Interview mit Prof. Maria Vehreschild, Frankfurt
Infektiologie – Facharzt nimmt Fahrt auf
Prof. Maria Vehreschild
Vorstand Deutsche Gesellschaft für
Infektiologie Frankfurt
E-Mail:
vehreschild@
med.uni-frankfurt.de
In 2023 wurde Prof. Maria Vehreschild, Frankfurt, zur Vorsitzenden der DGI gewählt. In ihrer Amtszeit soll sich der neue Facharzt für Infektiologie breit etablieren, die Infektiologie zum selbstständigen Fachbereich in Klinik und Praxis entwickeln und die Vergütung von infektiologischen Leistungen verbessert werden.
Frau Vehreschild, Sie wurden letztes Jahr als Nachfolgerin von Bernd Salzberger zur neuen Vorsitzenden der DGI gewählt. Was bedeutet das für Sie persönlich?
Vehreschild: Ich empfinde es als große Ehre, die Fachgesellschaft in dieser Position vertreten zu dürfen, und ich freue mich, dass mit mir zum ersten Mal eine Frau diese wichtige Aufgabe übernimmt. Damit geht natürlich auch viel Verantwortung und Arbeit einher.
Seit letztem Jahr gibt es den Facharzt/Fachärztin für Infektiologie. Wie hoch ist die Nachfrage?
Vehreschild: Die Nachfrage ist hoch und die Implementierung läuft, ist aber noch nicht in allen Bundesländern abgeschlossen.
Was hat sich in den Kliniken getan?
Vehreschild: Das Berufsbild Infektiologie ist deutlich attraktiver geworden. Ich persönlich sehe das an den Bewerbungen um eine Stelle. Es bewerben sich mehr – sagen wir mal – kompetitiv orientierte – junge Ärztinnen und Ärzte, die früher ein anderes Fach gewählt hätten.
Ein weiterer Aspekt ist die Etablierung von infektiologischen Strukturen und Interaktionen mit anderen Abteilungen innerhalb und außerhalb der Infektionsmedizin. Einrichtungen wie Infektionsboards und ABS Teams sind aus der heutigen Medizin nicht mehr wegzudenken.
Meta Alexander – Infektiologin und Gründungsmitglied der DGI
Meta Alexander wurde am 14. Juli 1924 in Berlin geboren. In ihrer Heimatstadt studierte sie Medizin, wo sie 1951 auch promovierte. Nach Assistenzen in der Chirurgie und in der Augenheilkunde wurde sie an der Medizinischen Klinik der FU 1952 wissenschaftliche Mitarbeiterin von Professor Hans Freiherr von Kreß. Als Oberärztin betreute die Internistin von 1960 vier Stationen am neu errichteten Infektionshaus der Klinik.
Nach
der Habilitation übernahm sie 1963 eine Lehrtätigkeit an der FU und
wurde 1971 zur C3-
Professorin ernannt. 1975 wurde ihr die
Leitung der Abteilung für Innere Medizin mit Schwerpunkt
Infektionskrankheiten des Rudolf-Virchow-Klinikums übertragen.
In den 70er-Jahren war sie Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI). Nach ihrem Tod (13. Mai 1999 in Berlin) wurde aus ihrem Erbe die Meta-Alexander-Stiftung gegründet.
Der aus Mitteln der Stiftung getragene Meta-Alexander- Preis richtet sich an den forschenden Nachwuchs auf dem Fachgebiet der Infektiologie. Der Preis wird alle zwei Jahre von der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie verliehen.
Die Vergütung der Infektiologie ist ein wichtiges Thema. Wie ist hier der Stand?
Vehreschild: Das Krankenhausentgeldgesetz unterstützt uns, ist aber zeitlich befristet und keine nachhaltige Verbesserung der Vergütung. Wir brauchen eine stabile finanzielle Grundlage für unsere Arbeit. Es kann nicht sein, dass Infektiologie für die Klinik – salopp gesagt – ein Minusgeschäft ist. Im Rahmen der geplanten Krankenhausreform setzt sich die DGI als wichtiger Gesprächspartner für eine faire und kostendeckende Vergütung infektiologischer Leistungen ein.
Wo sehen Sie die Infektiologie im ambulanten Bereich?
