Cornelia Feiterna-Sperling, Berlin
Leitlinien Kinder und Jugendliche – Update 2019

Deutsch-Österreichischen Leitliniendeutsche AIDS Gesellschaft e.V.

Bei Kindern gibt es einige Besonderheiten und eine Reihe von neuen Entwicklungen. Das hat zu Änderungen der Empfehlungen bezüglich der Diagnostik, der Therapieindikation und Auswahl von antiretroviralen Medikamenten geführt.

HIV-infizierte Kinder weisen im Vergleich zu Erwachsenen Unterschiede hinsichtlich des Infektionsweges, der Virusdynamik, Reife des Immunsystems und des natürlichen Verlaufs der Erkrankung auf. Des Weiteren bestehen bei Kindern pharmakokinetische altersabhängige Besonderheiten, sodass eine auf das Kindesalter angepasste Diagnostik und Therapie erforderlich ist. Besondere Herausforderungen stellen die Adhärenz, Langzeittoxizitäten, HIV-Resistenzen, die reproduktive Gesundheit, eigene Familienplanung und schließlich die Transition der Jugendlichen in die Erwachsenenmedizin dar. Diese Aspekte und die Verfügbarkeit neuer Wirkstoffe sowie neue Studienergebnisse haben eine Überarbeitung einer früheren Version der Leitlinien erforderlich gemacht. Diese erfolgte unter der gemeinsamen Federführung der Deutschen AIDS Gesellschaft (DAIG) und der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI).

Diagnostik

Kinder  © fotolia
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Hinsichtlich der diagnostischen Methoden zur Sicherung der Diagnose einer HIV-Infektion im Kindesalter sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Prinzipiell soll die Diagnostik dem individuellen Alter des Kindes und dem Übertragungsmodus angepasst werden.

Es gelten folgende Empfehlungen: Bei Säuglingen und Kindern <24 Monate mit perinataler und postnataler HIV-Exposition sollen für die Diagnose einer HIV-Infektion der Nachweis von HIV-spezifischer DNA in Lymphozyten und/oder HIV-RNA im Plasma mittels PCR erfolgen.

Bei Kindern >24 Monate mit perinataler HIV-Exposition oder Verdacht auf eine horizontale Infektion soll primär ein kombinierter HIV-Antigen-/Antikörpersuchtest (sog. HIV-Screening-Test der 4. Generation) durchgeführt werden.

Ein positiver virologischer Test soll so schnell wie möglich durch eine zweite Blutprobe bestätigt werden.

Eine Besonderheit stellt die Gruppe der perinatal HIV-infizierten Kinder dar, bei denen bereits im Neugeborenenalter, frühzeitig nach der Geburt eine suffiziente ART begonnen wurde. Diese Kinder können unter Fortsetzung einer wirksamen ART aufgrund des Wegfalls der stimulierenden HIV-Antigene nach dem Verlust der mütterlichen Antikörper HIV-seronegativ werden. Erfolgt eine Unterbrechung der ART, ist eine erneute Virusreplikation dann mit nachfolgender Serokonversion zu erwarten. Da eine HIV-Infektion nach frühzeitig postnatal begonnener suffizienter ART mit den üblichen diagnostischen Verfahren (Antikörpernachweis, RNA-Nachweis mittels PCR) z.T. im Verlauf nicht mehr nachweisbar sein kann, ist eine gute Dokumentation der HIV-Diagnose von großer Bedeutung.

Antiretrovirale Therapie

Ziel der ART ist die Hemmung der HIV-Replikation, der Erhalt bzw. die Rekonstitution der Immunität, die Senkung der Morbidität und Mortalität und eine möglichst normale körperliche und neuro-kognitive Entwicklung HIV-infizierter Kinder und Jugendlicher. Bei sexuell aktiven Jugendlichen verringert die Suppression der HIV-RNA das Risiko einer horizontalen Transmission. Obwohl die Pathogenese der HIV-Infektion sowie die Wirkmechanismen der antiretroviralen Medikamente bei Erwachsenen und Kindern prinzipiell gleich sind, können aufgrund der erheblichen Unterschiede der Pharmakokinetik und des Nebenwirkungsprofils Studien an Erwachsenen nicht ohne Weiteres auf das Säuglings- und Kindesalter übertragen werden.

