Interview mit Schwerpunkt-apotheker Dr. Frank J. Reißmann, Berlin
Neue Rahmenbedingung für Abgabe von Generika
Dr. Frank J. Reißmann
Berlin
Schwerpunkt-Apotheker
Seit dem 1. Juli gibt es einen neuen Rahmenvertrag für Apotheker. Von besonderer Bedeutung ist dabei der sogenannte Preisanker für Generika. Gehört ein namentlich verordnetes Generikum zu den vier billigsten Präparaten, setzt dieses den Preisanker, der nicht ohne Zustimmung des Arztes überschritten werden darf.
Als Arzt hat man im Alltag nicht so oft Kontakt mit dem Apotheker. In letzter Zeit aber häufen sich die Anrufe…
Dr. Reißmann: Das kann durchaus sein. Viele Apotheker haben sich sehr genau an den neuen Rahmenvertrag gehalten, der besagt, dass man die Zustimmung des Arztes braucht und diese auch dokumentieren muss, wenn man den Preisanker aufgrund von Lieferschwierigkeiten überschreitet.
Kommt das oft vor?
Dr. Reißmann: Im HIV-Bereich eigentlich nicht, denn die rabattierten Präparate sind in der Regel verfügbar. Sollte ich ausnahmsweise ein Präparat gerade nicht vorrätig haben, kann ich es trotzdem innerhalb von drei Stunden liefern.
Bei anderen Medikamenten gibt es schon mal Lieferengpässe. Wenn ich hier den Preisanker überschreiten muss, sollte ich den Arzt anrufen und das dokumentieren. Durch den schon gewohnten engen Kontakt mit den Schwerpunktpraxen fühlt sich hier niemand verärgert bei einer derartigen Rückfrage.
Bedeutet das einen Nachteil für den Arzt?
Dr. Reißmann:Nein, für den Arzt hat das keinen Nachteil. Es belastet weder sein Budget noch seine Generikaquote. Es ist einfach, salopp gesagt, eine neue bürokratische Fußnote.
Wie sind Lieferengpässe definiert? Wie häufig kommt das vor?
Dr.
Reißmann: Lieferengpass heißt,
das Präparat bzw. Arzneimittel ist auch im Großhandel nicht
verfügbar, weil die Firmen nicht genügend herstellen. Das kommt
sehr selten vor. Die Berichte in der Presse über viele
Lieferengpässe kann ich so nicht nachvollziehen. Im HIV-Bereich gab
es das in geringem Maß nach Einführung der PrEP. Da
dauerte die
Verblisterung schon mal eine Woche. Bei anderen Medikamenten kommen
Lieferengpässe insbesondere dann vor, wenn es Probleme mit den
Grundsubstanzen gibt wie bei Valsartan.
Wie sieht es bei den Impfstoffen aus?
Dr. Reißmann:Shingrix® ist hier ein Thema und das ist auch ein Problem, bei Patienten, bei denen die Folgeimpfung nicht verfügbar ist. Einzelne Apotheken, wie auch wir, haben rechtzeitig einen größeren Vorrat bestellt. Laut Angaben der Firma soll der Impfstoff jedoch ab Ende September 2019 wieder lieferbar sein. Auch bei Reiseimpfungen kennen wir Engpässe, man sollte daher rechtzeitig planen.
Wann rufen Sie denn den Arzt an?
Dr. Reißmann: (lacht) Natürlich kommunizieren wir mit den Ärzten und Ärztinnen, aber wir möchten auch niemand unnötig belästigen. Beim Interaktionscheck beispielsweise kennen wir viele unserer Patienten und wissen, dass manche Kombinationen trotz Interaktion genau so gewollt sind. Wenn aber F/TDF und Descovy® auf dem gleichen Rezept steht, vermute ich eher ein Versehen und rufe die Schwerpunktpraxis an. In diesem Fall war die Praxis übrigens für den Hinweis sehr dankbar.
Und wie halten Sie sich auf dem Laufenden?
Dr. Reißmann: Ich habe erfreulicherweise die Möglichkeit am ärztlichen HIV-Qualitätszirkel teilzunehmen. Das ist gut für die Fortbildung und gut für persönliche Kontakte, die die Zusammenarbeit erleichtern.