist es dadurch sogar gelungen, die Malaria zu eliminieren. Doch noch immer sterben vor allem in Subsahara-Afrika jährlich Hunderttausende von Menschen an Malaria, vor allem Kinder. Bürgerkriege erschweren die Surveillance und Durchführung der Bekämpfungsprogramme und führen bei Geflüchteten zu noch mehr Todesfällen.
Plasmodium knowlesi als fünfte humanpathogene Plasmodienart erfährt international noch wenig Beachtung und wird von den gängigen Schnelltests nicht sicher miterfasst. Ein großer Beitrag zur Reduktion der Todesfälle ist der Einführung der ACT zu verdanken. Nach einer erfolgreichen Behandlung mit einer ACT sollte auf Zeichen der Späthämolyse geachtet werden. Eine Prophylaxe mit Artemisia-Tees sollte unterlassen werden. Eine weltweite Anstrengung ist nötig, um die Ausbreitung von Artemisinin-Derivat-resistenten Plasmodien zu verhindern.
1 World Health Organization (WHO). World Malaria Report 2016.
2 Knowles R, Das Gupta BM. A study of monkey-malaria and its experimental transmission to man. Indian Medical Gazette. 1932, 67:301-320
3 Singh B, Sung LK, Matusop A et al. A large focus of naturally acquired Plasmodium knowlesi infections in human beings. Lancet. 2004, 363:1017-1024
4 Singh B, Daneshvar C. Human infections and detection of Plasmodium knowlesi. Clin Microbiol Rev. 2013 Apr;26(2):165-84
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7 Cox-Singh J, Davis TM, Lee KS et al. Plasmodium knowlesi malaria in humans is widely distributed and potentially life threatening. Clin Infect Dis. 2008, 46:165-171
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10 Ng OT, Ooi EE, Lee CC et al. Naturally acquired human Plasmodium knowlesi infection, Singapore. Emerg Infect Dis. 2008, 14:814-816
11 Jeremiah S, Janagond AB, Parija SC. Challenges in diagnosis of Plasmodium knowlesi infections. Trop Parasitol. 2014 Jan;4(1)25-30
12 Foster D, Cox-Singh J, Mohamad DS et al. Evaluation of three rapid diagnostic tests for the detection of human infections with Plasmodium knowlesi. Malar J. 2014 Feb 18;13:60
13 De Canale E, Sgarabotto D, Marini G et al. Plasmodium knowlesi malaria in a traveller returning from the Philippines to Italy, 2016. New Microbiol. 2017 Jul 4;40(3)
14 You-You T et al. Studies on the constituents of Artemisia annua Part II. Planta Med. 1982 Mar;44(3):143-5
15 De Donno A, Grassi T, Idolo A et al. First-time comparison of the in vitro antimalarial activity of Artemisia annua herbal tea and artemisinin. Trans R Soc Trop Med Hyg. 2012 Nov;106(11):696-700
16 Dondorp AM, Fanello Cl, Hendriksen IC et al. Artesunate versus Quinine in the treatment of severe falciparum malaria in African children (AQUAMAT): an open-label, randomised trial. Lancet. 2010 Nov 13;376(9753):1647-57
17 Dondorp A, Nosten F, Stepniewska K et al. Artesunate versus Quinine for treatment of severe falciparum malaria: a randomised trial. Lancet. 2005 Aug 27-Sep 2;366(9487):717-25
18 Kurth F, Develoux M, Mechain M et al. Severe malaria in Europe: an 8-year multi-centre observational study. Malar J. 2017 Jan 31;16(1):57
19 Fairhurst RM, Dondorp AM. Artemisinin-resistant Plasmodium Falciparum Malaria. Microbiol Spectr. 2016 Jun;4(3)
20 World Health Organization (WHO). Artemisinin and artemisinin-based combination therapy resistance – Status report. 2016 Oct.