Interview mit Dem Lokalen Chair Prof. Dr. Christoph Spinner, München
Die Welt in München zu Gast
Die große WeltAidsKonferenz mit 15.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern kommt im Sommer 2024 nach München. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, die städtischen, nationalen und internationalen Gremien arbeiten gut zusammen, damit es in München für alle Beteiligten ein Sommermärchen wird.
Prof.
Dr. Christoph Spinner
München
E-Mail:
christoph.spinner@mri.tum.de
Die Entscheidung für München als Kongress-Stadt für den 25. WAC AIDS 2024 ist recht kurzfristig gefallen. Wie kam es dazu?
Spinner: Im März 2022 musste ein neuer Ausrichtungsort gefunden werden, weil der ursprünglich gewählte Austragungsort in Asien nicht mehr zur Verfügung stand. Die Internationale AIDS Gesellschaft (IAS) hat daher verschiedene Städte nochmals zur Bewerbung aufgefordert. Die Stadt München mit dem zugehörigen Kongressbüro und der Messe München hat sich entschlossen, ins Rennen zu gehen und Prof. Dr. Johannes Bogner (dem ich an dieser Stelle nochmals für die gute Zusammenarbeit danken möchte) und ich haben die Stadt bei der Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen unterstützt.
Wie muss man sich eine solche Bewerbung vorstellen und nach welchen Kriterien wird dann entschieden?
Spinner:Tatsächlich funktioniert es ähnlich wie bei einer Olympiade-Bewerbung. Es gibt einen formalen Prozess, der die Rahmenbedingungen beinhaltet, z.B. Informationen zu Kongressgebäude, Hotelbetten, finanzielle Förderung, Flughafen, internationale Reputation usw. Wichtig bei einem HIV-Kongress sind darüber zudem die Sicherheit für die LGBTQ-Community und politische Aspekte. Die Konferenz findet ja häufig in privilegierten Ländern statt, HIV ist aber vor allem in Afrika und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion ein großes Problem. Diesmal sollte der Blick insbesondere nach Osten gehen.
München als Nahtstelle zum Osten?
Spinner:Der Osten ist von München aus quasi um die Ecke und wir hoffen auf viele Teilnehmer aus den ehemaligen Ostblock-Staaten. Johannes Bogner und ich haben bereits in der Bewerbungsphase wichtige Protagonisten aus dem Osten mit eingebunden. So gibt es erstmals einen zweiten Co-Chair, nämlich den ukrainischen Aktivisten Andriy Klepikov und der Präsident der polnischen HIV Gesellschaft Dr. Milosz Parczewski wird eine Key note lecture halten.
Was sind Ihre Aufgaben als „Local Chair“?
Spinner: Ich bin sozusagen die Verbindung der IAS zu Deutschland und München. Das reicht von der Vermittlung von Kontakten zu Regierungsämtern, z.B. zum Auswärtigen Amt bei Visafragen, bis hin zur Ausgestaltung des Programms. Gemeinsam mit der Geschäftsstelle des IAS sowie Vertreterinnen und Vertretern aus der ganzen Welt im Organizing Committee bilden wir das Kongress-Komitee.
Wie wird die Stadt München und das Land Deutschland mitwirken?
Spinner: München ist großartig! Die Stadt hat sich bei der Bewerbung und auch jetzt bei der Umsetzung der Konferenz sehr engagiert. Die Stadt bietet finanzielle Unterstützung, sehr gute Räumlichkeiten. Wir arbeiten mit dem professionell aufgestellten Münchner Kongressbüro gut zusammen. Während der Tagung wird sich München zudem von seiner besten LGBTIQ-freundlichen Seite zeigen. Mehr kann ich heute noch nicht verraten.
Die WeltAidsKonferenz ist wie der Name schon sagt, eine Konferenz für die ganze Welt. Wie ist denn die aktuelle Lage bezüglich HIV und Aids aktuell?
Spinner: Deutschland ist mit über 90.000 mit HIV lebenden Menschen ein Niedrig-Prävalenzland. Zudem konnten die Neuinfektionszahlen in den letzten 20 Jahren mehr als halbiert werden. Dagegen infizieren sich in den osteuropäischen Staaten mehr Personen mit HIV als in den 80er Jahren. Der Kampf gegen HIV/Aids ist noch lange nicht vorbei, auch wenn es sich in Deutschland vielleicht so anfühlt. Die 25. WeltAidsKonferenz ist heute wichtiger denn je, denn viele Länder – und hier denke ich auch an einige afrikanische Länder – in denen gleichgeschlechtlicher Sex und Menschen mit HIV kriminalisiert und diskriminiert werden, brauchen unsere Unterstützung. Gewinnen werden wir den Kampf gegen HIV nur gemeinsam.
Das Motto der Konferenz ist „Put people first!“ Was heißt das?
Spinner: Ausgangspunkt unserer Überlegungen bei der Suche nach einem Motto war die Frage: Für wen ist HIV heute ein Problem? Unsere Antwort lautet: Vor allem für die Menschen, die betroffen sind. Trotz aller medizinischer Fortschritte ist HIV nicht heilbar, sondern eine Infektion, mit der man leben muss. Wir werden auf der Konferenz daher gemäß dem Motto neben politischen und ökonomischen Aspekten, insbesondere die sozialpsychologische Seite der HIV-Infektion beleuchten. Wir wollen, dass Menschen mit HIV ihr Leben so weit wie möglich normal gestalten können.
Angesichts der Diskussion um Klima und Ressourcen, wie sehen Sie die Zukunft solch großer weltweiter Treffen mit über 10.000 Teilnehmern?
Spinner: AIDS 2024 ist in dieser Hinsicht vorbildlich. Es ist eine hybride Konferenz, keiner muss reisen, um teilzunehmen. Allerdings weiß jeder aus eigener Erfahrung, dass auf einem wissenschaftlichen Kongress, die Präsentation neuer Daten nur einen kleinen Teil des „Kongress-Gewinns“ ausmachen. Ein wesentlicher Teil ist der persönliche Austausch. Wie werden die Daten bewertet? Was ist geplant? Wer arbeitet an was? Wichtige Vereinbarungen werden in der Regel nicht virtuell getroffen, sondern im persönlichen Gespräch. Ich selbst habe vor 10 Jahren erstmals an einem HIV-Kongress teilgenommen. Wer weiß, ob ich ohne diese Motivation diese Richtung weiter verfolgt hätte…
Vielen Dank für das Gespräch
Weitere Informationen auf der Webseite aids2024.org