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Ausgabe 2 - Juni 2007
Editorial
JEDER ZWEITE HIV-INFIZIERTE HERZKRANK
Das ist der Titel eines Artikels in der Ärztezeitung. Darin wird den Kardiologen prophezeit, dass
eine Welle von HIV-Patienten auf sie zurollt, denn laut einer Studie des Kompetenznetzes HIV/Aids hat
jeder zweite HIV-Infizierte Zeichen einer kardialen Dysfunktion.
KONGRESS
8th Clinical Pharmacology Workshop:
Neue Trends in der Pharmakologie
Im Mittelpunkt dieses internationalen Workshops von Pharmakologen und TDM-Experten standen in diesem
Jahr die Transportermoleküle und genetischen Polymorphismen. Hier zeichnen sich viele Neuerungen ab.
Die meisten sind jedoch noch weit von der Praxis entfernt. Aber es gab auch zu bekannten Substanzen und
Regimen viele neue Informationen.
18th Harm Reduction Conference:
Schadensminderung
Herausragende Themen der Harm Reduction Conference waren der Anstieg des Heroinkonsums in Osteuropa
und Zentralasien sowie in der islamischen Welt, die Prävention von HIV und HCV, die Implementierung
von schadensmindernden Projekten im Osten, die medizinische Versorgung in Gefängnissen und der Kampf
um Menschenrechte für Drogenkonsumenten.
42nd EASL:
Neue Therapieoptionen
Die Tagung der European Association for the Study of the Liver, kurz EASL genannt, erfreut sich
stetiger Beliebtheit. Auch in diesem Jahr waren wieder über 5.000 Teilnehmer angereist, um 128 Vorträge
zu hören sowie 666 Poster zu sehen. Im Mittelpunkt standen bei der Hepatitis C die neuen Substanzen
und die Resistenz. Bei Hepatitis B gab es Updates zu den bekannten großen Studien. Die Fragen nach
der optimalen Kombination und Sequenzierung der antiviralen Medikamente wurden bei beiden Arten der
viralen Hepatitis intensiv diskutiert.
AKTUELL
Raucherentwöhnung
Jeder zweite HIV-Patient raucht. Angesichts des erhöhten kardiovaskulären Risikos dieser
Patienten ist Raucherentwöhnung somit ein wichtiges Thema. Medikamente können die Chancen auf
eine erfolgreiche Entwöhnung erhöhen. Mit Vareniclin (Champix®), das seit März zur Verfügung
steht, wurden in Verbindung mit einem Verhaltensprogramm die bislang höchsten kurz- und langfristigen
Abstinenzraten erreicht.
EAP für Maraviroc und Raltegravir
Die ersten Vertreter von zwei neuen Substanzklassen stehen in Deutschland im Expanded Access Program
(EAP) zur Verfügung. Am EAP von Maraviroc können alle Praxen teilnehmen, die auch an den
Phase-3-Studien beteiligt waren. Für Raltegravir gibt es keine solche Einschränkung. Alle
interessierten Zentren können sich unter www.benchmrk.com anmelden. Einschlusskriterien für
beide EAPs sind dokumentierte Resistenzen in den drei Hauptklassen der antiretroviralen Therapie und eine
nicht adäquate Suppression der viralen Replikation. Bei Maraviroc muss zudem ein CCR5- tropes Virus
vorliegen.
INTERVIEW MIT DR. TILL NEUMANN:
Jeder zweite HIV-Patient ist herzkrank
So lautete die Überschrift eines Artikels in der Ärztezeitung vom 19. April 2007. In dem
Bericht hieß es, Kardiologen hätten künftig zunehmend mit HIV-Patienten zu tun, denn die Häufigkeit
HIV-assoziierter Herzkrankheiten werden steigen. Hintergrund des Beitrags war die Präsentation der
HIV-HEART-Studie auf dem Kardiologen-Kongress in Mannheim. HIV&more sprach mit dem Referenten Dr. Till
Neumann vom Westdeutschen Herzzentrum.
