Alles Unter Kontrolle?
Jugendliche gewinnen mit einem Theaterstück den Medienpreis der Deutschen AIDS-Stiftung
Auf dem Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress in Hamburg übergab die Stiftung die Urkunde. Schauspielerin Jessica Stockmann, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung, hielt die Laudatio. Der Preis ist mit einem Preisgeld von 3.000 Euro verbunden, gestellt von den Förderern Gilead Sciences und Verband der Forschenden Pharma-Unternehmen (vfa).
Mel beeindruckt die Gäste der Preisverleihung
Fotos: Hendrik Lüders, Hamburg
„Under Control“
Ein Jahr lang trafen sich die jungen Erwachsenen mindestens einmal im Monat. Sie entwickelten und schrieben ein Theaterstück über HIV, diskutierten, planten und holten sich Input von der Aids-Hilfe Bonn. Sie nannten ihr Stück „Under Control“, angelehnt an einen Artikel aus einer Tageszeitung von 2006, in dem es hieß: „Wir haben HIV unter Kontrolle“. Das Theaterstück zeigt, dass sich zwar medizinisch vieles verändert hat, es aber gesellschaftlich noch manches zu tun gibt.
Immer noch macht HIV-infizierten Frauen und Männern die Furcht vor Reaktionen aus ihrem sozialen Umfeld und der eigenen Community zu schaffen. Solange die Gesellschaft – teils auch aus Unwissenheit – HIV-Infizierten mit Vorbehalten und praktischen Vorurteilen begegnet, ist HIV noch lange nicht „unter Kontrolle“.
Freuen sich über die Ehrung: Mel, Ilay und Daniel Krämer
6 aus 40 Minuten
Bei der Verleihung spielte Mel eine berührende Szene: Thorben hat gerade erfahren, dass sein Sohn Paul HIV-positiv ist. In ihm kommen alte Bilder der Aidskrise auf und Erinnerungen an seinen Schulfreund Johannes. „Plötzlich wurden Leute krank. Niemand wusste warum. Und niemand wusste wie man es aufhalten kann. (...) „Halt dich fern von denen“, hat Mama immer gesagt. Von denen. (...) Ich hätte merken sollen, dass irgendetwas (mit Johannes) anders ist. (...) Und dann hat er‘s gesagt. „Ich bin HIV-positiv“. (...) Ich hörte nie wieder von ihm, bis irgendwann die Krankenschwester anrief. Er hat nicht mehr viel gesagt. Ich habe ihm nur zugesehen, wie er gestorben ist. Und am großen Zeh – da hatte er schon ein Schild. „Achtung, Infektiöse Leiche“, stand da. (...)
Jetzt ist heute. Und heute habe ich einen Sohn. Paul. Er hat auch gesagt. „Papa, ich bin HIV-positiv“.
Prädikat der Jury: Ausgezeichnet
Die Jury für den Medienpreis war überzeugt von der Gruppe und dem Theaterstück: weil es berührt, weil es Gefühle und Gedanken in authentische Sprache gießt, weil auch der Blick auf das alte Aids nicht fehlt und das Stück zeigt, dass der Austausch mit anderen Positiven hilfreich sein kann und Mut macht. „Under Control“ verschweige dennoch nicht, dass es zu Ablehnungen kommen kann und man lernen muss, mit Enttäuschungen umzugehen.
Den Preis nahmen in Hamburg die Darstellerinnen Mel und Ilay entgegen, die eine tragende Rolle im Projekt spielten, und Daniel Krämer von der Aids-Hilfe Bonn, Organisator und Manager des Projektes.
Noch mehr Preisträger_innen
Drei Beiträge wurden mit dem Medienpreis HIV/Aids 2017/18 und einem Preisgeld von je 5.000 Euro (gestellt von Gilead Sciences und Verband der Forschenden Pharma-Unternehmen) ausgezeichnet.
- Birgit Wittstock für ihre Langzeitrecherche zu „Leben mit HIV“, erschienen in zwei Teilen in der Wiener Wochenzeitung Falter: „Philipp, 35, positiv“ (Falter 17/18), „Philipp, A. und ich“ (Falter 22/18)
- Florian Winkler-Ohm für seinen Blog flosithiv.com
- Martin Reichert für seine Publikation „Die Kapsel. AIDS in der Bundesrepublik“, Suhrkamp Verlag Berlin 2018
Der Preis der Deutschen AIDS-Stiftung ist seit 32 Jahren der einzige Medienpreis zum Thema HIV/Aids im deutschsprachigen Raum.