Alter Kriterium Empfehlung
Säuglinge unabhängig von der Klinik und dem immunologischen Status sollen unverzüglich eine ART erhalten
>12 Monate - 36 Monate unabhängig von der Klinik und dem immunologischen Status sollen eine ART erhalten
37 Monate bis Ende des 12. Lebensjahres asymptomatische Kinder ohne Immundefekt sollten eine ART erhalten

symptomatische Kinder und/oder bei Vorliegen eines Immundefekts sollen eine ART erhalten
alle Jugendlichen >12 Jahre unabhängig von der Klinik und dem immunologischen Status sollen wie Erwachsene therapiert werden*
*Details siehe AWMF-Leitlinie „Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion“

Tab. 1 Indikation zur antiretroviralen Therapie

Indikation für Therapiebeginn

Bei Erwachsenen empfehlen internationale Leitlinien (http://www.eacsociety.org) auf der Grundlage der Ergebnisse der START-Studie eine ART für alle HIV-infizierten Erwachsenen unabhängig von der CD4-Zellzahl.

Anders als bei Erwachsenen ist die Evidenz für eine solche Empfehlung, d.h. eine Dringlichkeit für einen sofortigen Beginn einer ART, bei asymptomatischen HIV-infizierten Kindern >12 Monaten mit CD4-Zellzahlen oberhalb den alters-entsprechenden Normwerten bisher nicht nachgewiesen. Bedenken hinsichtlich der Adhärenz und der langfristigen Medikamenten-Toxizitäten sind bei Kindern relevant, berücksichtigt man, dass eine einmal begonnene Therapie nach derzeitigem Erkenntnisstand lebenslang fortgesetzt wird.

In den aktuellen Deutsch-Österreichischen Leitlinien richtet sich die Indikation für eine ART bei asymptomatischen Kindern nach Altersgruppen und weicht damit in einigen Punkten von internationalen Empfehlungen ab. Empfohlen wird folgendes Vorgehen (Tab. 1).

Gut belegt wurde der Nutzen eines unverzüglichen Beginns einer ART bei HIV-infizierten Kindern <1 Jahr u. a. in der randomisierten, kontrollierten CHER-Studie für afrikanische – und in einer retrospektiven Studie der „European Infant Collaboration Group“ für europäische Säuglinge. Auch wenn Studiendaten dazu fehlen, ist bei asymptomatischen Kleinkindern im zweiten und dritten Lebensjahr anzunehmen, dass diese Altersgruppe ebenfalls von einem unverzüglichen ART-Beginn profitieren wird. Bei älteren asymptomatischen Kindern (37 Monate bis Ende des 12. Lebensjahres) ist von einer geringeren Krankheitsprogression auszugehen, sodass sich die Leitliniengruppe nicht für eine generelle sofortige ART ausspricht. Da ein Nutzen der ART hinsichtlich neurokognitiver Leistungen, Pubertätsentwicklung, ein positiver Einfluss auf das Wachstum möglich ist, wird empfohlen, bei asymptomatischen Kindern im Alter von 37 Monate bis zum Ende des 12. Lebensjahres die Therapieindikation großzügig zu stellen, wenn die Bereitschaft zur Therapie besteht und eine gute Adhärenz anzunehmen ist.

Firstline-Regime

Generell wird für die Initialtherapie eine Kombination aus drei antiretroviral wirksamen Substanzen empfohlen. Dabei soll eine Kombinationstherapie aus 2 NRTIs + 1 PI/r oder 2 NRTIs + 1 NNRTI oder 2 NRTIs plus 1 INI gewählt werden.