Vehreschild: Auch im niedergelassenen Bereich ist die Infektiologie ein interdisziplinäres Fach. Infektionen werden in allen Fachdisziplinen behandelt, von Hausärzten, Gynäkologen, Dermatologen usw. Doch nur für wenige dieser Kolleginnen und Kollegen ist die Infektiologie das Hauptthema. Einen infektiologischen Schwerpunkt haben allerdings die HIV-Schwerpunktpraxen. Viele der dort tätigen Kolleginnen und Kollegen erfüllen die Voraussetzungen für den Facharzt für Infektiologie, haben ihn erworben oder beantragt. Möglicherweise wird hier gerade der Grundstein für die infektiologische Schwerpunktpraxis gelegt.
Welche Aufgaben sehen Sie für solche infektiologische Schwerpunktpraxen?
Vehreschild: Als erstes denke ich dabei – als in der Klinik tätige Infektiologin – an die Versorgung von aus der Klinik entlassenen Patientinnen und Patienten. Ein Paradebeispiel ist hier APAT, die ambulante parenterale Antiinfektiva-Therapie. Weitere Aufgabengebiete sind die Behandlung chronischer Infektionen, Paradebeispiel hier die Hepatitis B, sowie die Abklärung und gegebenenfalls Behandlung aller infektiologischer Krankheitsbilder.
Die klinische Infektiologie ist ein interdisziplinäres Fach. Mit welchen Gebieten sehen Sie besondere Berührungspunkte?
Vehreschild: Wir haben sehr viele Berührungspunkte und sind offen für alle Fachrichtungen, für die Tropenmedizin, die Veterinärmedizin, das öffentliche Gesundheitswesen … Als DGI möchten wir aber nicht übergriffig auftreten, jede dieser Organisationen hat natürlich ihre eigene Berechtigung. Wir bieten uns daher als Ansprechpartner an, bringen im Rahmen eines Diskurses gerne unsere Meinung ein und arbeiten mit allen zusammen.
Wie steht es um die infektiologische Forschung? Die Corona-Pandemie, die der Infektiologie viel Aufmerksamkeit und finanzielle Mittel beschert hat, ist ja mittlerweile nicht mehr so relevant.
Vehreschild:
Die Infektiologie erfährt auch weiterhin, insbesondere über das
Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Deutschen
Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) sowie des Netwerks
Universitätsmedizin (NUM) sowie über andere Fördereinrichtungen,
z.B. die DFG, die EU und verschiedene Stiftungen eine solide
Unterstützung. Wichtig wäre hier jedoch ein stärkerer Fokus auf
die Förderung von klinischen
Studien, die mit hohem Aufwand
und Kosten verbunden sind.
Was sind Ihre Ziele und Wünsche für Ihre Amtszeit?
Vehreschild: Ein zentrales Ziel ist es, möglichst viele Personen zur Infektiologin, zum Infektiologen weiterzubilden. Um die infektiologische Versorgung sicherzustellen, werden noch viele Fachärztinnen und Fachärzte benötigt. Natürlich ist hier eine gewisse Zeit notwendig, bis der Bedarf gedeckt werden kann.
Für mich ist auch der Klimawandel ein wichtiges Thema. Durch die zunehmende Erwärmung sind Infektionskrankheiten auf dem Vormarsch, die wir hier nicht oder nur sehr selten gesehen haben. Als ein Beispiel für viele sei hier nur das West-Nil-Fieber genannt. Darauf müssen wir uns vorbereiten.
Was bringt die nächste Zukunft? Gibt es schon Pläne für den nächsten KIT?
Vehreschild: Der nächste KIT wird 2026 in Köln stattfinden. Durch die Pandemie ist der Rhythmus durcheinandergeraten und wir wollen wieder zurück zum alten Turnus. Aber es wird auch 2025 eine Infektiologie-Tagung geben. Vom 13. bis 14. Februar 2025 wird in München die gemeinsame DGI-DZIF-Jahrestagung stattfinden. Hier soll diesmal auch ein sehr starkes Programm für Klinikerinnen und Kliniker auf den Weg gebracht werden. Und als wichtiges Highlight in 2024 möchte ich noch den Meta-Alexander-Preis erwähnen. Der Preis ist mit 5.000,- Euro dotiert und wird 2024 erneut vergeben. Weitere Informationen finden sich auf der Website der DGI (www.dgi-net.de).
Gemeinsame Tagung DGI und DZIF
Am 13. und 14. Februar 2025 findet die gemeinsame Jahrestagung von DGI und DZIF in München statt. Neben Wissenschaft wird auch klinisch orientierte Fortbildung geboten.