Benjamin Mordmüller, Tübingen
Prävention der Malaria mit Impfstoffen
Ein Impfstoff zur Prävention der Malaria ist seit mehr als 100 Jahren Ziel wissenschaftlicher Untersuchungen und bereits 1910 konnten erste Erfolge im Tiermodell publiziert werden1; trotzdem gibt es bis heute keinen kommerziell erhältlichen Malariaimpfstoff. Die Geschichte der Malariaimpfstoffentwicklung für den Menschen ist ein gutes Beispiel für die Schwierigkeiten, Umwege und unerwarteten Hürden der Forschung, die zu neuen Medikamenten führen will.
Mit über 200 Millionen Erkrankungen und 0,7 Millionen Toten gehört Malaria zu den bedeutendsten Infektionserkrankungen. Der Erreger Plasmodium falciparum ist dabei für den Großteil der Krankheitslast verantwortlich.2 Aus diesem Grund wurden bis heute die meisten Ressourcen in die Erforschung an dieser Erregerspezies investiert. Neben P. falciparum ist P. vivax von weltweiter Bedeutung und wird ebenfalls untersucht. Die Erforschung von P. malariae, P. ovale und P. knowlesi wird dagegen weitestgehend vernachlässigt .
Lebenszyklus
Plasmodium-Spezies sind Eukaryonten, die einen komplizierten Lebenszyklus durchlaufen und deren antigene Komplexität im Vergleich mit vielen Viren und Bakterien hoch ist. Nach der Inokulation von Sporozoiten durch eine Mücke der Gattung Anopheles, zirkulieren die Erreger im Blutkreislauf für mehrere Minuten und befallen dann Hepatozyten in denen sie für 5-6 Tage heranreifen. In dieser Zeit entwickelt ein Erreger etwa 30.000 Tochterzellen (sogenannte Merozoiten), die in die Zirkulation übertreten und dort Erythrozyten befallen können (Blutstadium). Bis dahin ist die Infektion symptomlos und nicht zu diagnostizieren. Erst während des Blutstadiums der Infektion treten die Symptome und Komplikationen einer Malaria auf. In dieser Phase der Erkrankung vermehren sich die Erreger exponentiell, wenn sie nicht durch eine erfolgreiche Immunreaktion oder metabolische Restriktion gebremst werden. Bei P. falciparum-Infektionen können so mehr als die Hälfte der Erythrozyten infiziert werden. Ein geringer Teil der Parasiten differenziert zu geschlechtlichen Formen des Parasiten, die von Mücken bei einer Blutmahlzeit aufgenommen werden können und sich dort vermehren. Der Mensch ist damit Zwischen- und die Mücke der Endwirt im Zyklus von Plasmodium.
Impfprinzipien
Impfungen sind eine Art der Kommunikation mit einem zukünftigen Krankheitserreger mit dem Ziel, Krankheit durch die körpereigene Abwehr zu vermeiden. Der Impfstoff wird dem Immunsystem präsentiert, die darin enthaltene Information wird verarbeitet und in kodierter Form gespeichert (dem „Immungedächtnis“, z.B. in Form von antigenspezifischen Gedächtnis T Zellen und Plasmazellen), damit es nach Kontakt mit einem Pathogen die Vermehrung des Erregers verhindern kann. Die Impfung selbst sollte möglichst keine Symptome, Beeinträchtigungen oder Komplikationen hervorrufen. Um dies zu erreichen werden Erreger abgeschwächt (attenuiert), inaktiviert oder verwandte Mikroorganismen verwendet, die beim Menschen keine schwere Infektion verursachen (z.B. BCG). Die stärkste Form der Inaktivierung ist die Verwendung von einzelnen Molekülen, die auch rekombinant oder synthetisch hergestellt sein können – sogenannte Subunit-Impfstoffe. Alternativ kann auch nur Erbinformation in Form von DNA oder RNA angewendet werden. Im Gegensatz zur Veterinärmedizin sind jedoch bisher keine DNA/RNA-basierten Impfstoffe für die Anwendung beim Menschen zugelassen.
Prinzipien bei Malaria
Um
einen beim Menschen gut wirksamen Malariaimpfstoff zu entwickeln,
wurden nahezu alle gängigen Technologien verwendet, leider
größtenteils mit geringem Erfolg. Durch die Komplexität des
Lebenszyklus bieten sich drei unterschiedliche Angriffspunkte an: 1.
