Neue Checkpoints
Sektorenübergreifende HIV/STI-Prävention
© Usadel
Bereits vor 10 Jahren war die Idee eines Checkpoints zur HIV/STI-Prävention Teil der dagnä-Vorstandsarbeit. Erst mit der medikamentösen Prophylaxe einer HIV-Infektion (PrEP) konnten die Akteure an einen Tisch geholt werden. Zunächst ging es darum, die Präventionsmethode und die notwendigen medizinischen Leistungen zugänglich zu machen und dabei gleichzeitig die Kräfte in der Prävention von sexuell übertragbaren Erkrankungen zu bündeln. „Es gibt in Berlin schon lange Test- und Beratungsstellen und auch viele HIV-Schwerpunktärzt*innen, doch wir haben gesehen, dass die Menschen entweder nur zum anonymen Test gehen und nicht zum Arzt oder nur zum Arzt und nicht in die Beratung“, erklärt Dr. Axel Baumgarten, der gemeinsam mit Susanne Usadel, Ulrike Hoffmeister (Geschäftsführung AIDS-Hilfe Freiburg) und Robin Rüsenberg (Geschäftsführung der dagnä) das Konzept der integrierten HIV/STI-Versorgung entworfen hat. Vorbild der neuartigen Checkpoints war die „Dean Street Ambulanz“ in London, wo Beratung, Diagnostik und Therapie von HIV und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen unter einem Dach niedrigschwellig angeboten wird. Im Unterschied zum englischen Projekt sollen die deutschen Checkpoints allerdings keine „Dauerversorgung“ anbieten, sondern als Ergänzung und Verteiler fungieren.
Start in Freiburg
Als sich die Bundesregierung im April 2016 (kurz nach der Zulassung der PrEP) die Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen auf die Fahne schrieb, standen die Zeichen günstig. Die Strategie sah vor, relevante Akteure inklusive Vertreter der Länder, der Verbände und Institutionen sowie die Selbsthilfe einzubeziehen. Als erstes Zentrum ging der Freiburger Checkpoint im März 2017 an den Start. Zweimal in der Woche bietet die Freiburger Aidshilfe Test und Beratung und bei Bedarf können Patienten eine Tür weiter in einer Zweigpraxis der KV Baden-Württemberg im Rahmen einer Kassenleistung weiter betreut werden. „Mittlerweile konnten wir auch die Politik vom Sinn unseres Modells überzeugen und das Projekt wird vom Sozialministerium gefördert“, freut sich Usadel.
Abb. 1 Checkpoint Freiburg
Fast Track City
In
Berlin war es soweit, als die Stadt sich der WHO-Initiative „Fast
Track Cities“ anschloss. „Wir wollen, können und werden AIDS bis
zum Jahr 2030 beenden“, erklärte Gesundheitssenatorin Dilek Kolat
(SPD) in einer Pressemitteilung. Der Berliner Senat stellte ein
Budget von über 2 Millionen Euro für 2018/19 zur Verfügung und
schrieb das Projekt aus. Das Konzept der Berliner Schwulenberatung
bekam den Zuschlag für die Trägerschaft, die Berliner Aids-Hilfe
fungiert als Kooperationspartner. Die begleitende wissenschaftliche
Evaluation wird im Auftrag vom Bundesministerium für
Gesundheit
vom Delphi-Institut durchgeführt, wobei auch die Metropole Berlin
und der ländliche Raum Freiburg miteinander verglichen werden.
Checkpoint Frankfurt
Mitte August ging der Checkpoint in Frankfurt am Main an den Start. Das gemeinsame Projekt wird vom Gesundheitsdezernat der Stadt unter ärztlicher Projektleitung von Stephan Klauke mit Unterstützung der DAGNÄ e.V. in den Räumen des städtischen Gesundheitsamtes regelmäßig zweimal wöchentlich betrieben. Eingebunden sind des Weiteren lokale HIV-Schwerpunktpraxen sowie die AIDS-Hilfe Frankfurt.
Im Fokus steht die sexuelle Gesundheit der Bewohner der Stadt und so richtet sich das von städtischer Seite geförderte Pilotprojekt an alle Menschen, die aufgrund eines sexuellen Risikos zeitnah und unkompliziert Expertenrat, umgehende Diagnostik und ggf. unmittelbare Therapie vor Ort benötigen. Die ärztliche Beratung in der ohne Terminvereinbarung angebotenen Sprechstunde umfasst, so Projektleiter Stephan Klauke, auch Prävention sexuell übertragener Erkrankungen inklusive Beratung zur HIV-PrEP, deren Einleitung nach entsprechender Diagnostik durch den Checkpoint erfolgen kann und dann ggf. durch niedergelassene Vertragsärzte fortgeführt wird. Der Anteil der an einer HIV-PrEP Interessierten liegt bisher deutlich unter 50% betont Klauke. Um niedrigschwellig auch nicht krankenversicherte Bewohner der Stadt, die ein hohes HIV-Infektionsrisiko haben, zu erreichen, wird die Behandlung für die Betreffenden kostenfrei über das Gesundheitsamt Frankfurt ermöglicht. Bedarfsweise kann durch die Anwesenheit von Mitarbeitern der AIDS-Hilfe Frankfurt und des städtischen Gesundheitsamtes vor Ort psychosoziale Hilfe ermöglicht werden, so dass das Ziel und sicher auch die Besonderheit des Frankfurter Projektes die zeitnahe und vor Ort stattfindende allumfassende Betreuung inklusive Diagnostik, Therapie und Präventionsberatung bei sexuellem Risiko gewährleistet wird.
Abb. 2 Checkpoint Berlin
© Weber
Abb. 3 Sektorenübergreifende Versorgung
© Baumgarten
Engagement gefragt
Alle drei Checkpoints arbeiten bereits erfolgreich und es könnten durchaus noch andere Checkpoints folgen. „Das Grundgerüst ist ausgereift, es braucht nur noch auf regionale Bedürfnisse angepasst werden“, meint Baumgarten, der besonderen Wert auf die duale Finanzierung durch die öffentliche Hand und Krankenkasse legt.
Für die Umsetzung im Alltag braucht man dann allerdings engagierte Ärzt*innen, denn der finanzielle Anreiz hält sich in Grenzen. Niedergelassene Ärzt*innen sind im Checkpoint im Rahmen einer von der KV genehmigten Zweigpraxis tätig und arbeiten meist abends. „Alle sind eingeladen und ich würde mich freuen, wenn ich noch einige Kolleg*innen aus den Schwerpunktpraxen für unser Projekt begeistern könnte“, sagt Klauke, der bisher als einziger im Frankfurter Checkpoint Sprechstunde macht. Besonders schwierig ist es im ländlichen Raum, doch Susanne Usadel ist es gelungen, zwei Allgemeinmediziner im Rahmen der PrEP-Weiterbildung für das Projekt zu gewinnen. In Berlin mit der höchsten Dichte an Schwerpunktärzt*innen machen bislang 24 Ärzte aus 15 Praxen Sprechstunde. Dort bekommt man neben dem Kassenhonorar noch ein Stundenhonorar wie in einer kassenärztlichen Notfallpraxis minus einer Verwaltungspauschale. Dafür verpflichtet man sich, Nicht-Versicherte zu behandeln und die Dokumentation für die wissenschaftliche Auswertung zu machen. Der Dienstplan wird vom ärztlichen Leiter Christoph Weber in die Runde gemailt und man trägt sich freiwillig ein.