Prinzipiell sind bei allen antiretroviralen Medikamenten die jeweiligen alters- und gewichtsabhängigen Zulassungsbeschränkungen im Kindesalter zu beachten (Tab. 2) sowie die Substanzspezifischen Risiken von unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu berücksichtigen. Eine Therapie mit Stavudin (d4T) und Didanosin (ddI) wird aufgrund von Toxizitäten generell nicht mehr empfohlen.


Alter <4 Wochen ≥4 Wochen -
<1 Jahr
≥1 - <3 Jahre ≥3 - <6 Jahre ≥6 - <12 Jahre ≥12 Jahre
Bevorzugtes
Regime
NRTIs/
NtRTIs
ZDV + 3TC ABCb+ 3TC
ABCb+ FTC
ABCb+ 3TC
ABCb+ FTC
ABCb+ 3TC
ABCb+ FTC
ABCb+ 3TC
ABCb+ FTC
ABCb+ 3TC
ABCb+ FTC
TAFd+ FTC
3. Substanz NVP
LPV/ra
RAL
NVP
LPV/r
RAL
NVP
LPV/r
RAL
ATV/r
DRV/r
RAL
ATV/r
DRV/r
DTG
ATV/r
DRV/r
DTG
EVG/COBI
Alternatives
Regime
NRTIs -- ZDV + 3TC
ZDV + FTC
ZDV + 3TC
ZDV + FTC
ZDV + 3TC
ZDV + FTC
TDF + FTC
ZDV + 3TC
ZDV + FTC
TDF + FTC
TDF + FTC
3. Substanz -- -- -- EFV
LPV/r
NVP
EFV
LPV/r
NVP
RAL
EFV
RAL
RPVc
a ab 42 SSW Gestationsalter bzw. ≥14 Lebenstage (reife Neugeborene); b wenn HLAB5701-Screening negativ; c RPV nicht bei einer initialen HIV-RNA >100.000 Kopien/ml; d
TAF + FTC in Kombination zugelassen bei Kindern ≥12 Jahren und ≥35 kg; e^bei Jugendlichen im gebärfähigen Alter Ausschluss einer Schwangerschaft vor Therapiebeginn, unter Therapie Anwendung von zuverlässigen Verhütungsmethoden.
AbkürzungenABC: Abacavir; 3TC:Lamivudin;  ATV/r:Atazanavir/Ritonavir; DRV/r: COBI:Cobicistat; Darunavir/Ritonavir; DTG:Dolutegravir; EFV: Efavirenz;
EVG:Elvitegravir; FTC:Emtricitabin; LPV/r: Lopinavir/Ritonavir;  NRTI: Nukleosidischer Reverse-Transkriptase-Inhibitor; NVP: Nevirapin; RAL: Raltegravir;
RPV: Rilpivirin; TAF:Tenofovir alafenamid;  TDF:Tenofovir disoproxil fumarat;  ZDV: Zidovudin

Tab. 2 Therapieregime für die Initialtherapie nach Altersklassen

Fixkombinationen

Fixkombinationen mit einer einmal täglichen Medikamenteneinnahme können auch bei Kindern und Jugendlichen zur Verbesserung der Adhärenz beitragen. Die generelle Empfehlung für eine ART mit Single TabletRegimen (STR) als bevorzugtes Regime bei Jugendlichen ist in der Leitliniengruppe kontrovers diskutiert worden.