Inokulation durch die Mücke, Entwicklung in der Leber und Übergang
in das Blut – die präerythrozytäre Phase, 2. Vermehrung im Blut –
das asexuelle Blutstadium und 3. sexuelle Formen, die von der Mücke
aufgenommen werden. Ein Impfstoff gegen die präerythrozytäre Phase
wäre am effektivsten, da er sowohl die Erkrankung als auch die
Übertragung des Parasiten auf die Mücke und damit die Ausbreitung
verhindern würde. Natürlich erworbene Immunität, die in
malaria-endemischen Gebieten durch wiederholte Malariaepisoden
entsteht, ist in erster Linie gegen das asexuelle Blutstadium
gerichtet. So werden exzessive Erregervermehrung und Komplikationen
verhindert; Aktivität gegen die sexuellen Stadien hingegen
verhindert die Ausbreitung des Parasiten in einer Population
(„altruistische“ Impfung). Zwei Impfstoffe des ersten
präerythrozytären Typs werden momentan besonders diskutiert: RTS,S
(Mosquirix) und PfSPZ-basierte Vakzinen. RTS,S ist der erste
Impfstoff, der die klinische Entwicklung bis zur
Zulassung
durchlaufen hat. In erster Linie aufgrund der moderaten und kurz
andauernden Wirksamkeit3
wird RTS,S momentan in großen Implementationsstudien untersucht.
SPOROZOITENImpfstoffe
PfSPZ steht für aseptische, gereinigte, portionierte und konservierte P. falciparum Sporozoiten. PfSPZ werden von Sanaria Inc., ein von dem Malariaforscher Stephen L. Hoffmann gegründetes Unternehmen, in voll infektionsfähiger (PfSPZ Challenge) und attenuierter Form (PfSPZ Vaccine) hergestellt. Die Verfügbarkeit von nach den Richtlinien guter Herstellungspraxis produzierten Sporozoiten bedeutet einen großen Fortschritt in der Entwicklung von Malariaimpfstoffen und Medikamenten zur Prophylaxe der Malaria. Aus diesem Grund entstand ein ad hoc Konsortium, welches die Entwicklung von PfSPZ-basierten Interventionen vorantreibt; in Deutschland zu großen Teilen durch das Deutsche Zentrum für Infektionsmedizin gefördert. In diesem Rahmen konnte ein standardisiertes humanes Provokationsmodell entwickelt werden4 und für die Entwicklung neuer Medikamente5 und Impfstoffe6 angewendet werden.
Humanes Modell
Bei
diesem Ansatz werden gesunde Probanden mit PfSPZ Challenge inokuliert
und engmaschig kontrolliert. Sobald
Erreger im Blut mit
hochsensitiven Methoden nachweisbar sind, werden die Probanden
therapiert. Diese Art der kontrollierten Provokation ist verträglich
und sicher, wie in mehreren tausend Probanden gezeigt werden konnte.
Der Vorteil gegenüber großer Studien in malaria-endemischen
Gebieten ist, dass der Wirksamkeitsnachweis sehr früh in der
klinischen Entwicklung erfolgt, Wirksamkeit exakt bestimmt werden
kann und keine vulnerablen Gruppen, wie z.B. Kleinkinder, früh in
der klinischen Entwicklung exponiert werden. Für die Entwicklung von
Impfstoffen besonders
interessant ist, dass PfSPZ auch zur
Immunisierung eingesetzt werden können. Inokulation von Sporozoiten
ist das bisher erfolgreichste und als erstes beschriebene Prinzip1
der Malariaimpfung, war bisher jedoch nicht in größerem Maßstab
möglich, da sie nicht in geeigneter Form zur Verfügung standen.
