Kasuistik
NKTL als Erstmanifestation einer HIV-Infektion
Ein 53-jähriger Mann ohne relevante Vorerkrankungen stellte sich mit erschwerter Nasenatmung sowie eitrigem Nasensekret hausärztlich vor. Er beklagte zudem Kopfschmerzen und einen Klopfschmerz über den Nasennebenhöhlen. Die Beschwerden bestünden seit über drei Monate, sodass der Patient mit der Verdachtsdiagnose einer chronischen Sinusitis in eine HNO-Klinik überwiesen wurde. Hier wurde die Indikation zur chirurgischen Sanierung gestellt, mit dem Ziel der Resektion der entzündeten Schleimhaut sowie der Erweiterung der Ostien der Sinus maxillaris.
Zu einer Beschwerdebesserung nach stattgehabter OP kam es jedoch leider nicht, stattdessen stellte sich der Patient wenige Monate nach der Operation erneut bei seiner Hausärztin vor. Zusätzlich zu den genannten Beschwerden gab der Patient eine starke Odynophagie sowie einen Gewichtsverlust von 13 kg in zwei Monaten an. Es zeigten sich oral ausgeprägte Ulzerationen der Gaumen Schleimhaut (Abb. 1).
Diagnose HIV
Abb. 1 Oraler Schleimhautbefund: Florides Ulcus des weichen Gaumens, ca. 2x2 cm, auf gerötetem Grund
Zur weiterführenden Abklärung der Beschwerden wurde der Patient stationär eingewiesen. Bildgebende Diagnostik von Abdomen und Thorax blieb ohne wegweisenden Befund. Eine Gastroskopie hingegen zeigte eine ausgeprägte Soorösophagitis. Eine Immundefizienz war bisher nicht bekannt, ein HIV-Test fiel jedoch positiv aus. Die initiale CD4+ T Helferzellzahl war mit lediglich 10/µl stark erniedrigt, die HIV-Viruslast betrug 47.000 cp/ml. Es wurde eine antiretrovirale Therapie mit Tenofoviralafenamid, Emtricitabin und Bictegravir (Biktarvy®) begonnen. Die Soorösophagitis wurde mittels Fluconazol therapiert.
Bakterielle Infektion?
Hinsichtlich der vorherrschenden Beschwerdesymptomatik des Patienten wurde die Diagnose einer bakteriellen Superinfektion einer chronischen Sinusitis gestellt und eine antibiotische Therapie mit Piperacillin/Tazobactam eingeleitet. Jedoch kam es auch unter diesen Maßnahmen nicht zur erhofften Symptombesserung. Stattdessen hatte der Patient nun täglich Fieberschübe bis 39°C. Ein Infektfokus jenseits der Nasennebenhöhlen konnte nicht identifiziert werden. Darüber hinaus gelang zu keinem Zeitpunkt der Nachweis eines potenziellen Erregers, weder aus Blutkulturen noch aus lokalen Abstrichen.
Biopsie indiziert
Abb. 2 DCT der Nasennebenhöhlen ohne Kontrastmittel: In der axialen Rekonstruktion (A) zeigt sich eine vollständige Verlegung des linken Sinus maxillaris (Pfeil). In der koronaren Rekonstruktion lässt sich eine umschriebene Weichteilläsion mit erhöhten Dichtewerten (B, Pfeil) abgrenzen. Zudem zeigt sich in Ausspielung des Knochenfensters (C) eine ossäre Destruktion der medialen Wand des Sinus maxillaris
Eine native CT-Untersuchung des Schädels zeigte trotz stattgehabter Resektion eine nahezu komplette Verlegung des Sinus maxillaris linksseitig mit bereits beginnender ossärer Destruktion der medialen Kieferhöhlenwand (Abb. 2). Die Diagnose einer bakteriellen Superinfektion bei chronischer Sinusitis schien ohne jede Besserungstendenz nach operativer Sanierung und breiter antibiotischer Therapie zunehmend unwahrscheinlich. Es wurde die Indikation zur Biopsieentnahme aus den Nasennebenhöhlen sowie aus den Ulzerationen am weichen Gaumen gestellt.
Histopathologische Untersuchungen des entnommenen Materials erbrachten die Diagnose eines EBV-assoziierten extranodalen NK-/T-Zell-Lymphoms vom nasalen Typ (ENKTL).
Klinischer Verlauf
Zur Ausbreitungsdiagnostik wurde ein PET-CT sowie eine Knochenmarkpunktion ergänzt. Das PET-CT zeigte eine Malignom-typische Stoffwechselsteigerung in beiden Nasengängen, dem Nasopharynx sowie dem weichen Gaumen. Die klinisch sichtbaren Ulzerationen am Gaumen des Patienten sind somit ebenfalls Manifestationen des Lymphoms (Abb. 2). Erfreulicherweise bestanden keine Lymphknoten- oder anderweitige Manifestationen. Die Knochenmarkpunktion ergab ebenfalls keinen Hinweis auf eine Infiltration durch das Lymphom. Somit handelt es sich um ein Stadium IIE nach Ann Arbor.
Der Fall des Patienten wurde in einem interdisziplinären Tumor-Board besprochen und man verständigte sich auf eine kombinierte Strahlen- und Systemtherapie nach dem P-GEMOX-Schema (PEG-Asparaginase, Gemcitabin, Oxaliplatin). Die Therapie wurde nach dem sogenannten Sandwich Verfahren durchgeführt, d.h. nach Erstgabe der Chemotherapie folgte die Bestrahlung des Lymphoms gefolgt von einem erneuten Zyklus Chemotherapie. Die Therapie wurde von dem Patienten gut vertragen. Eine erneute PET-CT 10 Wochen nach Therapiestart zeigte die Weichgewebsvermehrung im Nasopharynx bereits rückläufig und der klinische Zustand des Patienten verbesserte sich allmählich.