Prinzipiell kommen ab dem Alter von 12 Jahren eine Reihe von STR in Betracht:

  • ELV/Cobicistat/FTC/TAF (ab 12 Jahren und mindestens 35 kg), für Kinder ab 6 Jahren und mindestens 25 kg, wenn andere Behandlungsregime aufgrund von Toxizitäten ungeeignet sind
  • DTG/ABC/3TC (ab 12 Jahren und mindestens 40 kg)
  • DRV/Cobicistat/FTC/TAF (ab 12 Jahren und mindestens 40 kg)
  • FTC/TAF/Rilpivirin (RPV) (ab 12 Jahren und mindestens 35 kg, Viruslast <100.000 Kopien/ml)

Aufklärung von Kindern und Jugendlichen

Die WHO-Guidelines von 2011 empfehlen die altersgerechte Aufklärung HIV-infizierter Kinder im Alter zwischen 6 und 12 Jahren. Jüngere Kinder sollen schrittweise, ihren kognitiven Fähigkeiten und ihrer emotionalen Reife entsprechend, auf die Bekanntgabe ihrer Diagnose vorbereitet werden. Die Benennung der HIV-Diagnose setzt dabei einen Aufklärungs- und Informationsprozess über die medizinisch-therapeutischen, sozialen und rechtlichen Aspekte in Gang, an dessen Ende ein selbstständiger sowie eigen- und fremdverantwortlicher Umgang mit der HIV-Infektion steht.

Unabhängig vom aktuellen Gesundheitszustand ist die Diagnosemitteilung an betroffene Kinder für fast alle Sorgeberechtigten eine der größten emotionalen Herausforderungen. Die Aufklärung birgt aus der Sicht der Eltern das Risiko einer nicht mehr zu kontrollierenden Offenlegung im sozialen Umfeld und eine unkontrollierte Information an das Umfeld birgt das Risiko von unabsehbaren negativen Konsequenzen wie soziale Ausgrenzung und Isolation. Im Wesentlichen wägen die Eltern/Sorgeberechtigten bei der Entscheidung zwischen kindlichem Wohlbefinden und emotionaler Belastung ab. Mögliche Argumente für und gegen die Diagnosemitteilung bzw. die Fortsetzung der Geheimhaltung aus Sicht der Sorgeberechtigten sind in Tabelle 3 aufgeführt.

Pro Mitteilung Pro Geheimhaltung
  • Verbesserung der Adhärenz
  • Verringerung eines Transmissionsrisikos
  • Offener Umgang mit Diagnose in der Familie
  • Schrittweise, begleitete Übernahme von Eigenverantwortung
  • Geringes Risiko der Diagnoseoffenbarung gegenüber dem sozialen Umfeld
  • Keine Offenbarung der eigenen Diagnose
  • Keine Angst vor Schuldzuweisung oder Ablehnung durch das betroffene Kind
Kontra Mitteilung Kontra Geheimhaltung
  • Mögliche emotionale Belastung für das Kind
  • Mögliche Auswirkung auf die Entwicklung und das Verhalten des Kindes
  • Mögliche Belastung für die innerfamiliäre Beziehung
  • Mögliches Glaubwürdigkeitsproblem bei der Erklärung der täglichen Medikamente und Motivation zur regelmäßigen Einnahme
  • Zunahme der Wahrscheinlichkeit von ungeschützten sexuellen Kontakten
  • Vorhaltungen und Vertrauensverlust gegenüber den Eltern, je später die Diagnose offenbart wird

Tab. 3 Argumente für und gegen die Mitteilung der HIV-Diagnose

Anzustreben ist in jedem Fall ein mit den Sorgeberechtigten abgestimmtes Vorgehen und ein von den Sorgeberechtigten getragener Zeitplan der Diagnosemitteilung. Auch wenn die Aufklärung oft als das „Produkt Diagnosemitteilung“ angesehen wird, ist sie doch die Zwischenstation in einem Prozess, der bereits beim Kleinkind beginnt und im günstigsten Fall im Erwachsenenalter endet.

Pubertät

Generell sollen HIV-infizierte Kinder in Abhängigkeit von ihrer kognitiven und emotionalen Entwicklung in Abstimmung mit den Sorgeberechtigten über ihre Diagnose und deren sozialen wie medizinischen Implikationen aufgeklärt werden. In der Regel sollte die Diagnose der HIV-Infektion dem minderjährigen Patienten spätestens bis zu Pubertät bekannt sein.