Erste Studien mit durch Bestrahlung attenuierten PfSPZ zeigten einen
dosisabhängigen hochgradigen und langlebigen Schutz7,8,
der, wenn auch weniger potent, auch gegen natürlich erworbene
Infektionen bei Erwachsenen in Afrika vorhanden war.9
Parallel
zur PfSPZ Vaccine wird eine neue Art der Immunisierung entwickelt,
bei der die verschiedenen Stadien des
Lebenszyklus von Plasmodien
ausgenutzt werden. Hier wird PfSPZ Challenge zusammen mit einem
Medikament gegeben, das nur gegen die krankheitsauslösenden
asexuellen Blutstadien wirkt (PfSPZ-CVac). Damit kann, im Gegensatz
zu bestrahlten PfSPZ, die sich nicht teilen können, ein robuster
Schutz gegen alle prä-erythrozytären
Formen aufgebaut werden. In
malaria-naiven Erwachsenen war diese Form der Immunisierung
dosisabhängig, gut verträglich und hochwirksam.6
Diese Ergebnisse führten zu Folgestudien, die eine Verkürzung und
Vereinfachung des Impfschemas zum Ziel haben. Des Weiteren gibt es
Vorbereitungen zu einer großen Studie in der Zielgruppe,
afrikanische Kinder aus hochendemischen Gebieten, die noch in diesem
Jahr am Centre de Recherches Médicales de Lambraéné (CERMEL) in
Gabun beginnen wird.
Zusammenfassung
Nach vielen Jahren mit nur wenigen Erfolgen, hat die Entwicklung von Malariaimpfstoffen in den letzten 5 Jahren gleich mehrere Meilensteine passiert: RTS,S als erster bis zur Zulassung entwickelter und unter natürlichen Bedingungen wirksamer Impfstoff und PfSPZ-basierte Impfstoffe, deren Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit große Hoffnungen wecken. Daneben gibt es eine Vielzahl interessanter neuer Ansätze und Impfstoffkandidaten, die in diesem Rahmen leider nicht abgehandelt werden können.10
1 Sergent E, Sergent E. Sur l‘immunité dans le paludisme des Oiseaux. Conservation in vitro des sporozoites de Plasmodium relictum. Immunité relative obtenue par inoculation de ces sporozoite. Comptes rendus hebdomadaires des séances de l‘Académie des sciences. 1511910. p. 407-9.
2 GBD 2015 Mortality Causes of Death Collaborators. Global, regional, and national life expectancy, all-cause mortality, and cause-specific mortality for 249 causes of death, 1980-2015: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2015. Lancet. 2016;388(10053):1459-544.
3 RTS, S Clinical Trials Partnership. Efficacy and safety of RTS,S/AS01 malaria vaccine with or without a booster dose in infants and children in Africa: final results of a phase 3, individually randomised, controlled trial. Lancet. 2015;386(9988):31-45.
4 Mordmüller B, Supan C, Sim KL, Gomez-Perez GP, Ospina Salazar CL, Held J, et al. Direct venous inoculation of Plasmodium falciparum sporozoites for controlled human malaria infection: a dose-finding trial in two centres. Malar J. 2015;14:117.
5 Sulyok M, Rückle T, Roth A, Mürbeth RE, Chalon S, Kerr N, et al. DSM265 for Plasmodium falciparum chemoprophylaxis: a randomised, double blinded, phase 1 trial with controlled human malaria infection. Lancet Infect Dis. 2017.
6 Mordmüller B, Surat G, Lagler H, Chakravarty S, Ishizuka AS, Lalremruata A, et al. Sterile protection against human malaria by chemoattenuated PfSPZ vaccine. Nature. 2017;542(7642):445-9.
7 Seder RA, Chang L-J, Enama ME, Zephir KL, Sarwar UN, Gordon IJ, et al. Protection Against Malaria by Intravenous Immunization with a Nonreplicating Sporozoite Vaccine. Science. 2013;341(6152):1359-65.
8 Ishizuka AS, Lyke KE, DeZure A, Berry AA, Richie TL, Mendoza FH, et al. Protection against malaria at 1 year and immune correlates following PfSPZ vaccination. Nat Med. 2016.
9 Sissoko MS, Healy SA, Katile A, Omaswa F, Zaidi I, Gabriel EE, et al. Safety and efficacy of PfSPZ Vaccine against Plasmodium falciparum via direct venous inoculation in healthy malaria-exposed adults in Mali: a randomised, double-blind phase 1 trial. Lancet Infect Dis. 2017;17(5):498-509.
10 Sauerwein RW, Richie TL. Malaria vaccines getting close to clinical reality. Vaccine. 2015;33(52):7423-4.