FORTBILDUNG
Prof. Dr. I. W. Husstedt:
Enzephalopathie und HAART
Die HIV-assoziierte Enzephalopathie (HIVE) hat viele Facetten. In der HAART-Ära sind
insbesondere leichte Verlaufsformen häufig, die auch bei gutem Immunstatus auftreten und oft nicht
einfach zu diagnostizieren sind. Eine sorgfältige Differenzialdiagnostik inklusive Liquorpunktion ist
daher obligat. Therapie der Wahl ist ein Regime mit ZNS-gängigen Substanzen.
Dr. Martin Stürmer:
Genotypisches Resistenzprofil
Für die kürzlich zugelassenen Proteasehemmer Tipranavir (Aptivus®, Boehringer) und
Darunavir (Prezista®, Tibotec) sind Algorithmen beschrieben worden, mit deren Hilfe es dem Virologen möglich
ist, anhand der Mutationen eine Vorhersage hinsichtlich des virologischen Ansprechens zu treffen. Für
beide Substanzen gibt es Kreuzresistenzen, die in der Regel nur moderat sind; ebenso scheint eine
Vortherapie mit anderen Proteasehemmern - sofern nicht eine komplette Resistenz vorliegt -
ebenfalls keinen oder nur einen moderaten Einfluss auf das virologische Ansprechen von Darunavir und
Tipranavir zu haben. Die Kombinationsmöglichkeiten von Darunavir und Tipranavir mit anderen
Proteasehemmern sind aufgrund virologischer und pharmakologischer Daten eher eingeschränkt.
Dr. Cornelia Feiterna-Sperling:
HAART in der Schwangerschaft
Das Ziel der HAART in der Schwangerschaft ist einerseits eine möglichst effektive Reduktion der
Mutter-Kind-Transmission von HIV und andererseits eine optimale Therapie der mütterlichen
HIV-Infektion. Hier gilt es vor allem, Resistenzentwicklungen zu vermeiden und gleichzeitig die
Nebenwirkungen auf die Schwangere und ihr Kind zu minimieren.
Dr. Rolf Kaiser:
HBV-Resistenztest
In den neuen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der chronischen Hepatitis B spielen virologische
Aspekte eine wichtige Rolle. Für Auswahl und Monitoring einer Therapie sind die Bestimmung der
HBV-Viruslast, des HBV-Genotyps und die Analyse von Resistenzen gegenüber den verschiedenen
Polymerase-Inhibitoren sinnvoll. Dazu stehen molekularbiologische Analysen sowie frei verfügbare
Interpretationssysteme für die Vorhersage von HBV-Genotyp, Vaccine-Escape-Mutanten und Resistenzen
gegenüber Nukleos(t)id Analoga zur Verfügung.
MITTEILUNGEN
Kompetenznetz Hepatitis
Dr. Frank Tacke und Prof. Christian Trautwein, Aachen
Hepatitis B Impfung: Unzureichender Schutz vor Infektion mit seltenen Genotypen
Gemäß der WHO-Empfehlung werden Kinder, Jugendliche und Personen mit Risikokontakten in
Deutschland gegen das Hepatitis B Virus (HBV) geimpft. Wir berichten über einen immunkompetenten
erwachsenen Patienten, der trotz Impfung eine akute HBV-Infektion erworben hat. Möglicherweise
vermitteln die aktuell verfügbaren Impfstoffe keinen vollständigen Schutz vor Infektionen mit
seltenen HBV-Genotypen.
Robert Koch-Institut
Lymphogranuloma venereum Häufigkeit nimmt zu
Ein weiteres Ergebnis des bundesweiten Sentinel-Systems zu STDs: Die sexuell übertragbare
Infektion Lymphogranuloma venereum (LGV) , die durch Chlamydia trachomatis (Serovar L1-L3) verursacht
wird, nimmt in Deutschland unter HIV-infizierten Männern zu. Unklar ist noch, ob eventuell eine in
HIV-Schwerpunktpraxen weiter verbreitete Chlamydien-Diagnostik die höhere Inzidenz unter
HIV-positiven Männern erklären könnte.