In dieser Phase beginnt die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität, ein erster persönlicher Bearbeitungsprozess zur HIV-Diagnose in dem Alter ist die Voraussetzung für Jugendliche, verantwortungsbewusst zu handeln. Die Inhalte des Aufklärungsprozesses sind den ausführlichen AWMF-Leitlinien zu entnehmen.

Sind minderjährige Patienten nach Einschätzung und Beurteilung des behandelnden Arztes/Teams einsichtsfähig, ist eine Diagnosemitteilung auch ohne ausdrückliche Zustimmung der Sorgeberechtigten zu erwägen. Die Beurteilung orientiert sich dabei an der natürlichen Einsichts- und Urteilsfähigkeit, von der ab dem 14. Lebensjahr in der Regel ausgegangen werden kann. Auf konkrete Nachfrage des Patienten können Ärzte die Diagnose nicht verschweigen.

Adhärenz

Trotz einer dramatischen Verbesserung der Überlebensrate von HIV-infizierten Kindern und Jugendlichen durch die ART hängt der anhaltende Therapieerfolg von einer möglichst hohen Adhärenz ab. Eine besondere Herausforderung stellt weltweit die Adhärenz von Adoleszenten dar. Nicht nur in diesem kritischen Lebensalter ist die selbstberichtete Adhärenz, obwohl es sich um ein subjektives Maß handelt, eine einfach anzuwendende Methode, die mit anderen objektivierbaren Messgrößen, wie z.B. der Anzahl der eingenommenen Tabletten und Viruslast korreliert. Voraussetzung ist in jedem Fall ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis. Um eine optimale Betreuung zu gewährleisten, bedarf es dafür eine ausreichende Anzahl von im Bereich der pädiatrischen HIV-Medizin erfahrenem medizinischem Personal und in der psychosozialen Betreuung versierten Mitarbeitern. Gruppenarbeit zu Themen wie Stigmatisierung, Offenlegung oder Geheimhaltung der Diagnose, gesunde Partnerschaft, Drogen und Zukunfts- und Familienplanung können einen positiven Effekt auf die Adhärenz haben. In einer aktuellen Studie wurde gezeigt, dass der Einsatz von mobiler Kommunikation in Form von Textnachrichten die Adhärenz steigern konnte, was sich durch eine messbare Senkung der Viruslast dokumentieren ließ. Insgesamt gibt es einen sehr hohen Bedarf, geeignete Strategien zur Steigerung der Adhärenz dieser besonders wichtigen Population zu entwickeln.

Individueller Plan

Grundsätzlich ist es sinnvoll, bereits vor Beginn einer ART, die Grundzüge der Pharmakotherapie mit Patienten (altersgerecht) und deren Familien zu besprechen und einen individualisierten Plan aufzustellen, der die jeweiligen Bedürfnisse und den Alltag des Patienten sowie das Umfeld berücksichtigt. Hinzuweisen ist auf mögliche UAWs der Substanzen, Interaktionen mit anderen Medikamenten, sowie auf spezielle Einnahmemodalitäten und Handlungsanweisungen für Krisensituationen (Erkrankung von Eltern oder Bezugspersonen, Reisen und Ähnliches). Maßnahmen zur Vereinfachung der Therapie wie Umstellung von einer oralen Lösung bzw. Sirup auf Tabletten oder Kapseln, idealerweise als Retard-Formulierungen für die einmal tägliche Gabe, Reduktion der Tablettenzahl und -größe sowie der Dosisintervalle bieten eine Chance, die Adhärenz zu verbessern. Studien bei Erwachsenen weisen darauf hin, dass auch der Einsatz von Fix-Dosis-Kombinationspräparaten zur Adhärenzförderung einen positiven Beitrag leisten kann, bei Jugendlichen ist die Datenlage diesbezüglich noch unzureichend. Besonders kritisch in Bezug auf die Adhärenz ist die Zeit nach der Transition mit einem erhöhten Risiko für Therapieabbrüche.

