Charlotte Meyer-Schwickerath, Charlotte Leisse und Norma Jung, Köln
Infektiologische Fälle sind komplex
Patienten, die eine infektiologische Konsultation erhalten, sind schwer krank und weisen eine hohe Komplexizität auf. Aktuelle Daten aus Krankenhäusern der tertiären Versorgung in Deutschland.
Die Zahl der multimorbiden Patienten im höheren Lebensalter in deutschen Krankenhäusern nimmt zu, ebenso die Anzahl komplexer Krankheitsbilder. Die Komplexität eines Falls ist dabei jedoch nicht eindeutig nur über das Alter und die Multimorbidität definiert, sondern kann je nach Vorgehen persönliche, soziale und klinische Faktoren mit einbeziehen. Zur Vereinfachung und Abrechenbarkeit gibt es Parameter im Krankenhaus-Controlling, die die Komplexizität von Patienten abbilden sollen wie der Patient Clinical Complexity Level (PCCL, patientenbezogener Gesamtschweregrad) oder der Case-Mix-Index (CMI, Fallschwere-Index).
Systematische Erfassung
Es gibt Daten, dass Patienten, die von Fachärzten für Infektiologie behandelt werden, komplexer sind, als Patienten anderer Fachrichtungen.1 Studien zur genauen Erfassung der Komplexität von Patienten, die von einem infektiologischen Konsilservice mitbetreut werden, liegen bislang allerdings nicht vor. Daher wurde eine Studie initiiert, um diese Lücke zu schließen und anhand der Controlling-Indizes die Komplexität der Patienten mit infektiologischem Konsil am Krankenbett systematisch zu erfassen, sowohl im Verlauf der Jahre als auch im Vergleich zu Patienten ohne konsiliarische Beratung unter Berücksichtigung der häufigsten Infektionen.
Methodik
Hierzu wurden retrospektiv Daten von Patienten, die in den Jahren 2015 und 2019 in vier verschiedenen deutschen Universitätskliniken behandelt wurden, erhoben. Erfasst wurden dabei unter anderem die Anzahl an Nebendiagnosen, der Patient Clinical Complexity Level (PCCL), der Case-Mix-Index (CMI) und die stationäre Aufenthaltsdauer (LOS, length of stay) als Faktoren der Komplexität. Für häufige Infektionen (Pneumonien, urogenitale Infektionen, Infektionen von Weichgewebe, Knochen und Gelenken sowie neurologische Infektionen) wurden Subgruppenanalysen durchgeführt.
Ergebnisse
Abb. 1 Anteil der Entlassarten für stationäre Patienten mit (Konsil) oder ohne infektiologisches Konsil (Kontrolle)
Insgesamt wurden Daten von 215.915 Patienten in die Studie eingeschlossen. 3% (n = 6.311) erhielten ein infektiologisches Konsil während ihres stationären Aufenthalts. Bei Patienten mit infektiologischem Konsil lag, verglichen mit der Kontrollgruppe ohne Konsil, eine höhere Anzahl von Nebendiagnosen (Median 14 vs. 5), ein höherer PCCL (Median 4 vs. 0) und CMI (Median 3,8 vs. 1,1) sowie eine größere Abweichung von der erwarteten mittleren stationären Verweildauer (Median 7 Tage vs. 0 Tage) vor. Alle gefundenen Unterschiede waren hoch signifikant (p < 0,001).
Patienten mit Konsil wiesen darüber hinaus eine höhere Krankenhaussterblichkeit (13% vs. 2%) auf und wurden häufiger in andere Kliniken (16% vs. 4%) und Rehabilitationseinrichtungen (7% vs. 2%) verlegt, während Patienten ohne Konsil häufiger nach Hause entlassen werden konnten (Abb. 1).
Es wurden keine Unterschiede zwischen den Krankenhäusern oder den genannten unterschiedlichen Jahren der Datenerhebung beobachtet. Beim Vergleich von Patienten mit verschiedenen Infektionen, die mit oder ohne infektiologisches Konsil behandelt wurden, wurden die oben genannten Unterschiede auch in den einzelnen Gruppen bestätigt.
Fazit
Patienten,
die ein infektiologisches Konsil erhalten, weisen eine höhere
Komplexität und schlechteres Outcome auf, was die Notwendigkeit
einer spezialisierten Versorgung zur effektiven Bewältigung solcher
Fälle betont. Limitationen der Studie liegen im retrospektiven
Design und dem Fehlen von Daten zu individuellen Behandlungskosten
und -ergebnissen. Es gibt jedoch bereits Studien, in denen gezeigt
werden konnte, dass die Beteiligung von Infektiologen bei bestimmten
Infektionskrankheiten wie z.B. Staphylococcus
aureus und
Candida-Blutstrominfektionen sowie
Endokarditis die
Patientenergebnisse verbessert. Die genannten Ergebnisse
unterstreichen die entscheidende Rolle von Fachärzten für
Infektiologie in der Bewältigung komplexer Fälle. Diese sollten zur
Behandlung dieser komplexen Fälle breit ausgebildet werden.
Weiterhin schlägt sich die Komplexität dieser Patienten, die durch
den infektiologischen Konsilservice mitbetreut werden, aktuell nicht
in einer entsprechenden Vergütung von Konsilen nieder. Hier wäre
eine entsprechende Anpassung wünschenswert.
Eine weitere prospektive Studie, die unter anderem diese Fragen beantworten soll, wurde von der Clinical Study Group in Infectious Diseases (DESTINi) initiiert und rekrutiert derzeit Patienten (DRKS00027299).
Originalpublikation – Meyer-Schwickerath, C., Weber, C., Hornuss, D. et al. Complexity of patients with or without infectious disease consultation in tertiary-care hospitals in Germany. Infection (2024). https://doi.org/10.1007/s15010-023-02166-w
Literatur
1 Tonelli et al., 2018 DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2018.4852