3A - Arbeitsgruppe Ärztinnen und Aids
Neue DAGNÄ-Arbeitsgruppe präsentiert erste Ergebnisse
Am 11. Mai fand in Frankfurt a.M. das dritte Treffen der DAGNÄ-Arbeitsgruppe Ärztinnen und
Aids, 3A, statt. Die Gruppe, die erst auf dem DAGNÄ-Workshop im September 2006 gegründet wurde,
versteht sich als Interessensvertretung für Ärztinnen, die in Praxis oder Klinik in der
HIV-Versorgung tätig sind. Auf der Frankfurter Tagung wurden jetzt erste Arbeitsergebnisse präsentiert
und wichtige Eckpunkte für die weitere frauenspezifische Forschung der Gruppe festgelegt.
DAGNÄ
Ambulante Behandlung im Krankenhaus
Das GKV-WSG hat für die Zulassung von Krankenhäusern weitreichende Änderungen
definiert. Seit dem 01. April 2007 können die Krankenhäuser Anträge bei den zuständigen
Landesplanungsbehörden für die Behandlung hochspezialisierter Leistungen, wie z. B. HIV und
AIDS, stellen. Der Gesetzgeber geht zunächst von einer Eignung der Krankenhäuser zur
Leistungserbringung aus. Somit müsste die Landesplanungsbehörde eine Nichteignung eines
Krankenhauses explizit nachweisen. Krankenhäuser sind geeignet, wenn sie die rechtlichen und
personellen Anforderungen an die vertragsärztliche Versorgung und die vom G-BA ggfs. zusätzlich
festgelegten sachlichen und personellen Anforderungen erfüllen. Der G-BA kann in seinen Richtlinien
Maßnahmen zur Qualitätssicherung vorgeben.
Deutsche AIDS-Hilfe
Mittler zwischen Forschung und Patient/in
Mitte dieses Jahres feiert das Kompetenznetz HIV/AIDS sein fünfjähriges Bestehen. Fünf
Jahre Kompetenznetz HIV/AIDS - das heißt auch fünf Jahre Beteiligung von AIDS- Hilfe und
HIV-Community an dem derzeit größten deutschen HIV-Forschungsprojekt. Im Kompetenznetz gibt es
eine Vielzahl an Arbeitsgruppen und Themen, in denen Patientenvertreter derweil mitreden, sei es bei der
Entwicklung und Bewertung von Forschungsideen oder bei der Sicherstellung von Datenschutz und Datenqualität.
Im Fokus des Engagements steht das Einbringen von Patienteninteressen und Fragestellungen der AIDS-Hilfe
in die mittlerweile 15.000 Personen umfassende HIV-Kohorte.
Deutsche AIDS-Stiftun
Deutsche Aids-Stiftung unterstützt Projekt in Mosambik
DREAM: Ein Traum wird Realität
Adalberta hat die Station und die Situation im Griff, das merkt man sofort. Die resolute
Krankenschwester leitet eines der ersten und ältesten DREAM-Zentren Mosambiks. Matola II, so der eher
technische Namen des Zentrums für Schwangere, Mütter und Kinder, liegt in Matola, einer direkten
Nachbarstadt der mosambikanischen Hauptstadt Maputo. Adalberta führt die Besucher der Deutschen
AIDS-Stiftung (Jeane Baronin von Oppenheim, Vorsitzende des Kuratoriums, Dr. Ute Canaris, stellvertretende
Vorsitzende des Stiftungsrates und Dr. Ulrich Heide, Geschäftsführender Vorstand) durch ihr
kleines Reich. Ein Reich, das durch die vielen Schwangeren und die vielen Mütter mit Babys und
Kleinkindern sehr lebendig, sehr quirlig ist. Dabei erklärt sie das Konzept von DREAM.