Transition in die Erwachsenenmedizin

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Das Durchschnittsalter von perinatal HIV-infizierten Kindern und Jugendlichen steigt aufgrund der Fortschritte im Bereich der ART und der geringen Zahl neuer Mutter-Kind-Übertragungen kontinuierlich an und die meisten Kinder und Jugendliche erreichen das Erwachsenenalter. Damit ist es erforderlich, frühzeitig eine Transition in die Erwachsenenbetreuung zu planen, um eine weitere Behandlung nach dem Verlassen der pädiatrischen Betreuungseinrichtungen zu gewährleisten.

Bei der Planung der Transition sind eine Reihe von Faktoren einzubeziehen wie die individuelle soziale und kognitive Entwicklung, die psychische Situation, Adhärenz, Sexualität, die sozioökonomische Situation und die Kommunikationsfähigkeiten der Patienten.

Jugendliche aufklären

Voraussetzung ist zunächst eine vollständige Aufklärung der/des Jugendlichen über die HIV-Infektion. Es erfolgt ein Übergang aus einem „Familien-basierten“ Konzept in ein eigenverantwortliches Konzept mit einem Wechsel von Ansprechpartnern und Örtlichkeiten. Die Transition ist ein multidisziplinärer Prozess, der vor allem auf die individuelle Situation und den Bedürfnissen der Jugendlichen beruht.

Generell gilt: Der Transitionsprozess soll entsprechend der Reife und Fähigkeiten des Jugendlichen graduell und multidisziplinär erfolgen. Die Transition soll im Vorfeld geplant und in enger Abstimmung mit den Behandlungsteams und der/dem Jugendlichen durchgeführt werden.

Ein Übergang in ein Behandlungszentrum mit Interesse an und Bereitschaft für eine geordnete Transition scheint sinnvoll, aber letztlich entscheiden die Jugendlichen, zu welchen Behandlern sie für die künftige Betreuung wechseln wollen. Bei vorliegendem Einverständnis des erwachsen werdenden Jugendlichen ist es sinnvoll, vor der Transition mit den weiterbehandelnden Kollegen Kontakt aufzunehmen.

Inhalt Arztbrief

Relevante Informationen, die schriftlich für weiterbetreuende Kollegen zusammengefasst werden sollen, beinhalten:

  • Infektionsmodus
  • Aktuelle klinische, immunologische und virologische Befunde
  • Koinfektionen
  • Begleiterkrankungen
  • Psychosoziale Situation
  • Aktuelle ART
  • Vortherapien und Gründe für Therapiewechsel
  • Relevante UAWs
  • HIV-Resistenzbefunde
  • HLA-B5701 Befund
  • Impfstatus

Eine erfolgreiche Transition setzt einen Austausch der Behandlungseinrichtungen voraus. Zusätzlich spielen Familienverhältnisse, die Kommunikation und Austausch mit ebenfalls infizierten Gleichaltrigen („peer support“) eine zentrale Rolle. Eine Unterstützung der Jugendlichen ist essentiell, um Problemen beim Übergang in die Erwachsenenmedizin vorzubeugen.

Die Versorgung in einer gemeinsamen Ambulanz scheint sinnvoll, benötigt aber auch die Kommunikation zwischen Pädiatern und Erwachsenenmedizinern. Ansonsten ist abhängig von der lokalen Versorgungssituation eine zukünftige Behandlung in einer Schwerpunktpraxis zu planen.

Weitere neue Themen

Weitere Aspekte, denen in den überarbeiteten Leitlinien eigene neue Kapitel gewidmet wurden, betreffen die Themen „Antiretrovirale Therapie bei Koinfektionen“, „Management von unerwünschten Arzneimittelwirkungen“, sowie die auf Kinder und Jugendliche angepassten Prophylaxen nach sexueller Exposition. Die vollständigen Leitlinien sind auf der DAIG Website einzusehen.


Literatur beim Verfasser

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